Wenn Du den Pfeil der Wahrheit abschiessen willst, vergiss nicht, die Spitze in Honig zu tauchen.
Arabisches Sprichwort
Ich komme aus einem längst vergessenen Land, in dem zur Weihnachtszeit wohlsituierte Menschen handgeschriebene Überweisungsträger zu Banken brachten, um erkleckliche Summen den Bedürftigen zu spenden. „Wir schenken uns nichts, wir spenden lieber“ war in meinen Kreisen ein gängiges Verhalten, und damit wurde die Welt ein klein wenig besser. Diese Welt, deren Teil ich war, existierte vor einem Jahr noch. Dieses Jahr gehen die Gespräche nicht mehr darum, wie viel man spendet, sondern um die Reichweite von Pfefferspray, Alarmsirenen und Selbstverteidigung. Ich muss ganz offen sagen, dass mir das alte Land sehr viel besser gefallen hat, aber es wurde anders, und nach Silvester geht wirklich die Angst um. Besonders, wenn es in den Städten dunkel wird.
Da kann die Polizei noch so sehr betonen, es gäbe bislang keine Erkenntnisse über signifikant steigende Kriminalität durch Migranten des letzten Jahres: Der bürgerliche Konsens ist, dass man erst gar nicht erst Teil einer Verbrechensstatistik werden will. Andererseits ist meine dumme, kleine Heimatstadt relativ sicher: Trotz notorisch hoher Anzeigenbereitschaft – da weiss ich als Altstandbewohner, wovon ich rede – ist die Kriminalitätsrate nur halb so hoch wie in Berlin, und die Aufklärungsquote ist dagegen anderthalb mal so hoch. Hier werden noch Graffitischmierer drakonisch verfolgt und in der Donau ers, und wer sein Handy sichtbar im Auto liegen lässt, bekommt von der Polizei auch schon mal einen Hinweis an die Windschutzscheibe gehängt. Seit vielen Jahren erledige ich meine Bankgeschäfte auf den letzten Drücker in der Nacht, weil dann bei den Überweisungsautomaten wenig los ist, und nie hatte ich deshalb ein Gefühl der Bedrohung.
Insofern war es letzten Donnerstag nur Routine, dass ich gegen elf Uhr das Haus verlassen habe, und durch unsere prächtige Altstadt hinunter zur Sparkasse ging. Ein Gemälde musste bezahlt werden, und am nächsten Tag gedachte ich, in die Berge zu reisen. Da wollte ich noch etwas Geld abheben. So ist das nun mal, das machen viele am Abend so, und manche verbinden dann auch einen Theater- oder Filmbesuch mit einem kurzen Abstecher ins Foyer der Bank. Man kommt aus Richtung Norden und geht schräg über den Rathausplatz, und wer in diese Diagonale beschreitet, muss eben zu Bank. Vor mir waren zwei Frauen auf diesem Weg, die unabhängig von einander erst langsamer gingen, dann abbogen und sich schnell in eine andere Richtung entfernten. Offensichtlich hatte das etwas mit den vier jungen Männern zu tun, die im Foyer knapp hinter der Tür standen.
Ziemlich breitbeinig, ziemlich raumgreifend, mitten im Weg, und obendrein von dem Typus, der momentan trotz aller liebevoller Anweisung durch öffentlich-rechtliche Anstalten, die Sache doch rational zu betrachten, die Frauen zum Kauf von Pfefferspray bringt, Nun ist gerade Winter, und es kommt öfters vor, dass Leute im Foyer auf den Bus warten: Drinnen ist es warm, draussen ist es kalt. Das Foyer ist gross, ein Saal mit weit über hundert Quadratmeter, da stört es niemanden, wenn in einer Ecke ein paar Leute stehen. Nach Mitternacht ist das Foyer ohnehin geschlossen. Diese vier Herren jedoch stehen nicht irgendwo am Rand, sondern mitten im Weg, und als ich, zynischer Journalist, der ich bin, die Kamera hebe, geht ein Mann an mir vorbei. Geht ein paar Schritte, schaut hin, hält an, biegt ab und entfernt sich wie die Frauen. So bleiben die vier jungen Männer in ihrer dunklen Kleidung allein im Foyer.
Ich muss dort auch nicht hinein. Es gibt am anderen Ende des Bankgebäudes noch ein zweites, kleineres Foyer mit Automaten. Ausserdem sind an beiden Enden des Raumes Türen – man kann einfach hindurch gehen. Man wird sehen, was passiert. Das ist eine bayerische Stadt, hier herrschen Recht und Ordmung, und die Sparkasse am Ort hat einer meiner Vorfahren mitgestaltet. Meine Stadt, meine Bank, meine Automaten. Wobei, als ich näher komme, wird mir schon klar, dass ich dort nicht abheben werde: Es sind vier, ich bin allein, und ihre Tüten haben sie neben den Geldautomaten abgestellt. Ich schätze bei Bankgeschäften die Distanz, und die ist hier nicht gegeben. Ausserdem habe ich lang in Italien gelebt, und meine – in der Wolle knallrot gefärbten – Freunde, deren Nachbarhaus in Flammen aufging, haben mir beigebracht, möglichst viel Distanz zu wahren. Mein italienisches Ich, das schon Raubüberfälle erlebt und das falsche Ende von Messern gesehen hat, will da eigentlich gar nicht hinein. Mein deutsches Ich stechschreitet weiter. Dann öffnet sich die Schiebetür, und nein, diese vier Herren haben mit dem Islam nichts zu tun. Denn der Islam gebietet als patriarchalische Kultur, wie der Name schon sagt, ganz zentral Achtung vor dem Alter. Direkt an der Tür im Weg stehen und keinen Millimeter weichen, den deutlich älteren Ankommenden sehen, feixen, und weiter recht laut – und nach meiner bescheidenen Meinung auch erkennbar alkoholisiert – redend ignorieren entspricht überhaupt nicht der Höflichkeit, die man in arabischen Ländern älteren Menschen entgegen zu bringen hat.
Das kann man sich dort nur leisten, wenn man entweder sozial sehr hochgestellt ist, oder andere, die sozial nicht unterlegen sind, beleidigen will. Aber im normalen Umgang der islamischen Welt gilt das, wie auch bei uns im patriarchalischen Bayern, als ausgesprochen unfein und respektlos. In einer Bank könnte man sich das dort nicht leisten. In der ostafrikanischen Tewahedo-Kirche ist das übrigens auch nicht anders, dort gilt die jüdische Hochachtung vor den Älteren. Es handelt sich bei den mutmasslich aus Eritrea oder Somalia stammenden Herren nicht um Vertreter einer multikulturell anderen Einstellung zum breitbeinig Dastehen, sondern um Wissende einer auch in ihrer Heimat fragwürdigen Dreistigkeit. Das betrifft übrigens, wenn ich das anmerken darf, auch die Exzesse in Schwimmbädern, die man nun mit Bildchen zu begrenzen versucht: Den Beteiligten ist aus ihrer Heimat sehr wohl bewusst, dass solche Übergriffe in Blutrache ausarten können. Das tut man im Irak, in Syrien und Afghanistan nicht, und die soziale Fragwürdigkeit wird durch äusserst rabiat agierende Clans verdeutlicht. Man kann den sozialen Druck solcher Clans und ihrer gesellschaftlich akzeptierten Rachegelüste nicht effektiv durch nette Bildchen ersetzen. Es würde auch nichts bringen, den Herren im Foyer mit Bildchen zu erklären, dass dieser Raum allein Bankkunden vorbehalten ist, und sie sich doch bitte, wenn überhaupt, dezent am Rand aufhalten möchten, und die Taschen mit den Flaschen von den Geldautomaten entfernen. Wären es keine Migranten, sondern weisse, heterosexuelle Deutsche, würden Netzfeministinnen jetzt von “Breitmachmackern” sprechen und schärfere Gesetze fordern.
Mein italienisches Ich gelangt zur Überzeugung, dass es nur so mittelklug ist, hier einen grösseren Betrag vor den Augen dieser lauten, aufgedrehten und breitbeinigen Herren im Eingang abzuheben. Mein italienisches Ich verweist auf den Umstand, dass der Heimweg durch eine finstere Altstadt führt, und letzthin am Tegernsee ein Herr aus Tansania versucht hat, einem anderen Herrn aus dem Senegal den Kopf mit einem Stein einzuschlagen – wegen 2 Euro. Mein italienisches Ich verspürt sehr schlechte Schwingungen im Raum und möchte diesen Herren nicht den Rücken bei einem Geldtransfer zuwenden. Mein italienisches Ich will einfach nur schnell wieder raus und Shackelton zitieren, der nach einer gescheiterten Expedition seiner Frau schrieb, er habe angenommen, ein lebender Esel sei ihr lieber als ein toter Löwe. Mein italienisches Ich findet, dass ich schon mutig genug war, nicht wie die anderen davonzulaufen, und nebenbei will es wissen, ob ich ein Telefonino dabei habe. Es würde gern die Polizia Municipale anrufen, damit die denen klar macht, wie dumm, dreist und daneben es ist, sich hier so zu benehmen. Natürlich ist das kein Verbrechen, aber mein italienisches Ich ist auch Kavalier und möchte, dass Frauen, wann immer sie wollen, ohne dreiste Machospiele an der Tür über ihr eigenes Konto verfügen sollen. Es gibt ein Grundrecht auf Asyl, das mag schon sein, aber auch ein Grundrecht der Sicherheit im Alltag. Mein italienisches Ich favorisiert hier eine Rechtsgüterabwägung mit Blaulicht, Hausverbot und Platzverweis.
Natürlich werden Freundinnen des deutschenfeindlichen Rassismus, denen das reale Leben von Nichtfeministinnen egal ist, jetzt feixen, denn die Asylbewerber haben damit ihren Zweck im totalitären Weltbild erfüllt, und den Deutschen endlich mal in seiner Komfortzone die Unsicherheit der Welt spüren lassen. Und sie haben es so geschickt getan, dass der Deutsche wirklich nicht weiss, ob er nun etwas tun soll, oder nicht. Denn natürlich ist es draussen kalt, natürlich geht man ins Foyer, und es wäre unhöflich, andere draussen frieren zu lassen. Es ist keine leichte Entscheidung, was da zu tun ist. Es ist im Graubereich zwischen bedrohlichem Anschein und Bedrohung. Sie sind nun einmal da, hat die Frau gesagt, die diese Leute eingeladen hat. Sie hat auch behauptet, die Kanzlerin hätte die Lage unter Kontrolle, aber die einzige echte Kontrolle an diesem Abend sind vier junge Männer, die eine Tür dicht machen. Mindestens zwei Frauen überlegen jetzt, ob sie wirklich noch gefahrlos ausgehen können, und ob Pfefferspray nicht doch eine gute Idee wäre.
Das Deutschland, aus dem ich stamme, das Land, das die hauseigenen Rassisten der Linken so sehr hassen, war ein gutes Land, und bewohnt von Türaufhaltern, Rücksichtsnehmern – sofern sie nicht gerade im Auto sassen – Schlankmachern und Vortrittlassern. Es war ein Land, das so phantastisch funktionierte, weil sehr viele nicht das in Anspruch nahmen, was möglich war, sondern nur das, was sie wirklich brauchten.Nur deshalb konnte es sich eine generöse Wohlfahrt leisten. Es war ein Land von guten Umgangsformen, und obendrein auf allen staatlichen Ebenen dem Gemeinsinn verpflichtet, wie mein italienisches Ich immer wieder zähneknirschend beim Blick auf italienische Verhältnisse zugeben musste. Es war ein Land, dem man gut sein Dasein anvertrauen konnte, tolerant, weltoffen, hilfreich und idealistisch. Es war ein Land der Spendenschecks und der egalitären Biergartensitzer. Es war ein Land, dessen Banken jeder bedenkenlos in der Nacht besuchen konnte. Dieses Land verschwindet mit jeder Massenschlägerei, mit jedem sexuellen Übergriff und jeder helfenden Verharmlosung mit Hilfe der Familienministerin, jeder Jagd auf Journalisten, jedem Brandsatz an Unterkünften und Autos, bei jedem Schuss auf Plakatekleber und jedem Messerstich, und mit jeder Frau, die stehen bleibt und schnell in eine andere Richtung geht. Man sagt mir, diese Migrationskrise sei wie eine Kneipe, in der achtzig Menschen sind, und dann kommen halt noch ein, zwei Leute dazu. Leider ist diese Migrationskrise auch vier breitbeinige, laute, dreiste Herren im Eingang meiner Bank. Keine Flüchtlinge, sondern Migranten, die vermutlich über Italien kamen, ein Land, das auch friedlich ist und das Asylrecht kennt, aber ihnen keine üppigen Privilegien anbietet. Italien ist ein Land. das solche Leute nicht explizit zum Kommen auffordert und nicht erwartet, dass das Volk ein freundliches Gesicht macht, weil wir die Grenzen angeblich ohnehin nicht schützen können.
Das stimmt. Wir können angesichts derjenigen, die Integration weder als Bring- noch Holschuld, sondern als Anlass zum Feixen betrachten, noch nicht mal die Türen unserer Banken frei halten. Und das hat alles nichts mit dem Islam zu tun. Nur mit Feigheit, schlechtem Benehmen, offenen Grenzen und dem totalen Versagen an der Spitze der Regierung eines Landes, das früher schön und freundlich war.