Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Lustvoll der Ausrottung entgegen

PRVDENTI NON DEFICIT ALTER

Ich glaube, ich rieche auch nach der Dusche noch nach den Abgasen von Bugattis, Ferraris, O.S.C.A.s und vor allem nach diesem Maserati, Startnummer 437. Ich bin hinter ihm durch blaue Schwaden über die Strasse gelaufen, da war die Luft mit Teufelspest gesättigt, irgendwie klebt das in den Poren.

mop

Ich habe es immer noch in der Nase. Vielleicht ist es Einbildung, vielleicht etwas Sehnsucht nach den tollen, lauten, nassen, heissen, stinkenden Tagen. Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Geruch nicht doch gefällt, aber ich lasse das Verdeck zurück gleiten und mich dann, 270 Kilometer weit über die Toskana und die Poebene durchblasen und saubertrocknen.

mon

Bei Poggibonsi bekomme ich Gesellschaft, ein britischer Aston Martin zieht auf die zweispurige Autobahn. Ich muss nicht auf den roten Pfeil mit der Aufschrift 1000MIGLIA auf dem Heck schauen, ich weiss, was er hier tut. Italien ist gerade voll mit schnellen Autos, und in einem Tunnel fährt er neben mich, lässt die Seitenscheibe runter, und dann hören wir uns an, wie es klingt und bebt, wenn ein Aston Martin und ein 3,5-Liter-V6 im Tunnel im Duett wie zwei Höllenhunde losbrüllen.

mor

Nicht schlecht, aber wenn man ehrlich sein soll: Alte, gerade, glühend heisse Eisenrohre direkt an der Brennkammer klingen immer noch besser.

moh

Und danach rollen wir gesittet weiter durch die Landschaft, und bekommen Gesellschaft durch andere Schlachtenbummler. Lauter Männer, die sich gerne alte Automobile anschauen und deshalb an einem Mittwoch oder Donnerstag im Mai in ein anderes Auto steigen, nach Italien fahren und das betrachten. Weil es geht. Weil wir privilegiert sind und über das eigene Leben bestimmen. Wir sind hier, weil andere es nicht sein können, aber so ist das eben. Es gbt auf dieser Welt für manche einen Platz im Büro, für andere auf dem Migrationsschiff und für ein paar wenige, meist in diese Welt so geborene Menschen einen Ledersitz in einem schnellen Wagen auf der Autostrada zwischen Siena und Florenz.

mod

Einfach nur, weil sie ein paar andere Autos anschauen wollen. Ganz einfach.

mnc

Würden wir uns alle durch den Berufsverkehr quälen oder die Autobahn hinaus nach Starnberg mit anderen verstopfen, mit all den Opels und Minis, wären viele auch nicht begeistert. Hier sind wir in Italien, wir stören keinen und tun etwas für die italienische Wirtschaft. Kinder drücken sich die Nasen an den Scheiben der Fiats und Lancias platt. Wir kennen diesen Blick. So haben wir gerade auch geschaut.

mof

Auf die antiquierten Objekte unserer Begierden.

mnt

Wir sind nicht schlecht oder böse, die Welt ist halt so, es gibt ein Unten und ein Oben und das Oben – mit all seinen Nachteilen – haben sich die meisten nicht herausgesucht. Wir sind keine amoralischen Verschwender wie die letzten, degenerierten Medici, die das Grossherzogtum Toskana zugrunde richteten, aber auch kein heiliger Franz, der drüben in Assisi allen Besitz ablehnte. Wir sind eine Notwendigkeit des Schicksals und wenn wir es nicht täten, würden es vermutlich andere machen. Die Menschen in den Booten vor Libyen träumen nämlich nicht von einem Rad oder einem alten Auto, sondern von dem Dasein, das wir leben.

mok

Ein Dasein mit vielen Freiheiten. Es ist nicht schlecht, es ist einfach so, und es war schon früher so. Der Kapitalismus hat diese Autos ermöglicht und diese Strassen, er hat dem Kommunismus besiegt und auch im Osten muss sich keiner mehr Vorwürfe anhören, wenn er sich hier dekadente Bilder anschaut. Natürlich sind das auch Bilder einer Klassengesellschaft. Aber deshalb sieht es auch nicht aus wie das Wolga- und Trabbitreffen in der Uckermark.

mnv

So gleitet der Wagen also Richtung Florenz, ein jeder ist auf seinem Platz und eigentlich ist es viel zu schön, um sich vom neokommunistischen Nachfolgeasozialen ausrotten zu lassen, aber: Obwohl ich niemandem etwas zuleide tue, obwohl ich meine Anwesenheit im Sinne der Bildberichterstattung gut begründen kann, und Pressefreiheit auf dieser Strasse lebe, stehe ich daheim auf der Abschussliste. Denn das Volk liest nicht viel von den eleganten Linien eines Jaguars XK120

mnq

oder vom Donnern eines SSK.

moi

Das Volk liest eher, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert. Verbrämt heisst das von “Journalisten“ die nichts Gescheites gelernt haben und deren Medien ihnen keine Teilnahme an der Mille Miglia erlauben, und die damit PR in eigener, wohneigentumsloser Sache betreiben, dass Vermieter zu viele Anteil an ihrem geringen Einkommen erhalten. Ich höre so ein Gewinsel nie von Softwarearchitekten, das kommt immer nur aus den Städten, die das Schreibpersonal in Randlagen rausgentrifizieren. Das ist nicht schön. Aber viele Automarken der Mille Miglia gibt es nicht mehr, und über deren Arbeiter verloren diese Leute keine Träne.

moo

Tränen kommen nur bei den eigenen Problemen. Nie von den edelblauen Abgasen echter Autos mit echten Fahrern.

moj

Warum soll ich jetzt mitfühlen, wenn sie nun in den schlechteren Vierteln die beengten Wohnverhältnisse einer Arbeiterfamilie kennenlernen? Nun, weil sie die Auffassung vertreten, dass die Mietpreisbremse verschärft werden soll. Dass sie dabei indirekt zugeben, dass sie das benötigen, um mehr Geld für Grundbedürfnisse wie Pizzalieferdienste und iPhones zu haben, stört sie vermutlich weniger als mich das leicht unsaubere Framing des Bildes. Jeder eben auf seinem Platz beim Klagen.

mnm

Natürlich rede ich mich leicht. Natürlich habe ich das nicht erarbeitet, das haben Generationen getan, genossen, bewahrt und dann so viel weiter gegeben, dass es auch für andere noch reichte. So geht das nun mal. Vollkommen mit eigener Hände Arbeit, ganz allein, macht das aufgrund der staatlichen Fürsorge bei uns ohnehin keiner, und selbst dann reicht das, wie es der sozial engagierte Schreiber an sich selbst erleben muss, nicht zu meinem Platz in der Toskana. So ist es nun mal.

mnk

Dennoch stehen wir uns nun antagonistisch gegenüber. Jahrelang wurden in Deutschland die Mieten künstlich niedrig gehalten, dass solche Nachwuchstalente ihre Autorenkarrieren billig in vielen Städten basteln konnten, während unsereins nebenbei Rohre entkalkte und Siphons leerte. Jahrelang haben uns solche Figuren von den Freuden des Zinspapiers und des Neoliberalismus erzählt. Jetzt gewinnen wieder die Hausbesitzer. Wie zu Bugattis Zeiten. Es ist nicht meine Schuld, wenn opportunistische Wiesel auf der falschen Seite der Geschichte enden und unter die Räder kommen.

mnp

Wobei wir dennoch alle herangezogen werden, wenn es um die Finanzierung von Elektrotrabbis nach dem 5-Jahresplan der Volkskammer Parlament geht. Zudem kommt sicher noch, wenn sich zeigen sollte, dass nicht ganz so viele Ärzte aus dem nicht ganz syrischen Kabul und Casablanca kamen, eine neue Debatte über Benzinsteuern. Rente mit 73 ist schon im Gespräch. Mit 73 sehen wir als Playboys sicher nicht mehr so gut aus wie dieser BMW328.

mnx

In meinem Fall ist es egal, meine Ablehnung der Unterschicht im eigenen Beruf reicht für Beiträge, bis ich 180 bin. Tatsache ist aber, dass auch überall gerade mehr Vermögenssteuer gefordert wird, um angebliche Reiche zu schröpfen, und wegen Gerechtigkeit. Was danach übrig ist, soll beim Vererben auch nochmal wegen Gerechtigkeit geschröpft werden. Und damit es beim Manne nicht so viel wird, soll zur Frau hin eine in amerikanischen Studien berechnete Gender Pay Gap zwangsgeschlossen werden. Dafür witd dann auch Objektifizierung in der Werbung verboten – laden Sie sich das nächste Bild runter, bevor es eine Frauenbeauftragte wegklagt.

mos

Oh, und haben Sie schon gelesen, dass es bei Besitz und dessen Einzug jetzt eine Beweislastumkehr nach Willen der SPD gegen soll? Seitdem bin ich für die Einführung einer 10%-Hürde bei Wahlen. Wir haben den Kommunismus besiegt, damit wir alle schöne Autos kaufen können und nicht, um den Stalinismus durch die Hintertür einzuführen – für alle, die von Gabriel keine eigenen TTIP-Schiedsgerichte geschenkt bekommen, um ihre Ziele unbelastet vom Rechtsstaat mit den Gabriels dieser Welt auszuklüngeln.

mnn

Natürlich steht nirgendwo, dass man mich jetzt explizit ausrotten möchte. Man würde mir schon das nackte Leben und vielleicht ein Rad lassen, und eine neue Kette alle vier Jahre. Gerade kam diese Prognosstudie zur regionalen Entwicklung in Deutschland – da bin ich an allen Wohnorten ganz vorne mit dabei, und der Reichshauptslum Berlin ist beim Reichtum auf Platz 400 von 402. Ich verstehe, dass das Begehrlichkeiten weckt, das geht mir hier bei manchen Auto ganz ähnlich.

mns

Trotzdem lesen Sie hier keinen Beitrag, in dem ich ein bedingungsloses Grund-Millemigliateilnehmen fordere, oder eine Staats300SL in Spritzfarben. Ich komme aus der richtigen, alten Klassengesellschaft, wo man den Staat so weit wie möglich meidet und die eigenen Dinge selbst regelt “Da kommt die Fürsorge“ war in den Zeiten dieses Automobils etwas ganz Schreckliches.

mnl

Heute ist es üblich, die Fürsorge des Staates zu rufen für jeden, der da kommen und fordern mag. Das sind viele und wir, nun, wir sind zwar gerade auf der Autobahn Richtung Ziel in Brescia schon viele und hinter Modena ein paar Tausend PS im Convoi, alle zusammen, aber in absoluten Zahlen eine Minderheit. Als solche wird man geschützt und bevorzugt, wenn man zu den kopftuchtragenden Antisemitinnen gehört, Verständnis für die Terrortruppe der Hamas kurzfristig verschweigt und Feminismus vorgaukelt. Aber nicht als mitelalter weisser Mann, bei dem alle nur die wehenden Haare im Fahrtwind sehen, und nicht die Arbeit, die in Zeiten wie diesen die Erhaltung und Bewahrung des Geerbten bedeutet. Und die Benzinrechnung will auch kein Politkommissar zahlen.

mnd

Ich komme damit schon zurecht, und mehr habe ich auch gar nicht von diesem Staat erwartet. Vermutlich ist es ohnehin wie bei der Mietpreisbremse, man macht erkennbar wirkungslose Gesetze und am Ende staunen die Kollegen wieder, dass sie erneut für alles und für die geschenkten Menschen zahlen müssen. Wenngleich sie weniger Risiken als normale Arbeiter erdulden müssen, weil sie ihre Rübe-Ab-Forderungen für unsereins sprachlich eloquenter als Islamisten und deshalb konkurrenzlos vortragen.

mnb

Aber bis dahin werde ich vermutlich immer wieder neue Verteilungswünsche für mein Gut und das anderer Leute lesen, und Selbstbereicherungsverlangen durch Leute, die auch mal im Uranbergwerk zeigen könnten, was wirklich in ihnen steckt. Ich hätte durchaus Achtung vor der arbeitenden Klasse der neuen DDR, aber wenn schon, dann bitte richtig und in Wismar. Denn in so einem Land der sozialen Gleichschaltung braucht man auch wieder billigen Strom für die Elektrotrabbis.

mnw

Ich bin mit Rene Brosig dennoch einer Meinung, dass wahrhaft gerechte Verteilung nach Leistung nicht geht, weil wir die arbeitsscheuen Linksaktivisten nicht verhungern lassen können – aber weitergehende Forderungen sind wirklich nicht gut begründet. Selbst wenn die SPD sie ins Parteiprogramm aufnimmt, um von ihrem Ausverkauf durch TTIP abzulenken.

mno

So ist das. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen, es darf gern sozial bequem wie das Alcantaraleder unter mir sein. So geht es dahin mit den anderen, die alle das schöne Wetter geniessen. Aber letztlich bin ich dann doch recht froh, als ich meinen Drittwohnsitz Mantua erreiche – reichlich spät, um mich von der Mille Miglia drüben in Brescia noch zu verabschieden.

mnr

Statt dessen gehe ich in den Palazzo Ducale und schaue die herrlich arroganten Höflinge der Gonzaga auf den Fresken von Andrea Mantegna an. Solange, bis sie abgeschlagen werden, weil das kulturferne Plebs in den Gazetten gleiche NVA-graue Wände für Alle verlangt, die Stoffverschwendung durch gerafften Goldbrokat verurteilt, die Frauenquote nicht erfüllt sieht –

moq

und am Ende bemerkt, dass Andrea Mantegna gar keine Frau war, wie es die feministische Kunstgeschichte in Nordrhein-Westfalens Hochschulen lange geglaubt hat.