Als der Zirkus in Flammen stand, war kein Wasser zum Löschen zur Hand.
Georg Kreisler
Meine Nachbarn hier in Mantua können froh sein, dass sie nicht in Deutschland leben. Denn sie regen sich gerade über einen, man muss es so sagen, unbeliebten Nachbarn auf. Einen Nachbarn, dem sie gesagt haben, dass alte Wohnzimmermöbel eigentlich keine Gartenmöbel für die kleine Fläche vor dem Erdgeschossapartment sind. Aber das Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen bringt es nun mal mit sich, dass der Herr, der dort übergangsweise wohnt, die alten, schwülstigen Wohnzimmermöbel bequem und praktisch fand. Bis letzte Woche, da waren an die 20 Freunde beim Grillen im proppenvollen Garten, und später die Feuerwehr, weil sich einer der alten Sessel dabei entzündete. Das war nicht schön und roch noch weniger schön. Seitdem gehört meine Ecke von Mantua weniger zur Regionalhauptstadt Mailand als eher zu Gauland. Italiener, das merke ich sehr deutlich, machen sich mehr Sorgen um ihren qualmfreien Weg zum See als um die öffentliche Meinung, die hier ohnehin anders ist.
Das Thema Entflammung wird in dieser Ecke der Stadt seit letztem Jahr kritisch gesehen. Aber es ist dennoch wirklich schön hier, und Italiener sind halt emotional, da darf man nichts drauf geben. Es ist hier auch nicht so leicht wie etwa in Deutschland, wo die anständigen Leute am Tegernsee wohnen und genau wissen, dass das Gschleaf und die Hobara aus Berlin weder das Geld noch die Neigung haben, ihnen nachzuziehen: Echte durchgentrifizierte Luxusviertel sind in Italien nicht so typisch wie in Deutschland, und selbst im piekfeinen Villenareal von Brescia sind auch verrottete Bauten. Mein Viertel ist wie viele, der Nachbar fährt einen goldfarbenen Jaguar und weiter vorne ist ein kommunaler Sozialbaui. Trotzdem gibt es den in Italien typischen Zusammenhalt im Viertel. Solange man nicht Eiche-Rustikal-Sessel bei einem lauten Fest abfackelt und die Überreste zwei Tage später noch die Strasse am See verunzieren.
Diese Solidarität im Viertel funktioniert, weil hier auch die Sozialkontrolle noch recht stark ist. Das hat seine guten Seiten, weil hier niemand auf die Idee käme, mit einem Wegbier durch die Gegend zu laufen und damit seiner Familie Schande für die nächsten 10 Jahre zu bereiten, und sich aus dem Heiratsmarkt zu werfen. Auf der anderen Seite erscheinen mir die hier üblichen Kirchgänge und das völlig kritiklose Verehren des Padre Pio ein wenig, also, in Italien würde ich das nie offen sagen, aber, nun, also, Sonntag, finde ich, ist zum Ausschlafen da. Wenn man hier länger lebt, bringen Italiener einen auf Linie. Integration auf eine nette, aber bestimmte Art ohne Vollversorgungsmentalität, die es hier auch sonst nicht gibt. Das macht man hier so, und unter der lauten und emotionalen Oberfläche sind die Menschen durchaus diszipliniert, zuverlässig und nicht sehr individualistisch in jenem deutschen Sinne, der manche dazu bringt, einen mit Buttersäure zu bewerfen, Vergewaltiger zu fördern und Veränderungen pöbelnd zu begrüssen – womit wir beim Thema sind.
Denn eigentlich bin ich ein Freund zivilisierter Demut und Zurückhaltung, und habe mich sehr auf die weitere Aufarbeitung des Keyloggerskandals bei der tageszeitung gefreut. Die taz vergisst in Zeiten der Rape Culture nie, andere darauf hinzuweisen, dass es bei solchen Übergriffen nicht um einen Einzelfall geht.So etwas liegt immer auch am Umfeld. Und wenn so etwas nun bei der taz erscheint, war ich mir sicher, dass sie es nicht an der nötigen Selbstkritik wird fehlen lassen. Es ist ein spannendes Thema: Wie kann aus dem emanzipatorischen Gendersternchenumfeld so ein Benehmen erwachsen? Die Fragestellung lohnt sich, denn wenn sogar bei der hochgradig problembewussten taz die Rape Culture grassiert, dann muss sie natürlich überall sein. Zu meinem Bedauern jedoch musste ich erkennen, dass die taz mitnichten über sich selbst als Hort der Rape Culture schreibt. Sondern lieber über Gauland. Mit Witzchen, weshalb es in der satirischen Kolumne “Die Wahrheit“ steht: “Was tun, wenn einem der böse Nachbar nicht gefällt? Was tun, wenn dieser Nachbar auch noch Gauland heißt?“ Die Antwort liefert die taz gleich mit: Vergrämen. Zum Auszug bringen. Mit Buttersäure und übler Nachrede.
Es gab bereits einen Anschlag auf das Haus von Gauland und ein Bekennerschreiben, die taz macht munter weiter mit Empfehlungen für Straftaten, die ihr angemessen erscheinen. Die Zeitung, die sofort eine Forderung nach Verbot der AfD verfassen würde, käme jemand dort auf die Idee, den Einsatz von Buttersäure gegen ein Migrantenheim in der Nachbarschaft zu empfehlen – diese Zeitung rät zu Kartoffeln im Auspuff. Was im besten Fall Sachbeschädigung und ein gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr ist. Und sie rät zu Brot in den Scblössern.
Das steht da mit ein paar Witzchen auf dem Niveau, das der Geschichtskundige aus SA-Zeitungen von 1932 kennt. In einem Klima, in den ohnehin Anschläge auf politische Gegner täglich passieren, empfiehlt die taz, rechtsgerichtete Nachbarn mit Straftaten zu verscheuchen. Als Satire. Satire, weil sie ein paar Witze über Problembären und Maulwürfe einstreut. Eine Zeitung, die für Toleranz gegenüber Migranten wirbt, schlägt vor, den Nachbarn bewusst zu schädigen.
In die freie Wohnung könnten dann zugewanderte Sexualstraftäter ziehen, wenn es nach dem Willen der ähnlich linken Zeitschrift der Rosa Luxemburg Stiftung geht. Dort erschien ein Beitrag zur Frage, wie man mit der Silvesternacht von Köln umgehen soll. Massimo Perinelli, ein Mitarbeiter der mit einem zweistelligen Millionenbetrag staatlich geförderten Stiftung, weist die Hauptschuld an den Übergriffen den Umständen zu, in denen die Migranten leben müssten, und weder eine Frau mit nach Hause nehmen, noch ihr ein Bier ausgeben könnten. Ausweisen dürfte man die Täter jedenfalls nicht, weil sie eine Gefährdung für die Frauen daheim wären.
Wenn es nach dem Mitarbeiter der parteinahen Stiftung geht, bedeutet das, dass der gewalttätige Migrant sich seinen dauerhaften Aufenthalt erwerben kann, indem er hierzulande Frauen sexuell missbraucht. Dann kann man ihn nicht abschieben, weil er sonst daheim ein Risiko ist. Dass der Sexualstraftäter dann weiter in Deutschland ist und hier eine Bedrohung darstellt, wird im Zeichen der internationalen und antideutschen Solidarität in Kauf genommen. Das Herkunftsland hat ein Problem weniger, Deutschland hat ein dauerhaftes Problem mehr, und für Migranten eröffnet sich ein leichter Weg, einer Abschiebung zu entgehen: Sie müssen nur Sexualstraftaten begehen und sich erwischen lassen. Die Linke wundert sich gerade, warum ihre Wähler direkt zur AfD abwandern: Möglicherweise wollen sie Boateng, aber nicht für immer eine steigende Zahl von Bleiberechtsvergewaltigern oder Politiker, die so etwas fördern, in ihrer Nachbarschaft. In Zeiten der Buttersäuresensibilisierung und Vergewaltigungsakzeptanz für Deutsche ist es dann auch nicht wirklich eine Förderung der guten Nachbarschaft, wenn ein Spiegel-Redakteur mit Migrationshintergrund so eine – mittlerweile gelöschte, aber weithin beachtete – Aussage veröffentlicht.
Da steht in etwa das, was AfD-Anhänger den Medien unterstellen: Dass sie von Aktivisten benutzt werden, die eine eigene Agenda haben und versuchen, Deutschland zu übernehmen. Ganz offen, ganz ehrlich, so wie andere ganz offen für Buttersäure und Vergewaltiger argumentieren. Natürlich ist das ein gefundenes Fressen für die Rechte, aber so steht es nun mal im Internet.
Es gibt Parteien und Medien, in denen solche Einstellungen verbreitet sind. Das sind, wenn ich das unbescheiden aus der Ferne sagen darf, nicht die Einstellungen, die man am Tegernsee hat, oder in anderen besseren Kreisen, die ich so kenne. Ja, ich befürchte gar, dass auch niedrigere Schichten frei reden und ihre Ablehnung von sexueller Gewalt ausdrücken wollen, ohne bei Facebook mit erfundenen sexuellen Verfehlungen an den Pranger gestellt zu werden. Zwischen dem, was auf der migrationsfreundlichen Seite als angemessene Reaktion gesehen wird, und dem, was gesellschaftlich als angemessen gilt, klafft ein Abgrund, den man am besten mit Anzeigen und Strafverfahren überbrückt, und es wundert mich gar nicht, wenn auf der anderen, enthemmten Seite dann jemand mit dem Keylogger arbeitet. Oder Artikel mit solchen Bildern garniert, wie es Spiegel Online tut.
Die Verärgerung meiner Nachbarn über den Kleinbrand ist irgendwie nachvollziehbar. Sie wird sich auch wieder legen. Es sind gute Nachbarn, ich habe sie gern und hoffe, dass sie mich auch gut leiden können, wenn ich freudig grüssend an ihnen vorbei radle. Aber ganz ehrlich: Mitarbeiter der taz, der Rosa Luxemburg Stiftung und des Spiegels würde ich, kämen sie an den Tegernsee, zuerst einmal begutachten, bevor ich mir eine Meinung bilde. Es ist bei uns nämlich so, dass sich die Hausgemeinschaft auch gegen einen Käufer aussprechen kann, wenn er nicht passt. Sollte ein Kollege also überlegen, später einmal die nördlichen Schmelztiegel des neuen, nicht mehr inzestuösen Deutschlands zu verlassen und seine Ruhe bei uns in den Bergen zu finden, wo die Gebirgsschützen seit jeher mit dem Vorderlader und Schrot bürgerwehren: Er lasse die Buttersäure besser daheim, und den anderen ihre Meinung. Sonst wird man bei uns nicht alt.
Und den Platz auf dem Bergfriedhof muss man sich auch erst leisten kön