Anstand ist in diesem Lande also etwas Fremdes?
Denis Diderot, Die indiskreten Schatzkästchen.
Also ich finde ja, die Grünen haben theoretisch voll Recht mit der Idee eines Mindestpreises für Fleisch. Wirklich. Das soll man unbedingt machen. Fleisch muss für den Verbraucher ganz erheblich teurer werden. So teuer, dass er sich ernährt, wie ich das gut finde. Ich bin nämlich seit über 20 Jahren Vegetarier und finde das richtig. Hohe Fleischpreise sind mir vollkommen egal, ich esse es nicht und was ich als Geschenken mitbringe, ist ohnehin extrem teuer. Ebenso finde ich Weidehaltung bei Tieren wichtig und es wäre doch schön, wenn überall die Kuhglocken so bimmeln würden, wie bei uns in den Bergen.
Ausserdem bin ich privat auch für das Verbot von industriell erzeugter “Milch“. Bei mir am Tegernsee gibt es Heumilch, das ist die echte Milch, die aus Kühen von der Alm kommt und nicht entsteht, wenn die Kuh im engen Stall mit Futtermittel gemästet wird. Wir am Tegernsee machen das richtig, Berliner sollten sich mal in ihre günstige E-Klassen oder was man da so fährt setzen, vorbeikommen und sich das anschauen. Bei uns gibt es noch Schilder auf der Strasse, wo vor frei herumlaufenden Hühnern und Gänsen gewarnt wird. So sollten Hühner leben. Immer. Dann gäbe es weniger davon, aber denen ginge es dann besser und die Asylbewerber, die sich in Rottach wegen Ramadan eine Schlägerei lieferten, werden auch an das Tierwohl denken müssen. Weil, wenn wir hier über Massentierhaltung und Quälerei sprechen: Deutschland hat gerade eine Million Menschen aufgenommen, bei denen die Umerziehung für das Tierglück wieder bei Null anfangen muss. Wir hatten hier schon eine Revolte, weil zu wenig Fleisch und zu viel Bio in der Nahrung war. Diese Leute muss man unbedingt belehren. Ja, wenn es eine Burka für Frauen wäre, das wäre etwas anders, aber bei Hühnern hört die grüne Toleranz auf, als ginge es um Dirndl und Lederhose.
Aber ich schweife ab, jedenfalls, also, unsereins kann über Mindestpreise für Nahrungsmittel nur lachen. Man lebt doch nicht im reichsten – und mit einem grünen Landrat grünsten – Landkreis Deutschlands, um sich dann billig zu ernähren. Überhaupt, Vegetarismus und Veganismus sind auch bei uns auf dem Vormarsch. Gesunde, hochwertige Ernährung sind bei uns absolute Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz. Regionale Erzeugung ist oberstes Gebot, wenn es nicht gerade um Fisch aus den Tropen geht, der natürlich eingeflogen wird, und um den einzig richtigen Parmesan und Risottoreis, den ich mit meinem 272-PS-Sportwagen Freunden aus Italien mitbringe. Wenn ich Sie, liebe Leser, mit Tempo 240 zwischen Modena und Verona drängelnd von der Überholspur wegexterminiere, was machen Sie da überhaupt in meinem Weg, Sie lahme Sa mit offenem Verdeck und die Missa Cellensis in der Anlage donnernd: Dann denke ich dabei, wie alle grünen Kernwähler, nur an das Tierwohl, das Wohlergehen der italienischen Bauern und Feinkostgeschäfte in Parma, und an die Luftkühlung der mitgebrachten Geschenke, die ich als umweltbewusster Mensch natürlich von meinem Drittwohnsitz in Italien aus mit dem Rad geholt habe.
Es ist doch den Grünen völlig klar, dass unser bewusster Lebensstil der wahrhaft Richtige ist. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, so wie es keinen richtigen Patriotismus im falschen Nationalismus geben kann. Nehmen wir einmal an, wir setzen den Mindestpreis für Fleisch durch, und eine alleinerziehende Mutter in Berlin steht mit zwei quengelnden Kindern im Supermarkt statt auf dem Wochenmarkt, wo anständige Zeit-Abonnenten einkaufen. Die Kinder quengeln nach Salami und Schinken, aber das ist zu teuer. Dann kauft sie ihnen halt ein Kilo Gummibärchen – was? Ach so, die sind aus Schweineschwarten hergestellt… ähm, ein Kilo Schokolade mit Fair Trade Kakao, dann halten die Kleinen ihre Klappe. Da ist zwar auch gefährlicher Industriezucker drin, aber es ist deutlich tierwohliger, wenn man nicht an den für Biobohnen gerodeten Urwald an der Elfenbeinküste denkt. Man macht es immer verkehrt, aber dann eben anders.
Dazu dann einen guten veganen Brotaufstrich, 100 Gramm für 4,99, und der Sohn darf auch genderneutral Röckchen tragen, fertig ist die ausgewogene Kinderernährung nach grüner Facon. Über das Gesetz, das Grossmütter zu 100 Peitschenhieben verurteilt, wenn sie Kinder im Freibad mit billigen Wiener Würsten auf tierwohlfeindliche Abwege bringen, reden wir, wenn die Mehrheit zusammen mit der feministisch-islamischen Burkini-statt-Nacktwerbungpartei SPD erreicht ist: Wichtiger ist momentan, dass der Deutsche zu spüren bekommt, was er der Erde antut. Fleisch gab es früher für die Grattler nur am Wochenende, während es bei meinen Vorfahren jeden Tag auf den Tisch kam. Das ist die soziale Grenze gewesen, und wenn sie mit Hilfe des Tierwohls wieder einbetoniert wird, habe ich auch als Vegetarier überhaupt nichts dagegen. So ist es nun mal in der Klassengesellschaft. Es ist kein Zufall, dass die Grünen im reichsten Landkreis den Landrat stellen und in Mecklenburg-Vorpommern von der AfFleischfresser in den braunen Torf gepflügt werden. Grüne Politik muss man sich leisten können.
Die Anhebung des Hartz-IV-Satzes zum Erwerb von Bio ist da natürlich eine nette Geste, speziell mit Blick auf den Reichshauptslum und Grillmoloch Berlin, wo die Grünen im Herbst wieder in die Regierung wollen. Wenn ich das noch aus Gründen der wichtigen sozialen Gerechtigkeit anfügen darf: Eine Ausnahmeregelung des Mindestpreises für vorverpackte Einweggrills würde dort sicher auch als Zeichen der Toleranz für Migranten und alternative Hipsterlebensformen verstanden werden, und als angenehmer Nebeneffekt die Wahlchancen nicht beschränken. Andere Bevölkerungsteile, die nicht die wertvolle und daher staatlich alimentierte Arbeit gegen Rechts im Kreise von Crystal Meth Käufern und Ex-Stasi-IMs leisten wollen, müssen sich halt umorientieren. Der Fortschritt kann nicht immer auf jeden Rücksicht nehmen, und woanders ertrinken Menschen im Mittelmeer: Checkt mal eure 8,50-Euro-Mindestlohn-Privilegien.
Natürlich bringt der Plan der Grünen weniger den bayerischen Dorfmetzger in Bedrängnis, als jene, die wirklich billiges Fleisch anbieten: Dönerladenbesitzer zum Beispiel. Aber so ist das nun mal mit der Ethik, sie gilt universell. Der eine wird nach der Pleite seines Ladens Securitymitarbeiter, den man im Kreise der Auto- und Wohnungsschutzsuchenden sicher braucht, wenn von berlingrünen Kernwählern fehlbelegte Sozialwohnungen für sie nicht freigemacht werden. Der andere mag vielleicht ein Umschulungs- und Gewaltpräventionsprojekt besuchen. Dort wird er unter verständnisvoller Anleitung verstehen lernen, wie gut es ist, dass nun in seinem früheren Laden eine Paläo Eatery aufgemacht hat und Genderistinnen ins Viertel zieht, das wird dann gleich viel hübscher. (Übrigens, ich war letzte Woche in so einer Vegan Eatery, und es war nach einer Virusinfektion in Teneriffa vor zwei Jahren das erste Mal, dass ich etwas nicht aufgegessen habe. Ich habe Paläoethnobotanik studiert, da haben wir auch mit Emmer und Einkorn experimentiert: Unsere neolithischen Eintopfversuche waren immer noch besser als diese Eatery. Das hat so geschmeckt, wie sich Sexualkontakt mit Hashtag-Aktivistinnen anfühl)
Aber wie auch immer, man sieht, das wird sich alles schon einrenken, wenn die Menschen über den Preis veranlasst werden, das Richtige zu tun. Ich persönlich besuche, wenn ich alle vier Wochen mein Spülmittel kaufe, auch den Supermarkt des Plebs und bin von den Fleischbergen angewidert. Ich verstehe nicht, wie man das essen kann. Diese Leute haben wohl keine Freunde, die ihnen aus Parma den Schinken mitbringen. Da muss etwas getan werden. Bislang dachte ich, dass schöne Bilder von vegetarischem Essen eine gute Idee sind, und trage meinen Teil zur Gesundheit des deutschgrünen Volkskörpers unterschwellig, verführend, freundlich und wohlschmeckend bei. Ich empfehle sorgsame Restaurants, die für Vegetarier mitdenken und auf Fleischqualität achten, weil ich eigentlich gelernt habe, dass die Aufklärung in Verbindung mit Genuss und Lebensfreude überzeugend ist. Was könnte schöner sein, als den Urlaub nach zwei Monaten in der dritten Heimat mit einem Besuch bei der Caseificio Vittoria zu krönen, um den Biosieg mit 2 Kilo Grana Padano zu feiern?
Der Veggie Day dagegen erinnerte manchen an einen Eintopftag unschöner deutscher Zeiten – Fleischrationierung wiederum könnte mit dem 20. August 1939 verglichen werden. Offensichtlich fühlen sich die Grünen als kommende Regierungspartei im Bund aber stark genug, ihr Verlangen offensiv und ohne freundlichen Umgang mit dem Souverän zu bewerben. Gefahr droht natürlich keine, denn vermutlich haben sie aus der Geschichte der französischen Revolution gelernt. Sie lassen Marie Antoinette Hofreiter nicht in der Traglufthalle Holzkirchen während des Ramadan gegenüber 300 Männern verkünden, dass sie lieber Falafel essen sollen, wenn sich der Caterer die Beschaffung von vormals billigen Käfighühnern nicht mehr leisten kann.
Falls doch, würde ich raten, die Bettstangen und Feuerlöscher vorher zu entfernen. Ich meine es als vegetarisch-bewusste Kernzielgruppe der Grünen wie immer nur gut. Es gibt leider manchmal Konflikte ums Essen, und möglicherweise sind sie sogar unter den wohlerzogenen Deutschen nicht ganz ausgestorben. Ich wünschte, alle wären in ihren barocken Stadtpalästen und Residenzen am Tegernsee so gut und vorbildlich wie ich – sie sind es aber nicht. Damit muss man vielleicht auch mal tolerant leben können.