Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Das schwarz-grüne Angebot, das man ablehnen kann

Male parta male dilabuntur

Sehen Sie, es gibt zwei Arten von Journalisten auf dieser Welt:: Die einen haben solche gute Ideen für Politiker, die sie auf Wohnungssuche schicken wollen, und die anderen können sich das Schreiben leisten. Ich kann es mir leisten, und ich denke deshalb gar nicht so weit wie diese Kollegin, der das Bewinken der Untertanen von einem Balkon aus als Qualifikation nicht ausreicht. Die Vorstellung. Politiker auf erschwerte Wohnungssuche zu schicken, mag reizvoll sein, wenn man dieses Schicksal selbst erleidet. Aber wie so oft denkt man in Berlin nicht an die unmenschlichen Folgen für die Bessergestellten: Das Mietsuche-Praktikum würde Vermietern wie mir die Bürde auflasten, sich mit Politikern herumzuschlagen, die es gar nicht ernst meinen. Solche Politiker erlebe ich ohnehin schon zu oft, eigentlich immer sogar, und ich will sie ehrlich gesagt nicht auf meinem Sofa. Oder auf dem Flur. Oder im Haus.

Denn hier ist es gerade so, dass das Haus im 417. Jahr seiner letzten Bauphase in eine Situation kommt, die wieder etwas mehr Aufmerksamkeit erfordert. Da kann ich keinen Stress brauchen. Nach über 100 Jahren hat sich die Hauptwasserleistung in Krümel aus Kalk und Rost verwandelt, Böden mussten aufgerissen und Wände geschlitzt werden, und bei all den Umständen und anderen Entwicklungen hat es sich nun ergeben, dass dort, wo das Malheur zugeschlagen hat, zum ersten Mal seit 1960 ein Leerstand zu verzeichnen ist. So ist es nun mal mit dem Vermieten, nichts währt ewig, und man kann es sich vorstellen: Nachdem diese Räume immer benutzt, aber aufgrund des Geschäftsbetriebs nie restauriert wurden, steht nun erst mal eine Phase der sanften Erneuerung an. Dachte ich, als ich die Scheiben zur Strasse hin verklebte. Aber dann kam die schwarz-grüne Koalition zu mir.

Die schwarz-grüne Koalition hat sich nicht vorgestellt oder gar angekündigt. Sie sieht auch nicht wie Frau Merkel oder Frau Göring-Eckardt aus. Die schwarz-grüne Koalition, oder besser, der Vertreter ihrer Politik, der da vehement an das Fenster klopfte, das ich abklebte, ist etwa 1,70 gross, männlich, stämmig, hat dichtes, rabenschwarzes Haar mit einem nicht übertönten Graustich, und trägt weder einen bunten Hosenanzug noch ein pinkfarbenes Wickelkleid. Statt dessen Turnschuhe, Jogginghose, eine dem Alter deutlich über 50 Jahren nicht angemessene Lederjacke, und ein für den Vorwinter zu weit geöffnetes Hemd. Dass er beim Abkleben wegen der grün-schwarzen Koalition kam, die damals noch von der FDP bereichert wurde, konnte ich nicht wissen: Vielleicht, dachte ich, will er etwas über den Vormieter wissen, vielleicht ist es Kundschaft, oder er soll noch etwas holen, wer weiss. Und so sperrte ich auf und fragte ihn nach seinem Begehr. Es sei so, erklärte er, dass er auf seinem Weg durch die Stadt schon gesehen hätte, dass hier etwas frei werde. Und da habe er einen interessanten Vorschlag für mich, sofern ich ihn einmal das Objekt schnell anschauen ließe – wie viele Quadratmeter seien das? Deutlich über 100? So etwas in der Art wohl – also, die könnte er gut brauchen. Allerdings nicht als Laden.

Sondern, und da begriff ich erst, dass hier die gut verkleidete schwarz-grüne Koalition vor mir stand, als Wohnmöglichkeit. Er würde mir pauschal im Monat einen recht hohen Betrag geben, wenn er alles haben könnte. Er würde das alles restaurieren, ich müsste mich um überhaupt nichts kümmern, er würde Sanitäranlagen einbauen, eine Kochgelegenheit und Trennwände, und weil das nach vorne offen sei, würde man im Haus auch gar nichts mitbekommen. Ich wüsste doch sicher auch, sagte die schwarz-grüne Koalition, wie schwierig es sei, hier in der Stadt Wohnungen zu finden, und da würde er eben gern das anbieten, was jeder zumindest braucht: Einen Platz zum schlafen und leben. Womit die schwarz-grüne Koalition natürlich im Kern recht hat.

Denn diese Stadt ist wegen der Migration übervoll. Wir haben hier Bildungszuwanderer, die an den Hochschulen studieren, wir haben hier innerdeutsche Wirtschaftsflüchtlinge, die beim Autokonzern arbeiten wollen, wir haben sagenhaft hässliche Neubaugebiete in den Dörfern entlang meiner Radstrecke, um die Not zu lindern, und etliche Containerdörfer und eine komplette Kaserne vor der Stadt wegen der ungelösten Folgen der Migration von 2015 bis heute. Wir schaffen das, aber eben nur so weit, dass wir sie in Containern und Kasernen belassen, weil es in der Stadt einfach zu wenig Wohnraum gibt – sogar für die alten Einheimischen. Auf den Dörfern vor der Stadt ist es kaum billiger als in den Dörfern rund um München.

Wer eine Wohnung hat, der hat sie, und wer keine hat, der kann sich ein Business-Apartment mit 20m² an einer Ausfallstrasse für 140.000€ kaufen. Ich schreibe seit 2007 darüber, dass mit der Finanzkrise die Immobilie wieder schwer im Kommen ist, aber viele behaupteten, das stimme angesichts der schwindenden Bevölkerungszahlen nicht. Jetzt haben wir zum Misstrauen in das Geld und Aktien noch einen Geburtenboom, eine massive EU-Migration wegen der Wirtschaftskrisen, und eine irreversible Migration der offenen Grenzen von minimal 200.000 mit einem atmenden Deckel pro Jahr. Dazu kommen Hunderttausende, die hier ohne Aufenthaltsberechtigung leben, Leute, die einfach untertauchen und Grenzen, die so offen sind, dass ein Nigerianer zum Niederstechen seiner Ex-Freundin aus Italien anreisen kann. Und dazu kommt wegen solcher Geschichten sehr wenig Bereitschaft, im Sinne der Willkommenskultur privat zu vermieten. Deutschland hat zwar den Reichtum und das Sozialsystem, das die Migration durch viele Länder interessant macht, aber in den reichen, urbanen Zentren, die bei der Migration angesteuert werden, einfach nicht den nötigen Platz zur Unterbringung.

Es sei denn, man nimmt es den einen weg, zerteilt es in kleine Schnipsel und gibt die den anderen. Ich habe mich im Internet umgeschaut – für eine solche Schlafgelegenheit, die dem Mindestansprüchen gerade so genügt, zahlt man ab 350€ pro Monat. Schlau wie ich war, habe ich die schwarz-grüne Koalition dann nicht durch die Räumlichkeiten geführt, denn weitere Zimmer hätten sicher weitere Begehrlichkeiten geweckt. Jedenfalls wären die Kosten für den Umbau bei so einer Belegung nach 2 Monaten wieder eingenommen, und von da an muss man als Mittelsmann eigentlich nur noch kassieren. Es könnte so einfach sein, wenn die schwarz-grüne Koalition jemand fände, der zusammen mit ihrem Vertreter mitmachen will.

Sehen Sie, die Vertreter der migrationsfreundlichen Parteien haben gern ein Beispiel gebracht: Deutschland sei wie eine Kneipe, in der schon 80 Leute sind, und dann kommt halt noch einer dazu. Die Realität ist allerdings in den Städten ganz anders, 10 von den 80 leben wirklich gut, 30 leben vertretbar, die restlichen 40 streiten sich um 30 Wohnungen, und dazu kommen 2 mit der EU-Migration und 2 Flüchtlinge, und absehbar, dank schwarz-grüner Koalition, noch der Familiennachzug. Das wird dann für die unteren 40 noch enger. Wie eng, davon hatte die schwarz-grüne Koalition in Form ihres Ermöglichers bei mir eine sehr gnadenlose und konkrete Vorstellung. Und auch davon, was ihm diese Hilfsleistung bringen würde. Niemand hat nachprüfbare Zahlen, wie viele Menschen beim Nachzug noch kommen würden, aber er weiss jetzt schon genau, wie viel er damit verdienen kann.

Damit steht er besser da als die Lehrer, die Sozialämter, die Kindergärten und die anderen Wohnungssuchenden, die ebenfalls Lösungen für die Folgen der Migration brauchen. Würde ich zusagen, ahnte ich zwar kaum, wer da wie lange im Haus lebt, aber fraglos würde sich für die Betreffenden die Lage verbessern. Ich weiss nicht, ob diejenigen, die gern Politiker auf Wohnungssuche schicken würden, angetan wären, wenn alle Vermieter zu ihnen sagten: Bedaure, die schwarz-grüne Koalition hat uns ein deutlich besseres Angebot gemacht, da kannst du nicht mithalten, dein Raum ist gut genug für vier von ihnen. Vermutlich würde sich die Begeisterung darob in Grenzen halten, während über die deutschen Grenzen hinweg die Nachricht ginge: “Wohnraum gefunden. Na also – geht doch! Die Deutschen halten ihr Versprechen.” Gebe 20 den Raum, gebe 200 den Wunsch, das auch zu bekommen.

In einer Art Merkelaffekt hätte ich natürlich jetzt auf den Gedanken kommen können, des Profits und guten Moral wegen – liebt nicht jeder solche Herbergsgeschichten zu Weihnachten? Ist es nicht wieder Zeit? Könnte man die Geschichte nicht an Bento.de verkaufen? – die Grenzen zu öffnen. Aber wie es es nun mal so ist: Ich habe höflich, aber bestimmt mitgeteilt, dass ich das erstens nicht zu entscheiden habe und zweitens die Pläne schon ganz andere sind. Leider. Es würde sicher auch mit dem Denkmalschutz nicht gehen, das Gemäuer hier unten ist noch aus der ersten Bauphase von 1300, das würde nie genehmigt werden. Natürlich könnte mir die schwarz-grüne Koalition ihre Nummer aufschreiben, aber wirklich, ich könnte da keine Hoffnung machen. Tatsächlich gibt es Pläne, was hier zu machen ist, und das unterscheidet dieses Haus mitsamt Kostenaufstellung und Zeitplan deutlich von dem, was bei der Migration einfach so laufen gelassen wird, ohne Rücksicht auf die Folgen und in Erwartung, dass der Markt es schon irgendwie mit dem Einziehen von Rigipswänden im Denkmalschutzbau lösen würde. Hauptsache, die Menschenrechte von Menschen, die noch nicht hier sind, werden über alles andere gestellt. In Berlin winken sie vielleicht bald wieder vom Balkon, ihr Zuarbeiter winkte mir, als er ging.

Es gibt eben zwei Arten von Menschen auf dieser Welt, die einen überlegen vorher, was sie tun, und die anderen überlegen nachher, wie sie die Folgen den anderen aufhalsen. Beides kann sehr wohl bürgerlich sein, da habe ich überhaupt keine Zweifel, und wichtig ist mir eigentlich nur, dass das Haus nach Merkel-Eckardt nicht wie der Prenzlauer Berg nach Honecker aussieht.