Die meisten Frauen wählen ihr Nachthemd mit mehr Verstand als ihren Mann.
Coco Chanel
Zu Weihnachten soll man bekanntlich an andere denken, denen es nicht so gut geht, das habe ich auch gemacht, denn jemand hat mich auf die Weihnachtswünsche einer gewissen Frau hingewiesen, die über sich sagt, Feminismus wäre ihr Jihad. Sie heisst Hengameh und schreibt in der taz, “Kartoffeln” hätten eine “deutsche Dreckskultur”. Zu Weihnachten wünscht sie sich von ihrer Amazon-Wishlist beispielsweise Augenrandbemalungsfarbe – dafür gibt es sicher ein Spezialwort – für 79,90 Euro. 79,90! Ganz ehrlich, zweierlei: Als Radrestaurator verwende ich für Lackschäden billigen Nagellack, der hält auch auf Haut bei der Fazialrestaurierung und ist wasserfest. Und zum anderen: 79,90 Euro gebe ich vielleicht im ganzen Jahr für Reinigungsmittel aus, und zwar für mich und für meine Fahrräder. Und ich habe wirklich viele Fahrräder. 79,90 Euro für Augenmalerei! 160 D-MARK! Da kommt man von Federn auf Stroh! Also, ganz ehrlich, wenn ich nach taz-Tarifen bezahlt werden würde, würde ich andere Prioritäten setzen. Aber formal ist wohl doch etwas dran am sogenannten Gender Pricing, das die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beim Verschleudern von Steuergeldern für bei einer Untersuchung herausgefunden haben will.
Ich habe da so einen Verdacht, dass bei dieser Stelle keine Historikerinnen arbeiten, sonst hätten sie den geschichtlich langen Blick auf diese Fragestellung, und dann wüssten sie, dass alle angeblichen Probleme des “Gender Pricings” dem Untergang der Leibeigenschaft vom 17. bis zum 19. Jahrhundert geschuldet sind. Denn so, wie die gleichmacherische Massengesellschaft die Erfindung von Massenvernichtungswaffen nach sich zog, zog auch das Ende der Leibeigenschaft das angebliche Gender Pricing nach sich. Schauen Sie, da oben ist das Gemälde einer Hofdame aus Neapel, also von einem der reichsten Höfe des Rokoko – sie hat ein winzig kleines Parfumgefäss in der Hand. Parfum war damals bei den Reichen unerlässlich, weil sie sich selten wuschen, öfters Pockennarben hatten, und alles mit Puder, Perücken, Make Up aus Wachs und eben stark riechendem Parfum überdeckten. All das war immens teuer und stand nur einer kleinen Schicht zur Verfügung, die das zur sozialen Distinktion brauchte. Damals waren Zwangsheiraten üblich, niemand achtete auf Klimbim wie Wohlgeruch oder Charakter, nur Stand und Vermögen waren wichtig, das Geschlecht war ohnehin vorgegeben.
Genauso war es auch bei der Unterschicht, denn die war leibeigen und musste sich bei der Partnerwahl auch dem Diktat der Reichen unterwerfen, wie Sie alle vermutlich aus La Nozze di Figaro wissen. Diese Schicht – denken Sie an Zerlina und Masetto – hatte keinen Anlass für Wohlgerüche, wichtiger war das nackte Überleben, und wer Geld hatte, investierte es sicher nicht in Phiolen mit teuren Duftstoffen, die aus Indien nach Europa verschifft wurden. Parfum war früher eine Sache von Wenigen, während Skorbut eine Sache von Vielen war. So hatte eben jeder seine Prioritäten, bis das bürgerliche Zeitalter anbrach, und eine neue Schicht den Zugang zum billigen Parfum fand – dem Kölnisch Wasser, das zusammen mit mehr Reinlichkeit den Geruch des 19. Jahrhunderts dominierte. Und zwar bei Mann und Frau, was damals dafür sorgte, dass beide für den gleichen Geruch den gleichen, aber gemessen an den sonstigen Ausgaben immer noch horrenden Preis zahlten.
Erst die durch die Beendigung der Leibeigenschaft mögliche Industrialisierung, der technische Fortschritt und der steigende Wohlstand breiterer Gesellschaftsschichten, deren Grossväter noch vom Geruch der gehüteten Schweine dominiert waren, machten das Parfum zum Gegenstand des Massenkonsums. Raddampfer brachten billig und schnell die Geruchsstoffe, die Industrie lernte das Extrahieren im Hektoliterumfang, Industriealkohol wurde verfügbar, und der gesellschaftliche Wandel erlaubte es Frauen, ihre körperlichen Vorzüge auf einem zunehmend liberalisierten Heiratsmarkt zur Geltung zu bringen. Der Wohlgeruch wurde beim Konkurrenzkampf und der körperlichen Annäherung unverzichtbar, und langsam entstand eine Schicht von Duftherstellern, die sich auf jenen Massenmarkt der Konsumfreudigen spezialisierte, der heute noch das Wirtschaftsleben dominiert: Frei in seinen Kaufentscheidungen, nicht mehr an die Scholle gebunden, und aufgrund fehlender Hektar und Kühe anderweitig gezwungen, das soziale Prestige auszudrücken. Natürlich war Parfum teuer, aber es war eine Anfangsinvestition bei der Partnersuche, die sich langfristig rentieren sollte.
Denn mit dem Massenparfum wurde auch die bürgerliche Ehe schick: Dauerhaft, auf Erwerb ausgerichtet, patriarchalisch an der Oberfläche und innen von der Fähigkeit der Frau dominiert, den Männern zu erklären, was für sie das Beste ist. Natürlich war der Wohlgeruch des Backfischs mit 19 Jahren noch teuer und wichtig, aber seit 1900 ist es danach üblich gewesen, den Bund der Ehe einzugehen und dem Partner, Advent für Advent, in die Arme zu nehmen, den frisch eingedufteten Hals entgegen zu halten, und ihm, wenn er den Geruch lobte, zu sagen: Das ist Geruch X von Anbieter Y, den mag ich auch sehr, leider habe ich davon nicht mehr viel. Jeder Mann wusste, was das bedeutet, begab sich zu Anbieter Y und kaufte, weil er sich mit all den Flaschen nicht auskannte, einfach alles, was Y von X zu bieten hatte. Das war zwar immens teuer, aber die Männer kauften nichts Falsches und die Frauen bekamen, was sie wollten, ohne dass sie es extra aufschreiben oder darüber diskutieren mussten, und Hersteller lieferten neue Wünsche verursachende Proben mit. Und so wurde Weihnachten dann ein glückliches Fest für alle Beteiligten. Natürlich war der hohe Preis damals auch schon Gender Pricing, aber eben Gender Pricing für kluge Männer, die genau wussten, von welcher Ehekrise sie beim leichtesten Druck der Zügel freudig wiehernd weg zu galoppieren hatten. Die Branche gedieh, wuchs und testete jedes Jahr neue Preisgrenzen aus, die jedes Jahr von dem Männern in Erwartung eines “Oh, das ist ja, also Schatz, wirklich, das ist.. Das wäre wirklich nicht…. Danke! Danke!!!!” mannhaft genommen wurde. Was man halt so macht, wenn man Frauen nicht mehr mit dem Niederstechen eines Konkurrenten imponieren kann.
So war das 1910, 1930, 1950 und 1970 zeichnete sich dann langsam eine Veränderung ab, zu jenem Zeitpunkt, als Mitarbeiterinnen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur Welt kamen: Damals begann die Emanzipation der Frau, die sexuelle Revolution und der weibliche Wille, als alleinstehende Frau durch das Leben zu gehen. Die moderne Frau nahm sich ihre Rechte, selbstbewusst, eigenständig, ohne Interesse, sich ein Leben lang nur an einen einzigen Mann zu binden, experimentierfreudig und flexibel, gut verdienend und stolz, ihr Leben selbst zu meistern. Ich komme auch aus dieser Generation, und sie war eine gute Generation, speziell für Singles mit Lust an der Ausschweifung: Nur wenige Beziehungen wurden so alt, dass man zu Weihnachten ohne unkeusche Anspielung Parfum hätte verschenken können. Der Parfummarkt wurde vom Männeropferplatz zu einem der Hingabe von Frauen, und die Hersteller merkten, dass sie weiterhin die Preise erhöhen konnten: Denn an die Stelle der Anfangsinvestition in eine Beziehung trat die dauernde Konkurrenz zu stets jüngeren Frauen, und wenn Frauen sich auch nur beschwerlich Jahre mit plastischen Operationen zurück kaufen konnten: Mit einem Parfum gelang es schnell, bei den Männern neue und teure Duftmarken zu setzen, oder wenigstens diese 21-jährigen Ischen-Assistentin da vom Land mit dem Billigfusel zu demütigen, die sich an den Chef ranwanzt – so wurde es im Familienkreis nach dem Driving home for Christmas kolportiert.
Das alles wurde stoisch ertragen, hingenommen, und mit dem Gefühl, man sei sich das einfach wert, auch von Frauen konsumiert. Nut gibt es inzwischen neben erfolgreichen Frauen und erfolgreich verheirateten Frauen auch noch eine dritte Kategorie: Frauen, die mit 45 eventuell doch Juniorersatzprofessorinnen für Sozialwissenschaften werden, Gerechtigkeitsstiftungsangestellte mit Zeitverträgen, Projektemacherinnen in Berlin, Kulturmitwirkende mit unklaren Förderungsgarantien des Staates, Berufsfeministinnen der Dritten Welle und Antidiskriminierungsstellenforschungsdurchführerinnen. Man hat das Abitur geöffnet, irgendwo müssen auch die ganzen Nicht-MINT-Studentinnen hin, und das führt zu einem akademischen Proletariat mit zumeist bürgerlichen Vorfahren und Ansprüchen, aber ohne bürgerliche Familienplanung und Einnahmequellen. Es kommt zu Frauen, die in der Schulpause einen DM-Haul gemacht haben und glauben, ab 25-Jährige auch ein Recht auf Chanel-Haul zu haben. Und für diesen Zielkonflikt aus Anspruch, Genderideologie und Ausführung gibt es nun zwei Lösungswege:
Entweder frau stellt eine Wishlist ins Netz und erwartet, dass andere den Preis einer Tankfüllung für ihren Roadster zahlen, damit auch eine Antideutsche Augenrandmalfarbe bekommt – ein, wie ich bemerken möchte, recht chancenarmes Unterfangen selbst zur Weihnachtszeit. Oder frau kommt zum Schluss, dass es ungerecht ist, wenn Männer universellen Felgenreiniger aus dem Kfz-Bereich zur inneren und äusseren Pflege von Körper, Rad, Auto, Bad, Geschirr, Fenster, Rokokogemälden und Rennrodel verwenden (Sie glauben gar nicht, wie leicht man solche Plastikflaschen verwechseln kann und wie wenig Unterschied das macht), und Frauen statt dessen für jede Anwendung ein teures, rosa gestaltetes Mittelchen erwerben müssen. Es ist nur so, dass Frauen früher ihren Männern aufgeschrieben haben, was für ein Mittel sie mitzubringen haben. Jetzt sorgen eben unterschiedliche, genetisch bedingte Ansprüche an Sauberkeit für scheinbar sexistische Preise – wenn man nur den aktuellen Zustand und nicht den Kontext betrachtet.
Ich sehe das anders. Von Hatschepsut bis Gina Lollobrigida haben Männer Parfums unter schwierigsten Bedingungen aus Indien herangesegelt, es mit technischen Erfindungen günstig gemacht, es Frauen geschenkt und selbst, wenn es sie ruinierte, liebevoll gelächelt und unter dem Baum gesagt: “ach Schatz, das ist mir doch eine Freude und Ehre gewesen”. Seit 4000 Jahren haben wir das gemacht, wir sind dafür im indischen Ozean ertrunken, haben Bergamottegestank erdulden müssen und zugeschaut, wie das Parfum des letzten Jahres achtlos beim Nahen des Geburtstages weggeworfen wurde. Wir haben 4000 Jahre lang erlebt, was Gender Pricing wirklich sein kann. Manche Frauen sehen sich nun vor der schwierigen Wahl, ob sie wegen des Preises empört sein und auf Kölnisch Wasser umsteigen sollen, oder nicht doch zum Entschluss kommen, dass sie sich das Geld für sich allein, ganz allein, wert sein sollen.
Kurzfristig mag sich das ungerecht anfühlen. Aber langfristig sind das eben die Nebenwirkungen einer Moderne, die glaubt, keine Leibeigenschaft zu brauchen und jedem Anteil an Allem zu verschaffen. Das kostet dann eben. Wir Männer wissen das, und heben zum Festtag daher die mit Felgenreiniger gespülten Gläser auf die Frauen, die uns zahlen lassen. Und auf jene, die uns gar nicht erst in die Gefahr der Fehlinvestition bringen.
Offenlegung: Ich habe erhebliches Mittel für CDs, Bücher. Tee und Basteldinge in den Fachgeschäften meiner Heimatstadt für Frauen ausgegeben.