Seht ihr unseren Stern dort stehen?
Heute sind noch die Sternsinger unterwegs, und diverse antideutsche Medien aus Berlin lassen es sich natürlich nicht nehmen, gegen diese alte, katholische Tradition Einspruch zu erheben. Es sei ja wohl Blackfacing, dass man da ein Kind schwarz anmale, das dann einen schwarzen König aus dem Morgenland darstelle. Das sei voll kolonialistisch! Das kann man zwar theoretisch so sehen, praktisch möchte ich die werten Kollegen darauf hinweisen, dass sie auf diese Art eine phantastische Gelegenheit auslassen, antideutsch zu sein: Denn zu der Zeit, als die Drei Könige angeblich dem Stern folgten, saß der heutige Deutsche noch auf Sumpfeichen und nagte allenfalls die Knochen zivilisierter Römer ab, so wie der Berliner ja auch heute noch im Sumpf sitzt und von dem lebt, was das halbromanische Kulturvolk der Bajuwaren ihm schickt. Jedenfalls hatte damals nur der Römer afrikanische Kolonien, der Germane war dazu nicht in der Lage und selbst Gegenstand kolonialistischer Bemühungen. Verschweigt man an dieser Stelle geschickt, dass man anhand des römischen Limes noch heute die deutsche Bildungsgrenze festmachen kann, könnte man die frühere koloniale Inkompetenz den germanischen Nachfolgern auch hineindrücken, statt sich bei uns noch mehr verhasst zu machen. Schließlich hetzen Medien hier gegen Kinder, die eigentlich etwas mit guter Absicht tun.
Vielleicht glauben die antikolonialistischen Mitarbeiter von Vice und taz aber auch, dass ihnen später mal die Stalinsinger helfen, wer weiss. Das Sternsingen haben bei uns übrigens nicht alle gemacht, es gab ja auch Heidenkinder, und…
Also, nur unter uns, wenn die Antideutschen wüssten, was wir als Kinder… wir haben soga’ Aste’ix gek’iegt, wo nicht nu’ ’öme’, sondern auch Pi’aten zu sehen wa’en und eine’ davon wa’ im Mastko’b und de’ wa’ fett und schwa‘z und hatte einen Sp‘achfehle‘… wir fanden das lustig… ich glaube, wenn ich weiter erzähle, schickt Bundeszensurminister Heiko Maas selbst heute noch das Jugendamt zu meinen Eltern. Denn das ist nach heutigen Standards sicher schon ein Verbrechen, ganz im Gegensatz zu dem, was man Herrn Kachelmann angetan hat, und was der amtierende Justizminister bei Twitter 2011 kommentierte:
Also, das alles ist natürlich schrecklich, so wurden wir groß, und es kann nicht überraschen, wenn nun allenthalben begonnen wird, Säuberungen durchzuführen. Berlin geht mit gutem Beispiel voran und gibt den Strassen im afrikanischen Viertel Namen, die nicht mehr an die unselige Kongo-Konferenz erinnern, und macht sich dabei ganz, ganz klein. Zwischen mir und dem deutschen Kaiserreich, in das alle Teile meiner Familie mit den 1866er und 1871er Kriegen zwangseingemeindet wurden, und zu dem niemand auch nur ein einziges Mal befragt wurde, liegt inzwischen wirklich viel: Eine Weimarer Republik, eine NS-Dikatur und eine Bonner Republik. Es ist mir nicht ganz eingängig, warum ich mich als Mischung diverser Südvölker, die sich an der Donau sammelten und entweder für den bayerischen König oder die Socialdemokratie waren, für das Vorgehen damaliger Berliner Kolonialbehörden und Truppen in Afrika verantwortlich fühlen soll. Die heutige SPD, die momentan im Internet Zensur-Gesetze vertritt, kann schließlich auch nichts dafür, dass sie mal Freiheitsfreunde und Charaktermenschen wie Ferdinand Lasalle und Kurt Schumacher in ihren Reihen hatte. Ich habe nicht das geringste mit jenem Kolonialismus zu tun, der heute linke Aktivisten dazu antreibt, “Mohrenstrassen” umzubenennen und einen Dachdecker namens Neger zu diffamieren. Und ehrlich gesagt, habe ich da auch noch ganz andere Kaliber daheim.
Sie werden vielleicht denken, das sei eine lediglich Esterhazyschnitte. Da haben Sie recht, aber dass sie aus einer Konditorei stammt, die vom stellvertretenden CSU-Bürgermeister meines Dorfes gegründet wurde – das mag in Zeiten der ausgerufenen “konservativen Revolution” schon bedenklich sein. Dafür ist das Bild schön bunt, wird man sich vielleicht sagen, nicht nur so weiß wie der Zuckerguss, es wirken viele Farben zusammen, und wenn man nicht genau hinschaut… wenn man es aber tut, könnte ich mich genauso gut schwarz bepinselt im Bananenrock auf den Alexanderplatz stellen und vor Vertreterinnen der Ministerien für Justiz und Frauen singen:
Geschrieben haben den Sexualkolonialfoxtrott übrigens Friedrich Hollaender und Robert Liebmann, die beide früher schon ihre Erfahrungen mit deutschen Regierungsverboten machten, weil solche jüdisch-frivolen Texte nicht zum züchtigen Gedankengut des deutschen Volksgenossen passten. Sich schwarz bepinseln lassen wie ein Fiji oder ein Sternsinger jedoch ist nichts gegen die historischen Komplikationen auf diesem Bild. Zum Beispiel das Tablett.
Das ist grün und gold und wurde zu einer Zeit in China hergestellt, als das Land von europäischen Kolonialmächten in Einflusssphären aufgeteilt wurde. China würde von der früheren Regionalmacht zu einer Art verlängerten Werkbank der Europäer, die um 1900 herum der Meinung waren, dass sich daheim jeder kolonialen Luxus in Form von Lackarbeiten leisten können sollte. Natürlich war das keine Kunst mehr wie jene Stücke, die um 1750 das Herz einer Adligen in roter Seidenrobe erfreuten, sondern nur noch, bestenfalls, Kunsthandwerk. Und das stammte aus einer Arbeitsform, die wir heute klar aus Ausbeutung bezeichnen würden.
So weit, und damit kommen wir zur nicht unbedingt vollendet geschmackvollen, aber dafür victorianischen Teekanne aus Silber, kam es, weil Europa seit der Eröffnung der Seidenstrasse eine negative Außenhandelsbilanz hatte. In Fernost wuchsen Gewürze und entstanden Luxuswaren wie Porzellan, in Europa kaute man Biorüben und malte mit Öl auf Leinwände, die kein Chinese kaufen wollte. Chinesen ließen sich vor allem mit Silber bezahlen. All das schöne Edelmetall, das Spanier in Mexiko durch hungrige Indios und afrikanische Sklaven an das Tageslicht förderten, gelangte auf den europäischen Markt. Sei es, weil Spanier mit dem Blutsilber flämische Spitzenstickereien für ihre Frauen bezahlten, sei es, weil Briten die Spanier und ihre Flotten ausplünderten. Niederländer und Briten nutzten das Silber dann zum Handel mit den Chinesen, die damit reich wurden. Bis die Briten doch etwas fanden, für das Chinesen ihr Silber freiwillig hergaben: Opium.
Es gibt einen unschönen Kausalzusammenhang der extrem üppigen und schweren Silberkannen aus England und der gezielten Opiumverelendung der Chinesen im victorianischen Zeitalter. Die Folge waren Opiumhandelskriege, die die Chinesen verloren, und die die Tür für Europas Kolonialismus öffneten. Man muss sich das drogensüchtige China jener Tage vorstellen wie einen Görlitzer Park, und die Verwaltung des Staates wie das Funktionieren der Berliner Flughafenplanung, während das Silber in den Taschen der dealenden Invasoren aus kriminell agierenden Feindstaaten endete: Der Umstand, dass bei mir auf dem Lacktablett eine Silberkanne steht, wäre ohne den – ohne Berlin bespiellosen – Niedergang Chinas im 19. Jahrhundert undenkbar.
Auf dem Gemälde dahinter ist übrigens noch eine Adlige zu sehen, mit genau jeder Spitze um den Hals, die mit dem Blutsilber aus Amerika teuer gekauft wurde, mit einer zur Schau gestellten Überbrust, die eindeutig das Ziel verfolgt, reiche, weisse Männer zu erfreuen, gekleidet in einer roten Seidenrobe. Um 1750 kann sich keine Adlige so eine Robe leisten; ohne dass unter ihrem Clan Dutzende von Leibeigenen in Schweineställen hausen, oder ihr Liebhaber es bezahlt – beispielsweise durch den damals üblichen Betrug beim Aufstellen von Regimentern für die Kabinettskriege. Das Bild stammt in etwa aus der Epoche des siebenjährigen Krieges, vor dessen Hintergrund Voltaires Candide spielt. Angesichts der Kosten für so ein Gemälde mussten noch weitere Leibeigene den ein oder anderen Winter hungern, denn schon damals gab es zwei Arten von Menschen auf dieser Welt, die einen sahen gut aus und die anderen hatten keine Zeit für Luxussorgen.
Um das alles noch zu verschlimmern – und ich schwöre, ich habe das erst gemerkt, als das Photo bereits gemacht war – ist das Porzellan laut Marke von Sophienthal, und zwar die Form Fein Bayreuth. Es mag eine Form der klassischen Moderne sein, aber entworfen wurde sie schon im NS-Staat. Die Firma Sophienthal gehörte ab 1936 zum Rosenthalkonzern, der 1937 still “arisiert” wurde, und bot damals dem überzeugten Nazi die Möglichkeit, gutes Porzellan ohne jüdischen Namen zu kaufen. Ich habe es hier beim Einzug als Gebrauchsgeschirr neben meinem echten Rosenthal auf dem Flohmarkt in Gmund gekauft, 200 Meter vom privaten Wohnhaus von Heinrich Himmler entfernt, und ganz ehrlich: Es ist vermutlich kein Zufall, dass gerade in meiner Nazibonzen-Region so ein Geschirr bei Villenräumungen in Kisten anfällt.
Die Esterhazyschnitte ist übrigens nach einem Mann benannt, der sein unterdrücktes Volk an die Österreicher verriet.
Das war jetzt nur eine kleine Ecke meiner Wohnung, und wir haben noch nicht über den Seidenteppich aus persischen Kinderhänden an der Wand dahinter gesprochen, oder über das aus Skalvenarbeit stammende Quecksilber für die Spiegelproduktion. Und dann regen sich Berliner Medien auf, weil bei uns Mütter jedes dritte Gesicht schwarz bemalen, weil Kinder um die Häuser ziehen, freundliche Lieder singen, einen gut gemeinten Segen an die Türen schreiben und Schokolade für sich und Geld für die Kollekte sammeln. Das sei kolonialer Rassismus, da habe man gefälligst “aware” zu sein. Ich schenke mir aus der echten Blutsilberkanne einen fair gehandelten Bio-Assam in die potenzielle Himmlertasse und kann nicht aufhören, mich zu wundern, denn angeblich machen die Substanzen, die progressive Autoren von illegal hier lebenden Drogenkriminellen aus Afrika und ihrer Mafiastruktur dahinter kaufen, milde, ruhig und nachsichtig. Es gibt noch einiges mehr an kolonialem Erbe, und damit meine ich nicht nur den deutschen Drogenkonsumenten zweckdienlichen Afrikaner, der bei Abschiebung durch einen anderen ersetzt wird, oder den dicken, indischen Teppich aus der Zeit der Vizekönige, auf dem meine Füße warm bleiben, sondern auch den offensichtlich unsterblichen Spruch “am deutschen Wesen soll die Welt genesen”. Der steht nach meinem aufgeklärten Dafürhalten für die krasse Fehleinschätzung der eigenen, scheinbar guten Absichten, die aus den egoistischen, aber erträglichen Mitmenschen von Nebenan erst die Völkermörder, Sklavenschinder und Arisierer gemacht haben.
Sternsinger treten moralisch durchaus bescheidener auf, und bekommen dafür Spenden und Süßigkeiten.