Supermarktblog

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Nach jedem Lebensmittelskandal wollen die Verbraucher wissen: Was können wir noch essen? Dabei ist die Frage, wie wir einkaufen, mindestens genauso

Obst und Gemüse im Supermarkt: Kommt gar nicht aus der Tüte!

| 7 Lesermeinungen

Großbritannien könnte ein messerfreies Land sein – wenn die Klingen nicht weiter gebraucht würden, um die Plastiktüten aufzuschneiden, in denen die Briten ihr Obst und Gemüse mundgerecht zurecht geschnitten geliefert kriegen. In Deutschland hält sich der Vorportionierfimmel glücklicherweise noch in Grenzen.

Haben Sie schon gesehen, was sich deutsche Supermärkte in Großbritannien abschauen können? Prima. Dann lesen Sie doch gleich mal weiter, was besser nicht.

* * *

Hätte der Mensch das Messer nicht erfunden, er wäre ganz bestimmt verhungert. Auf Dauer hätte es sich höchstwahrscheinlich als unpraktikabel erwiesen, das erlegte Mammut immer am Stück zu verspeisen. Ganz zu schweigen davon, dass es in Originalgröße eher schlecht auf den Grill passt.

Messer waren einfach überlebensnotwendig. Jahrmillionen hat sich daran nichts geändert. (Außer natürlich für die Mammuts.) Das ging so lange gut, bis die Menschen anfingen, Supermärkte zu bauen und Manager einzustellen, die überall so genannte Optimierungspotenziale erkennen müssen, damit sie ihren Job behalten dürfen. Auf so eine piefige Werkzeugevolution kann da natürlich keiner mehr Rücksicht nehmen.

Kurz gesagt: Großbritannien könnte heute ein messerfreies Land sein – wenn die Klingen nicht weiter gebraucht würden, um die Plastiktüten aufzuschneiden, in denen die Briten ihr Obst und Gemüse mundgerecht vorportioniert geliefert bekommen. Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung ist der Laden, der an dieser Stelle gerade erst für seine fantastische Auswahl an frischem Sofortessen gelobt wurde: Marks & Spencer Simply Food. Denn der Erfolg des Sofortessens scheint auf den kompletten Lebensmittelverkauf abgefärbt zu haben.

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Wer bei der Arbeit oder unterwegs das Mittagessen verpasst hat, ist froh, wenn er ein fertiges Sandwich oder einen Salat verdrücken kann, ohne es erst zubereiten zu müssen – weil in den meisten Fällen Küche oder Zeit dafür fehlen.

Zum Problem wird das aber, wenn diese – nachvollziehbare – Bequemlichkeit irgendwann zur Selbstverständlichkeit wird, wenn also auch das Obst und Gemüse, das nicht dafür gedacht ist, sofort gegessen zu werden, bereits in Häppchen verkauft wird. Bei M&S Simply Food (aber auch in anderen, klassischen Supermärkten) ist alles schon geschält, gewaschen, zerkleinert und vorportioniert, wenn es im Regal landet. Die Karotten kommen aus Israel, sind „packed in the UK“ und wahrscheinlich irgendwo auf dem Weg dazwischen in Stücke geschnippelt worden. An Radieschen ist jegliches Grünzeug entfernt. Die (natürlich gekühlten) Kartoffeln blitzen blinkblank. Bloß nichts soll darauf hindeuten, dass all die leckeren Sachen mal aus der schmutzigen Erde kamen.

Stattdessen ist alles in sauberes, durchsichtiges Plastik verpackt. Einzeln. Und doppelt. Und dann noch mal.

Bild zu: Obst und Gemüse im Supermarkt: Kommt gar nicht aus der Tüte!

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Das ist ein lustiger Gegensatz: Einerseits legen viele Leute großen Wert darauf, dass das eingekaufte Gemüse nicht einmal um die Welt geflogen wurde bevor es im Einkaufswagen landet, im besten Fall wurde es auch ökologisch verträglich hergestellt – aber nach Garten aussehen soll es nicht mehr?

In deutschen Supermärkten gibt es glücklicherweise mehrheitlich noch Obst & Gemüse, das nicht den Eindruck vermittelt als sei es vorher die Waschanlage gefahren und auf Hochglanz poliert worden; meistens dürfen sich die Kunden sogar selbst aussuchen, wieviel Stangen Porree sie kaufen möchten anstatt vorgepackte Bündel mitzunehmen.

Allerdings macht sich der Vorportionierfimmel auch hier langsam breit. Bei Mischsalaten aus der Tüte (diesen zum Beispiel) mag das ja noch nachvollziehbar sein, weil man dann nicht zig verschiedene Sorten kaufen muss. Aber wer geschälte und eingelegte Kartoffeln aus dem Glas wählt, der muss schon außerordentlich faul sein oder eine schlimme Schälallergie haben. Und die vorgeschnittene, in Ketchup ertränkte Currywurst aus dem Kühlregal gehört eher in die Kuriositäten-Kategorie – ein Gag in Lebensmittelform.

In Großbritannien, so scheint’s, etabliert sich das blitzsauber eingetütete und vorgeschnittene Gemüse allerdings als Standard. Wieviel davon wohl nach ein, zwei Tagen auf den Müll kommt, wenn es nicht verkauft wurde, aber bereits den schleichenden Oxidationstod stirbt?

In diesem Fall ist es ausnahmsweise mal ein richtiger Vorteil, dass deutsche Supermärkte sich oft etwas schwer tun mit Innovationen, und das kann auch ruhig so bleiben. Weil Sofortessen zwar eine gute Idee für zwischendurch ist, aber alles andere ruhig weiter so aussehen sollte als müsste man sich ein bisschen anstrengen, um daraus ein Abendessen zuzubereiten. Alleine schon, damit unsere Kinder künftig beim Urlaub auf dem Bauernhof keinen Schock erleiden, wenn sie zum ersten Mal sehen, wo die kleinen Karotten wirklich herkommen. Nämlich nicht aus der Tüte.

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7 Lesermeinungen

  1. Uli sagt:

    "Und die vorgeschnittene, in...
    „Und die vorgeschnittene, in Ketchup ertränkte Currywurst aus dem Kühlregal gehört eher in die Kuriositäten-Kategorie – ein Gag in Lebensmittelform.“
    Curryking?
    https://www.meica.de/index.php?nav=51&sprache=_dt

  2. plumtree sagt:

    Aber wie sehr würde ich mir...
    Aber wie sehr würde ich mir auf einer Autobahnraststätte oder in einem Supermarkt zur Mittagspause mal wünschen, wenn man dort auch mal fein abgepacktes, mundgerechtes Obst oder Gemüse kaufen könnte, dass man gleich verzehren kann.
    Bei vielen Supermärkten gibt es ja inzwischen eine kleine, leider meist unfeine Auswahl diverser „Happen“. Aber wenn in den Tüten schon das Wasser drei Handbreit hoch steht verzichte ich lieber.
    Nahe einer Autobahn habe ich das noch nie gesehen. Dabei wären das gesunde Alternativen zu den sonst angebotenen Schokoriegeln. Ausserdem schmecken Möhren, Radieschen oder geschnittene Äpfel auch einfach besser und machen nicht so schnell müde.

  3. Marks & Spencer entmündigt...
    Marks & Spencer entmündigt den Kunden? Oder gibt dem armen Kunden etwas, wovon er noch nicht wusste, dass er es braucht? Marks & Spencer möchte vor allem nachhaltig agieren. Dafür gibt es sogar einen sehr ehrgeizigen Plan, Plan A: https://plana.marksandspencer.com/ Ein Teil von Plan A: Abfall reduzieren. Wie das bei all dem entarteten Gemüse und Obst in dem vielen Plastik geht?
    Vielleicht einfach lieber den Fokus verlegen oder von der indirekten Konkurrenz lernen? In den USA wird im Herbst der erste Supermarkt eröffnen, der ohne Verpackung und Abfall auskommen möchte: https://in.gredients.com/
    Eine Inspiration für deutsche Supermärkte? Hoffentlich. Das würde zumindest die Konkurrenz beleben.

  4. pschader sagt:

    @Kreativer Frechling: Ich...
    @Kreativer Frechling: Ich werte das mal als Themenanregung, oder?

  5. Daniel sagt:

    Das man hierzulande das...
    Das man hierzulande das Gemüse selber aus der Auslage nimmt ein und eintütet soviel man braucht fidne ich super, die vorgewaschenen und von allem Grün befreiten, plastikverpackten Möhren finde ich auch seltsam. Es macht das ganze nur teurer, verringert die Haltbarkeit und macht es scwerer nach eigenem Bedarf zu portionieren.
    Fertig zusammengestellte und portionierte Gemüsemischungen, z.B. für Chop Suey oder Nudelsossen hingegen finde ich super. Damit kann man auch für nur 1 oder 2 Personen mit tagesfrischem Gemüse und auch an hektischen Tagen mit wenig Aufwand frischestmöglich kochen.
    Sowas gibt es hierzulande wie andersorts erwähnt bestenfalls als „Pilzpfanne“, schade eigentlich!
    Und zu dem erwähnten Beutelsalat:
    Gradedaran sieht man meiner Meinung nach deutlich, dass solche Konzepte hierzulande nicht so wirklich gut funktionieren.
    Meist kommt nur der billigste, grob gehäkselste Restsalat in die Tüte, denn der Grundpreis muss ja billigst sein.
    Dann liegt der Salat, der nach dem Waschen und Schneiden ja nur noch minimale Haltbarkeit hat, gerne mal 3-4 Tage in der Auslage des örtlichen Supermarktes rum. Vermutlich wäre es einfach zu teuer 6 mal die Woche 5 frische Beutel Salat anliefern zu lassen und einzusortieren, deswegen gibts nur 2 mal die Woche je 15.

  6. @Peer Schader: Auf jeden Fall!...
    @Peer Schader: Auf jeden Fall! Freue mich schon auf den Artikel. : )

  7. Rozi sagt:

    Beutelsalat, sogenannten...
    Beutelsalat, sogenannten Pilzpfannen und vorgeschnittenes Obst auf Styroporschalen landet bei Rewe nicht nur in großer Anzahl im Verkaufsregal, sondern in ebenfalls großer Zahl im Müll. Beutelsalat mag ja auch aus Bequemlichkeitsgründen durchaus vorteilhaft sein, spätestens bei geschältem und zerteiltem Obst ist die Grenze aber überschritten. Wiewenig Arbeit, von unnötigem Geschick ganz zu schweigen ist denn schon nötig, um Obst zu schälen und falls gewünscht zu zerteilen, vom Abpflücken von Weintrauben gar nicht erst zu reden.
    Dafür kostet’s dann auch schnell mal an die 10 Euro pro Kilo, also den drei- bis fünffachen Preis. Hoffentlich kaufen’s deutlich zu wenig, auf daß sich sowas nicht breitmacht, sondern wieder verschwindet. Sonst gibt’s demnächst noch Kotellet, Pizza und Kartoffeln vorgegart und in mundgerechten Häppchen, danach dann vorgekaut oder gar vorverdaut.

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