Supermarktblog

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Nach jedem Lebensmittelskandal wollen die Verbraucher wissen: Was können wir noch essen? Dabei ist die Frage, wie wir einkaufen, mindestens genauso

Expedition ins Lebensmittelreich: Warum Aldi und Lidl anders sind als Edeka und Rewe

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"Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Supermarkt und Discounter?", hat neulich ein Kommentator im Blog gefragt. Ach, hatten wir das noch nicht erklärt? Dann aber jetzt: Im neusten Eintrag steht alles zum schwierigen Sozialverhalten der einen, den Behausungen der anderen – und wovon sich eigentlich SB-Warenhäuser ernähren.

„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Supermarkt und Discounter? (…) Als täglicher Einkäufer bemerke ich keinen, weiß also gar nicht, WO ich einkaufe – beim Supermarkt oder Discounter?“, hat Kommentator Wooster neulich unter einem Eintrag gefragt. Und weil das vielleicht auch ein paar andere Leser interessiert, steht hier jetzt die Antwort.

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Discounter
zum Beispiel: Aldi, Lidl, Netto (ohne Hund), Penny, Norma, Netto (mit Hund)

Discounter gehören zur Gattung der Lebensmittelgeschäfte und sind ein bisschen beschränkt – was ihr Sortiment angeht. Im Durchschnitt liegen 800 bis 1600 unterschiedliche Produkte in den Regalen. Vieles wird auf Paletten reingeschoben, um die Zeit fürs Einräumen zu sparen. Discounter sind sehr preisaggressive Läden. Auf Handzetteln (und vereinzelt auch noch auf Anzeigenseiten in Zeitungen) hinterlassen sie Hinweise mit Sonderangeboten, um ihr Revier gegenüber Konkurrenten zu markieren und Kundschaft anzulocken.

Möglichst wenig Ware soll längere Zeit im Markt liegen. Deshalb gibt es vor allem Artikel, die für den schnellen Verbrauch bestimmt sind und ständig nachgekauft werden. So lohnt sich für den Discounter auch der günstige Preis, weil er seinen Umsatz eher über die Masse macht.

Lange Zeit haben Discounter vor allem städtische Randlagen besiedelt, seit einigen Jahren werden sie aber auch vermehrt in Innenstadtlagen gesichtet. Fußgängerzonen werden jedoch gemieden, weil dort die Mieten zu hoch sind. Discounter leben meist in schlichten Zweckbauten, die alle nach demselben Prinzip errichtet werden, also gleich hässlich sind. Zuletzt haben sie sich aufgrund der Sparbegeisterung ihrer Kundschaft rasant vermehrt und im Jahr 2010 etwa 57,5 Milliarden Euro umgesetzt. Damit stehen sie nunmehr der Spitze der Nahrungsmittelgeschäftekette.

Discounter lassen sich noch einmal in Untergruppen einteilen. So genannte Hard Discounter erkennt man daran, dass sie fast ganz auf Markenprodukte verzichten. Die Aldi-Gruppe etwa macht 94 Prozent ihres Lebensmittel-Umsatzes mit Eigenmarken (auch wenn viele von denen bekanntlich von Tochterfirmen der Markenhersteller produziert werden). Bei der artverwandten Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) sind es nur 61 Prozent. Im Sortiment von Netto (ohne Hund) gibt es hingegen jede Menge Marken, weil das eine Möglichkeit ist, sich als Soft Discounter von den Marktführern Aldi und Lidl zu unterscheiden. Mit durchschnittlich 3500 Produkten hat Netto (ohne Hund) auch ein deutlich größeres Sortiment.

Die Unterschiede zu Supermärkten lassen sich vor allem an äußerlichen Merkmalen erkennen: Discounter sind deutlich stärker verfliest, vor allem an Boden und Wänden, so dass sie ausgeräumt theoretisch als Hallenbäder genutzt werden könnten. Die Läden sind in der Regel um die 1000 Quadratmeter groß, damit das Angebot überschaubar bleibt. Auf eine besondere Präsentation der Waren wird verzichtet, Kunden werden vorrangig über die Niedrigpreisstrategie angelockt. Als größter Fressfeind des Discounters gilt der Supermarkt aber nach wie vor (andersrum eher nicht).

Das Sozialverhalten der Discounter ist schwierig, Selbstkannibalisierung nicht unüblich – sowohl auf Marktebene als auch bei der Mitarbeiterschaft. So reagieren höherrangige Angestellte oft äußerst angriffslustig auf geplante Betriebsratsgründungen. Die Kommunikationsbereitschaft mit Vertretern der Presse ist generell eingeschränkt.

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Supermarkt
zum Beispiel: Edeka, Rewe, Kaiser’s, Tengelmann

Der Supermarkt ist eine in ganz Deutschland heimische Ladenart, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann und sich auf den Verkauf von Lebensmitteln und Drogerieartikeln spezialisiert hat. In den Aufzeichnungen sind Supermärkte mit Selbstbedienung bei uns erstmals um 1954 erwähnt. Ausgewachsene Exemplare können heute bis zu 5000 Quadratmetern groß werden und zwischen 7000 und 12.000 Produkte parat haben. „Vollsortiment“ nennt man das. Oder für alle, die sich mit Entscheidungen schwer tun: Alptraum.

Supermärkte zeichnen sich vor allem durch eine größere Auswahl an Produkten aus, zu der auch bekannte Markenartikel gehören. Die Präsentation ist deutlich aufwändiger, um sich vom Discounter abzuheben. Allerdings sind auch die Kosten für Personal, Lagerung und Miete höher, was wiederum auf die Preise umgelegt wird.

Aus diesem Grund mussten viele Supermärkte in den vergangenen Jahren einen Teil ihres Territoriums an billigere Konkurrenten abgeben. Ihr Umsatz lag 2010 aber immer noch bei 47,3 Milliarden Euro – unter anderem, weil es ihnen gelungen ist, sich an die veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Alle großen Supermarktketten haben inzwischen Eigenmarken im Sortiment, die meist genauso teuer sind wie bei der Konkurrenz. Weil es aber gleichzeitig Käse aus der Frischetheke, eine größere Weinauswahl und viel mehr Marmeladensorten zu kaufen gibt, geben Kunden bei einem Einkauf im Supermarkt mehr Geld aus als im Discounter (offiziell wird in so genannten „Durchschnittsbons“ gerechnet): durchschnittlich 14 bis 20 Euro statt 10,80 Euro. Dafür werden Discounter deutlich öfter besucht.

Supermärkte sind keine sehr homegene Gruppe, sondern haben sich höchst unterschiedlich entwickelt. Je nach Lebensraum variiert ihr Aussehen – mal ist es höhlenartig und verwinkelt, vor allem in Innenstadtlagen; ein andermal großzügig mit breiten Fluren und üppigen Parkplätzen, gerne auch in Industriegebieten. Ältere Stadtsupermärkte gehören zu den bedrohten Arten, weil sich der Verkauf auf zu kleinem Raum (um die 400 Quadratmeter) kaum mehr rechnet.

Manche Supermarkt-Exemplare sind nachtaktiv, bis 24 Uhr oder sogar rund um die Uhr. Einige werden von selbstständigen Händlern betrieben, die sich der Gruppe aber weiter zugehörig fühlen.

Experten trennen zwischen verschiedenen Sonderformen, zum Beispiel den Verbrauchermärkten, die größere Flächen und eine umfassendere Produktauswahl etabliert haben. Darüber hinaus gibt es weitere Betriebstypen, die in der Öffentlichkeit aber kaum als solche wahrgenommen werden. Nämlich die folgenden.

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SB-Warenhäuser / Cash+Carry
zum Beispiel: Real, Metro

Die SB-Warenhäuser und Cash+Carry-Märkte – in Abgrenzung zu den klassischen Einkaufsläden – sind eine Familie von Großmärkten, die vor allem auf der grünen Wiese existieren, aber auch in Shopping Centern neben fachfremden Händlern überleben können. Sie sind vor allem durch Flugzeughangarhaften Ausmaße gekennzeichnet und leicht an den 60 Meter hohen Hinweisschildern neben der Autobahnausfahrt zu erkennen.

Abgesehen von der Größe unterscheiden sich die beiden Ladentypen jedoch deutlich: Cash+Carry-Märkte wie Metro ernähren sich ausschließlich von Gewerbetreibenden, also Restaurant- und Ladenbesitzern, die sich dort für ihre Arbeit eindecken. Gewöhnliche Kundschaft ist für diese Art Geschäft nur schwer verdaulich und wird sofort wieder ausgeschieden. SB-Warenhäuser nehmen die Normalkunden hingegen bevorzugt zu sich. Die größten SB-Warenhäuser bringen über 60.000 Produkte auf die Waage, kleinere immerhin noch gut 33.000. Sie fühlen sich auch bei extremer Kälte wohl, wie sie aus den langen Kühlregalreihen strömt. Außer Essbarem gibt es häufig auch Fahrräder, Fernseher und Klamotten zu kaufen.

Vorsicht: Kunden sollten immer einen Kulturbeutel mit den nötigsten Toilettenartikeln dabeihaben, weil man sich in den Märkten leicht verläuft und nachts keine Drogerieartikel bezahlt werden können, weil das Kassenpersonal ausschließlich am Tag aktiv ist.

Quellen: EHI Retail Insitute, Wirtschaftslexikon Gabler, Metro Handelslexikon

Fotos: Supermarktblog, Edeka, Metro

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16 Lesermeinungen

  1. CaoKy60 sagt:

    Sehr interessant, informativ...
    Sehr interessant, informativ und witzig geschrieben – vielen Dank! Und gleich die naechste Frage: warum gibt es keinen Carrefour in D? Walmart scheint ja mit seinen US-Konzepten in D gegen die Wand gefahren zu sein (no dating among employees, free bagging of your shopping, etc.) und hat sich m.W. voellig (vergraemt) zurueckgezogen.

  2. pschader sagt:

    @CaoKy60: Danke für die...
    @CaoKy60: Danke für die Anregung, kommt auf die Liste. Ich dachte nur, ich mach erstmal wieder mit den deutschen Ketten weiter. Nicht dass die sich vernachlässigt fühlen nach dem UK-Exkurs.

  3. icke sagt:

    Anfang der 90er hat mir eine...
    Anfang der 90er hat mir eine US Amerikanische MBA Studentin erzählt, dass es eine Standard Fallstudie gibt, nach der für US Supermärkte der Deutsche Markt eine nicht lohnende Gegend ist, wg. der Durchdringung mit Discountern…

  4. Jörg sagt:

    Nach dieser Übersicht wäre...
    Nach dieser Übersicht wäre Kaufland ein Discounter (steht zumindest oben) – stimmt das? Ich denke eher nicht… In Stuttgart findet man übrigens einen Lidl in der innenstädtischen Fußgängerzone – und der hat sogar Tragekörbe (was Discounter ja sonst nicht haben)…

  5. Alex sagt:

    Dafür brauch man noch nicht...
    Dafür brauch man noch nicht mal eine Fallstudie, ein paar Monate in den USA zu leben reicht: Selbst amerikanische Discounter haben ein Preisniveau, dass ein Deutscher hier eher von den gehobenen Ketten kennt.
    Weiterhin sind die amerikanische Niedrigpreis-Strategien hier in Deutschland im privaten Bereich faktisch unbekannt und kaum umsetzbar. Zeitlich beschränkte Sonderangebote gibt entweder über die Menge: Kauf 9 Tk-Pizzas und die 10. ist umsonst (reales Beispiel! deswegen gibt es dort auch so große Kühlschränke bzw. häufig Zweitgeräte). Oder es gilt Coupons zusammen, die dann erstmal an den Hersteller geschickt werden müssen, der einem eine Preisdifferenz zurück erstattet. Perfide wird es, wenn Coupons gesammelt werden müssen, um überhaupt Mengenrabatte zu bekommen. (Du wirst in den USA deshalb auch keine Briefkästen finden, auf denen „Keine Werbung einwerfen!“ steht)
    Wenn irgendein ausländischer Betreiber, ohne Übernahme einer bestehenden Kette, überhaupt in Deutschland eine Chance haben will, müsste er aus dem Stand ein großes Filialnetz aufziehen, um überhaupt die Mengen umzusetzen, damit er selbst billig einkaufen kann. Oder ein neues Konzept, um seine Preise zu rechtfertigen.
    Die Art und Weise wie Walmart in Deutschland einstieg, ist deshalb vollkommen rätselhaft und ergab wenig Sinn. Mit viel gutem Willen kann man noch annehmen, dass man hoffte, der Markenname würde genug Strahlkraft entwickeln wie Coca-Cola und Camel in Deutschland der 50er Jahre. Bös unterstellt kann man auch annehmen, irgendjemand im Konzern wollte einen egomanen Manager auflaufen lassen.

  6. T.I.M. sagt:

    Was mir immer aufgefallen ist,...
    Was mir immer aufgefallen ist, ist, dass die Handelsmarken der Supermaerkte (ja, TIP, etc.) oft qualitativ mit den Aldi- und oft auch Lidl-Produkten nicht mithalten koennen, sofern es sich nicht um ganz einfache Dinge handelt. Soll heissen – Zucker ist Zucker, aber Wurst zum Beispiel fand ich bei Rewe wenn „ja“ dran stand meist ungeniessbar, auch und gerade im Vergleich mit den Discountern.
    Was ich auch nie verstanden habe: Wieso bietet ein Supermarkt sieben verschiedene Mehl des selben Typs an? Oder fuenf verschiedene dreilagige Klopapiere?
    Und was die USA anbelangt: Der grosse Verdienst der Albrecht-Brueder war es, den Deutschen den Markenfetischismus auszutreiben, der in den USA noch immer allgegenwaertig ist. Und ich glaube, die Deutschen fuehlen sich bei „zahl drei, nimm vier“ Angeboten eher ueber den Tisch gezogen, also genau dem anglo-amerikanischen Sonderangebotssystem. Stattdessen werden generell tiefere Preise erwartet, was ja auch gut fuer den Kunden ist, der kauft, was er braucht, und nicht, was gerade im Angebot ist.

  7. Cornelia198 sagt:

    @icke: Genau deswegen hat sich...
    @icke: Genau deswegen hat sich Wal Mart wieder aus dem deutschen Markt zurückgezogen. Sie haben den Wettbewerb der Discounter in Deutschland total unterschätzt. Dann gab´s noch so lächerliche Dinge wie den Morgenappell bei Wal Mart, der bei allen, einschließlich der Kunden, nur Kopfschütteln ausgelöst hat. Das hat auch nicht unbedingt zu deren gutem Ruf beigetragen.
    Was die deutschen Discounter-Ketten angeht habe ich vor einigen Tagen eine interessante Dokumentation über Aldi gesehen. Sieht so aus, als ob da ähnliche Taktiken wie bei Lidl oder Schlecker im Hintergrund ablaufen. Verhinderung von Betriebsratsgründungen, Druck auf Mitarbeiter, unbezahlte Überstunden ohne Ende, Akkord an der Kasse (Überwachung von Sekundenabständen zwischen der Abfertigung einzelner Kunden usw.). Und ich war tatsächlich naiv genug, anzunehmen, daß die Albrecht-Familie als bekanntermaßen angeblich gute Katholiken noch anständig mit Menschen umgeht!

  8. pschader sagt:

    <p>@Jörg: Das haben Sie...
    @Jörg: Das haben Sie falsch verstanden. Kaufland ist aufgrund seiner Größe am ehesten SB-Warenhaus, es steht nur oben bei der Eigenmarken-Prozentzahl in Klammern dabei, weil die für die ganze Schwarz-Gruppe gilt, zu der eben Lild und Kaufland gehören, und ich’s nicht rausgerechnet kriege.
    Und natürlich gibt es immer Ausnahmen.

  9. evm sagt:

    In den meisten deutschen...
    In den meisten deutschen Großstädten gibt es seit einigen Jahren eine weitere wichtige Einkaufsmöglichkeit für Lebensmittel, die Sie unerwähnt lassen: die vielen kleinen türkischen Lebensmittel- und Gemüsehändler, die meist ein vielfältiges und frisches Warensortiment anbieten. Diese Läden haben eigentlich die alten Tante Emma Geschäfte ersetzt. Und sie scheinen offenbar sehr erfolgreich zu sein. Ich denke, die Kunden mögen die persönliche Ansprache, die zentrale Lage, das „Wochenmarkt“-ähnliche Ambiente.

  10. thomas sagt:

    Was ausländische...
    Was ausländische Handelskonzerne außerdem vom deutschen Markt fern halten dürfte ist die Tasache, dass die Handelsspanne in Deutschland wesentlich geringer ist als in anderen Märkten (wenn ich mich recht erinnere gut 1%, in Großbritannien aber 6%). Sprich: Ein Markteintritt lohnt schlicht und einfach nicht, weil es nichts zu verdienen gibt.
    Wal Mart ist als Beispiel eher ungeeignet, die sind sehr sehr stark auf dem Heimatmarkt konzentriert (es gibt nur in ca. 15 weiteren Ländern Märkte) und waren bei der Internationalisierung eigentlich ziemlich erfolglos – über 95% der Gewinne werden in den USA eingefahren. Betriebswirtschaftlich interessanter ist die Frage, warum die großen Unternehmen wie Tesco, Royal Ahold oder Carrefour (die wirklich erfolgreich internationalisiert haben) nicht in Deutschland tätig sind.
    @ Peer: Im Übrigen wäre vielleicht das österreichische Unternehmen MPreis eine Vorstellung wert, die bauen die interessantesten Märkte in Mitteleuropa.

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