Anfang Mai hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es keine unlautere vergleichende Werbung ist, wenn ein Parfümhersteller seine Produkte so gestaltet und bewirbt, dass man sich als Kunde an ein entsprechendes Markenprodukt erinnert fühlen könnte. Aber Wettbewerbsrecht ist ein schwieriges Thema, und deshalb kümmern wir uns lieber um etwas ganz anderes.
Nämlich um Marmelade.
Finden Sie in diesem Edeka-Regal auf Anhieb die Eigenmarke?
Hat einen Moment gedauert? Genau so soll es ja auch sein. Die Produktentwickler von Edeka haben sich große Mühe gegeben, ihr „Feines Frucht-Mousse“ (z.B. Himbeer und Brombeer) so zu verpacken, dass es prima zu „Schwartau extra Samt“ (Waldfrucht) passt. Die Farben sind beinahe dieselben, das Glas ist ein bisschen größer, aber ähnlich geformt – und während der Markenartikel mit dem Zusatz „ohne Kerne – ohne Stücke“ wirbt, steht bei der Eigenmarke „keine Kerne, keine Stücke“ drauf.
Nur bei einem unterscheiden sich die beiden Produkte ganz deutlich: 270 Gramm „extra Samt“ kosten 1,89 Euro; bei der „Frucht-Mousse“ sind es 1,29 Euro für 300 Gramm.
Das ist natürlich ein Einzelfall. Aber einer, von dem es inzwischen ganz schön viele gibt, wenn man mit offenen Augen durch den Supermarkt läuft (*). Für die Kunden ist das zunächst einmal kein Nachteil: sie kriegen – augenscheinlich – ein ähnliches Produkt zu einem deutlich günstigeren Preis. Der Markenindustrie gefällt das verständlicherweise weniger gut. Alexander Dröge, Leiter für Recht und Verbraucherpolitik beim Markenverband in Berlin, sagt:
„Look-alike-Produkte sind ein großes Problem für Markenhersteller. Besonders verschärft wird das Problem, wenn ein Look-alike von einem sehr starken Händler in den Markt gebracht wird – weil sich die wenigsten Markenhersteller gegen so einen wichtigen Kunden wehren wollen.“
Real und Kaiser’s Tengelmann halten sich mit Verpackungsimitaten derzeit eher zurück. (Falls Sie Gegenbeispiele kennen: bitte mailen!) Und Rewe schliddert häufig so haarscharf an der direkten Kopie vorbei, dass es gerade noch akzeptabel sein dürfte. Obwohl es natürlich auch ein paar schöne Beispiele gibt, bei denen die Annäherung unübersehbar ist.
So sehen im Rewe-Regal die Fertigbratkartoffeln der Eigenmarke neben denen des Markenherstellers aus:
(Über die generelle Notwendigkeit von vorgeschnittenen Bratkartoffeln lässt sich natürlich unabhängig davon vortrefflich streiten.)
Und die Lieblingsautoreifenkekse von Bastian Pastewka, die erst in diesem Jahr offiziell in Deutschland eingeführt wurden, haben auch schon einen stillen Bewunderer gefunden:
Bei Edeka, mit 45 Milliarden Euro Umsatz in 2010 Deutschlands größter Lebensmittelhändler, scheint derweil ein Replikator aus einem „Star Trek“-Film direkt in die Konzernzentrale gefallen zu sein. Während die anderen Supermärkte zumindest ihre Billigmarken in einheitlichem Design halten („ja!“ und „A&P“ sind immer weiß verpackt und gleichartig beschriftet), greift Edeka die etablierten Marken sogar mit seinem Label „Gut und günstig“ an.
Die Müsliriegel-Verpackung sieht jedenfalls aus als sei sie unmittelbar vom Original gespiegelt. Sogar die Produktbeschreibung ist der Farbe und dem Prägeeffekt des Markenlogos nachempfunden:
Bei den Erdnüssen ist (vor allem beim Schriftzug) fast überhaupt kein Unterschied mehr festzustellen:
In vielen Produktkategorien haben die Eigenmarken der Supermärkte schon die so genannten „B-Marken“ ersetzt, also alles, was zwischen den Billigprodukten und den klassischen, teureren Marken positioniert war. Jetzt geht’s auch den etablierten Marken an den Kragen. Bei manchen kann man im Supermarkt förmlich dabei zusehen, wie sie aus dem Regal gedrängelt werden.
„Softis“-Taschentücher sind ein schönes Beispiel. Im Edeka-Regal hab ich einfach mal „Supersofts“ der Edeka-Eigenmarke „Gut und günstig“ dazu gemogelt, die bei gleicher Taschentuchanzahl exakt die Hälfte kosten, sich aber derart problemlos ihrer Umgebung anpassen, dass jedes Chamäleon neidisch wäre.
Im Regal hat Edeka drei Plätze für „Softis“-Packungen reserviert. Die Eigenmarke „Supersofts“ hingegen hat deutlich mehr Platz und ist strategisch viel günstiger am Regalkopf positioniert.
Andreas Gayk, Leiter Vertriebspolitik und Handelsbeziehungen beim Markenverband, sagt:
„Früher war der Handel lediglich Verkäufer. Heute ist er gleichzeitig auch Wettbewerber, weil er eigene Produkte anbietet. Das führt zu gewissen Problemen: konkurrierende Hersteller haben üblicherweise keinen Einfluss auf die Platzierung im Regal. Durch seine Doppelstellung kann der Handel das aber schon.“
Nun braucht man aus Verbrauchersicht nur wenig Mitleid mit Markenherstellern zu haben, die bisher auch nicht schlecht an ihren Kunden verdient haben. Und eigentlich könnte den Kunden die Streitigkeiten zwischen Herstellern und Supermärkten, wie gesagt, egal sein – sofern sie mit den nachgemachten Produkten ebenfalls ordentliche Qualität bekommen. Durch die Ausbreitung ihrer Eigenmarken verstärken die Handelsketten jedoch ihren Einfluss auf das, was wir konsumieren, drastisch. Auf Dauer wird der Markt dadurch noch undurchsichtiger als er jetzt schon ist. Denn die meisten Supermärkte zeichnen sich durch eine besondere Schweigsamkeit aus, sobald es um die Herkunftsangabe geht.
Auf vielen Produkten steht gar nicht mehr drauf, wer sie produziert hat, sondern (zum Beispiel) nur: „Hergestellt für Edeka Zentrale“. Mehr lässt sich auch mit einem Anruf bei der Kundenhotline nicht erfahren. Die freundliche Frau am Telefon sagt:
„Bei Eigenmarken geben wir die Hersteller nicht preis. Das ist einfach ein Betriebsgeheimnis. Wir arbeiten aber mit namhaften Herstellern zusammen, die für uns produzieren.“
Edeka verspricht jedoch, nach einer kurzen Recherche per Email zu erklären, woher die „Frucht-Mousse“ stammt – und schreibt wenig später: „Gerne teilen wir Ihnen mit, dass das Produkt in Deutschland hergestellt wird.“ Das muss reichen.
Bloß auf die Frage, wo Edeka den „Star Trek“-Replikator abgegriffen hat, weiß die Mitarbeiterin leider keine Antwort.
Fotos: Supermarktblog
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* Im Discounter ist’s oft genauso – aber zum Beispiel bei Aldi liegt selten das Markenprodukt direkt daneben. Deshalb geht es in diesem Eintrag vorrangig um Supermärkte. (zurück)
Ich dachte immer, dass die...
Ich dachte immer, dass die Gewinnmargen bei den Markenprodukten für den Händler am höchsten sind. Das scheint ja dann absolut nicht der Fall zu sein.
Hier gibt es fuer die Kunden...
Hier gibt es fuer die Kunden eigentlich nur eine Strategie: die Eigenmarke ausprobieren und ggf. kosten – und wenn sie den eigenen Anspruechen genuegt, warum dann nicht weiterhin kaufen?
Je schneller und heftiger die...
Je schneller und heftiger die Marken am Marketing-Rad drehen, umso mehr müssen sie das auch tun angesichts der nachziehenden Nichtmarkenkonkurrenz.
Die teuren Marken verpacken das gleiche Produkt auf besondere, immer wieder neue Art, um sich von der Konkurrenz und dem bisherigen, eigenen Entwurf abzusetzen. Die günstigen Nichtmarken verpacken das gleiche Produkt wie die Hauptmarken. Drinnen ist’s ja sowieso ähnlich, also gleicht man sich auch außen an. Das ist einfacher, günstiger, wiedererkennbarer und effizienter. Warum auch sollte man sich als eine von vielen Handelsmarken partout von der Marken- und Handelskonkurrenz absetzen wollen?
Nebenbei: Was am erwähnten Konfitürenbeispiel mal wieder schön ins Auge sticht ist die schleichende Preiserhöhung der Markenprodukte durch stetige Verminderung des Inhaltes. 1,89 Markeneuro im Vergleich zu 1,29 statuslosen Euro mag vielen noch angemessen erscheinen, durch die 270 statt 300 Gramm verschiebt sich die Relation aber tatsächlich von gefühlten 50% auf 7€/kg zu 4,30€/kg. Zusätzlich kommt ja hinzu, daß wegen nicht vollständiger Entleerung(smöglichkeit) bei kleineren Gebinden der Wegwerfanteil steigt. Vielleicht druckt der Markenhersteller ja sogar absichtlich ein kurzfristigeres Mindesthaltbarkeitsdatum drauf, um die Rotation von Entsorgung und Neukauf zu erhöhen.
Es ist nicht richtig, daß...
Es ist nicht richtig, daß Markenhersteller keinerlei Mitsprache bei der Platzierungsgröße und dem -ort haben; es gibt hier für viele Märkte sogar Platzierungsvorschriften, die in Zusammenarbeit mit vielen Markenherstellern ausgeklüngelt werden. Häufig ist diese sogar Teil der Abmachung beim Anbieten des Markenproduktes.
Zudem ist es wie atomfried bereits schrieb: die Spannen bei Eigenprodukten sind sehr gering, es macht also wenig Sinn, den Kunden darauf hin zu trimmen, diese zu kaufen. Verdient wird an den Markenprodukten – und damit, daß EDEKA z.B. ein breites und tiefes Sortiment besitzt.
Natürlich ist ein Bestreben da, G&G-Produkte bzw. die EDEKA-Eigenmarken bzw. die REWE- usw. Eigenmarken „ähnlich“ zu Markenprodukten zu gestalten – wenn sogar Markenmitbewerber ihre Produktgestaltung am jeweils stärksten Mitkonkurrent ausrichten, warum sollten das die diversen Einzelhändler nicht ebenfalls mit ihren eigenen Produkten tun?
Was die „Herstellerangaben“ angeht, so ist es nicht nur bei Eigenmarken üblich, daß man (leider) selten mehr erfährt. Selbst bei großen Herstellern (die nicht gerade BIO oder Regionale Produkte verkaufen), erfährt man selten genau, woher das Produkt kommt – in der Regel ist es entweder aus „Deutschland“ oder man erfährt eben durch den Firmenaufdruck, wo dessen Hauptsitz ist…
Viel bedenklicher finde ich, daß Markenhersteller Zusätze wie „aus dem Allgäu“ verwenden für Produkte, deren Herstellung soweit weg vom Allgäu ist, daß man selbiges noch nicht mal mit Fernglas erahnen kann 😉 Oder daß z.B. Calgonit Werbung für ihre Tabs macht und mit „MEHREREN“ namhaften Spülmaschinenherstellern wirbt, die die besagten Tabs getestet haben – ohne darauf hinzuweisen, daß SÄMTLICHE der „mehreren“ führenden(!!) Maschinenhersteller allesamt im gleichen Werk ihre Spülmaschinen produzieren!
Über solche Dinge wäre ein Artikel mal deutlich angebrachter im Sinne der Kundenaufklärung.
Diesen Artikel hier finde ich einseitig und stellenweise sehr schlecht reduziert… (siehe Stichwort Platzierungsvorgaben….).
@silvia: Ich glaub, Sie haben...
@silvia: Ich glaub, Sie haben da was falsch verstanden. Herr Gayk vom Markenverband meint, dass miteinander konkurrierende Hersteller „üblicherweise“ keinen Einfluss darauf haben, wo das Produkt ihres direkten Konkurrenten im Regal platziert wird. Also: Hustenbonbonhersteller 1 kann nicht beeinflussen, wo die Produkte von Hustenbonbonhersteller 2 hinkommen. Der Supermarkt kann’s schon – und ist gleichzeitig selbst Hustenbonbonhersteller.
Und es mag ja sein, dass die Margen mit hochwertigen Marken nach wie vor gut sind, aber angesichts der Eigenmarken-Flut der vergangenen Jahre müssten die Supermärkte wohl alles falsch machen, wenn es mit denen nicht auch ordentlich zu verdienen gäbe (natürlich vor allem bei den Mittemarken und der Luxusklasse).
"Die Müsliriegel-Verpackung...
„Die Müsliriegel-Verpackung sieht jedenfalls aus als sei sie unmittelbar vom Original gespiegelt. “
„Bei den Erdnüssen ist (vor allem beim Schriftzug) fast überhaupt kein Unterschied mehr festzustellen“
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Danke für die Fotos. Denn da sieht man dann doch eine Menge Unterschiede, die den text relativieren. Da ist z.B. keineswegs ein Image „gespiegelt“ und „kein Unterschied“ ist ebenfalls reichlich übertrieben. Auch bei den Beispielen Bratkartoffeln und Keksen sieht man doch sofort und deutlich die Unterschiede.
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Ist da nicht manchmal eine kleine Nummer im ovalen Kreis auf der Verpackung (z.B. bei Joghurtbechern oder Büchsen mit Gemüse oder Suppen)? Wenn die Nummern der Kopien die gleichen sind wie bei den ähnlich aussehenden Markenprodukten, ist’s der gleiche Hersteller. So sehen die z.B. aus:
DE
511
EG
oder
DE
BY 306
EG
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etc.
Aber eins ist richtig: Der Sinn mancher Lebensmittel – wie z.B. abgepackte geschnittene Kartoffeln – erschließt sich nicht. Der Mist wird aber gekauft, genauso wie die meterweise angebotenen Tütensuppen, die, wenn man den winzigen Inhalt als Maßstab nimmt, völlig überteuert sind (…und den ominösen Inhalt dieser Tüten lassen wir hier mal gnädig weg).
@Jeeves: Ich behaupte schon,...
@Jeeves: Ich behaupte schon, dass man als Grafiker vom Kunden die ültje-Dose an den Kopf geschmissen bekommt, wenn man für Erdnüsse so ein gut&günstig-Design vorschlägt. Da ist von der Grundfarbe über die Nussanordnung bis hin zum Stand des Logos alles übernommen worden. Für sowas würde ich als Auftraggeber doch kein Geld mehr hinblättern.
Mich irritiert aber viel mehr der Preis von € 1,89 für eine Markenmarmelade! Ha, davon bekomm ich hier im österreichischen Tourismusgebiet gerade mal ’n Probierlöffelchen. Irre.
@atomfried:
Auch wenn die...
@atomfried:
Auch wenn die Handelsmarge bei Markenprodukten am höchsten ist, müssen Edeka& Co. aber auch die WÜnsche ihrer Kunden nach günstigen Discounterartigen Produkten ernst nehmen, sonst kommt nämlich keiner mehr.
Ich gehe mal davon aus, der Erfolg der Eigenmarken lebt davon, dass man hier die doppelte Marge hat (Handelsmarge PLUS die Marge als Hersteller) und insgesamt höhere Umsätze und Marktanteile erreichen kann als nur mit Markenprodukten.
die ähnlichkeit mancher...
die ähnlichkeit mancher marken zu eigenprodukten ist schon erschreckend. Die Verbraucher müssen teilweise so genau hinschauen, das einem die Augen aus dem Kopf falllen könnten. Wie gut das edeka daran gedacht hab lupen dan den regalen zu befestigen 😉