In einer grundsympathischen Werbekampagne erklärt Edeka seit einiger Zeit, dass auch Supermärkte Gefühle haben. „Wir lieben Lebensmittel“, heißt es in den Fernsehspots von Deutschlands größter Handelskette. Ganz besonders groß ist diese Zuneigung offensichtlich gegenüber der Eigenmarke „Edeka“, die gerade erst aufgehübscht wurde und sogar eine eigene Hochglanzbroschüre spendiert bekommen hat, mit der die ganze Welt von der Supermarktromanze erfahren soll. Gleich auf der ersten Seite räumt das „Edeka-Team“ ein für alle Mal mit dem Vorurteil auf, es ginge im Lebensmittelhandel bloß um betriebswirtschaftliche Ziele:
„Aus Liebe entstehen oft die tollsten Sachen, bei uns z.B. eigene Produkte, die sowohl in ihrer Qualität als auch ihrem Preis einfach Extraklasse sind und die den Anspruch haben, sich in ihrer Warengruppe durch echte Vorteile abzuhaben – etwa durch innovative Rezepturen oder eine besondere Herstellung.“
Mehr als 30 Seiten umfasst die Liebeserklärung an Laktosefreie H-Milch, Thunfisch-Filets und Mini-Schnitzel, auf die das Logo des Unternehmens gedruckt ist. Und die Liebe geht sogar noch einen Schritt weiter. Denn dass die Eigenmarke „gleichzeitig auch noch günstig“ angeboten würde, sei „übrigens eine kleine Liebeserklärung an Sie. Deshalb müssen Sie jetzt aber nicht rot werden – genießen Sie es einfach!“ Machen wir! Wer könnte einem solchen Angebot auch widerstehen? Nur eine Frage noch: Was sind das denn jetzt für Vorteile, in deren Genuss Kunden kommen, die sich für die Produkte der Edeka-Eigenmarke „Edeka“ entscheiden und nicht etwa für die Produkte der Edeka-Eigenmarke „Gut und günstig“?
Oder – um’s mal konkret zu machen: Warum ist die Nudel- und Dosenbevorratung im selben Edeka-Markt in diesem Fall exakt 2 Euro teurer?
Einkaufszettel 1: „Edeka“
„Tomaten in Stücken Classic“, 400-g-Dose: 0,79 Euro
„Champignons 1. Wahl ganze Köpfe“, 400-g-Dose: 1,49 Euro
„Spaghetti aus 100 % hochwertigem Hartweizengrieß“, 500-g-Packung: 0,99 Euro
„Mandarin-Orangen gezuckert“, 312-g-Dose: 0,99 Euro
Macht zusammen: 4,26 Euro
Einkaufszettel 2: „Gut & Günstig“
„Tomaten gehackt“, 400-g-Dose: 0,49 Euro
„Champignons 1. Wahl ganze Köpfe“, 400-g-Dose: 0,89 Euro
„Spaghetti aus 100 % Hartweizengrieß“, 500-g-Packung: 0,39 Euro
„Mandarin-Orangen leicht gezuckert“, 312-g-Dose: 0,49 Euro
Macht zusammen: 2,26 Euro
Ist schon klar: Die Billigmarke hilft Edeka, auch Kunden anzulocken, die sonst zum Discounter gehen würden. Und dass billige Produkte nicht immer automatisch schlechter sein müssen als Markenware, wissen die meisten Kunden auch. Aber seit die Supermärkte im großen Stil auch eigenproduzierte Mittelmarken ins Regal stellen, verschwimmen die Unterschiede.
(„Mittelmarke“ wird hier als Synonym für Produkte verwendet, die von den Supermärkten unter eigenem Namen hergestellt werden [„Edeka“, „Rewe“, „Kaisers Star Marke“, „Real Quality“], aber teurer sind als die klassischen Billigmarken [„Gut & Günstig“, „ja!“, „A&P“, „Tip“] und günstiger als Bio- und Feinkost-Eigenmarken [„Edeka Selection“, „Rewe feine Welt“].)
Wer sich bei Edeka nach den konkreten Unterschieden der eingekauften Produkte erkundigt, erhält eine deutlich weniger romantische, dafür aber sehr allgemein gefasste Antwort:
„Die Basismarke Gut & Günstig bietet den Verbrauchern im Preiseinstieg Markenqualität zum Discount-Preis. Das gehobene Sortiment unter dem Edeka-Logo zeichnet sich durch echte Produktvorteile aus, denn alle Artikel bieten dem Kunden neben einem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis einen klaren Mehrwert. Dieser Zusatznutzen resultiert beispielsweise aus besonders hochwertige Rohstoffen, einzigartigen Rezepturen oder speziellen Produktionsverfahren.“
Na gut: Auf der Verpackung des „Edeka“-Produkts wird versprochen, dass ausschließlich „erntefrische Tomaten“ verwendet wurden – aber heißt das im Umkehrschluss, dass die „Gut & Günstig“-Tomaten erst eine Weile liegen bleiben bevor sie in die Dose kommen? Und was genau ist an der „traditionellen Herstellung mit Bronzeformen“ der „Edeka“-Spaghetti so toll, dass mehr als doppelt so teuer sind wie dasselbe Produkt von „Gut & Günstig“? Müsste ein Unternehmen, das Lebensmittel so sehr liebt, all das nicht flott erklären können, vor allem, wenn es vorher umfassende „Mehrwert“-Versprechen auf Hochglanzpapier abgibt?
Es müsste schon. Edeka allerdings schreibt auf nochmalige Anfrage:
„Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diese wettbewerbsrelevanten Informationen nicht kommunizieren.“
Das probieren Sie am besten gleich mal zuhause: Dem Partner erst überschwänglich Ihre Liebe gestehen und wenn sie oder er dann nachfragt, warum Sie sich so hoffnungslos verknallt haben, antworten: „Bitte, Schatz, hab doch Verständnis, dass ich dir diese wettbewerbsrelevanten Informationen leider nicht kommunizieren kann.“ Kleiner Tipp: Vielleicht ducken Sie sich dabei besser.
Wie die anderen großen Handelsketten mit Eigenmarken-Zwillingen umgehen, steht in den kommenden Tagen im Supermarktblog.
Fotos: Supermarktblog
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Ein Mehrwert ist sicher dass...
Ein Mehrwert ist sicher dass man zum Oeffnen der Champignons und Tomatenkonserve keinen Dosenoeffner ansetzen muss :).
Wetten? In allen Dosen ist...
Wetten? In allen Dosen ist jeweils das gleiche drin. Nur das Papier drumherum hat ’ne andere Beschriftung. Und hier oben durfte man das nicht so deutlich sagen, weil’s sonst Ärger gibt (?). Ich aber, ich darf und kann.
... und murmelt: Vera..chen...
… und murmelt: Vera..chen kann ich mich allein!, da brauch ich keine Edeka. Früher hieß EDEKA = Ein deutscher Esel kauf alles.
Der Autor fühlt sich...
Der Autor fühlt sich offensichtlich für blöd verkauft :-). Das ist der Normalzustand für alle Menschen, deren Denken funktioniert, bei der Begegnung mit Werbung. Da Werbung trotzdem wirkt, haben wir zwei wenig schmeichelhafte Möglichkeiten der Schlussfolgerung: 1) Es gibt weit mehr Menschen, die nicht denken können Oder/und 2) Denken hat nur einen marginalen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen#
Klagen über verdummende Werbung sind wie die über´s Wetter. Richtig aber sinnlos. Es ist das Wesen von Werbung (politisch: Propaganda) zu verdummen.
Gruss,
Thorsten Haupts
@Thorsten Haupts: Ist schon...
@Thorsten Haupts: Ist schon klar, aber ich find’s spannend, die Systematik, die dahinter steckt, mal aufzudröseln.
Herr Schader, bitte...
Herr Schader, bitte photographieren Sie künftige Produkte bitte wieder auf dem schönen Brückengeländer vor den subtilen Bahngleisen. Diese Holzgartenmöbel haben nicht die feinsinnige inhaltliche Qualität Ihrer Beiträge.
<p>@evm: Das sind doch aber...
@evm: Das sind doch aber die hübsch-wettergegerbten Draußenmöbel vom Café nebenan!
Lieber Peer Schader, lieber...
Lieber Peer Schader, lieber ThorHa,
die Verursacher eines solchen Kommunikationsbruchs zwischen Flirt und plötzlichem BND-Getue, wenn der Kunde mal wirklich was wissen will, kommen nicht einmal im Traum auf die Idee, dass sich da jemand veräppelt vorkommt. Sie sind zu sehr in ihrer Welt.
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gez. eine Ex-Werberin,
die sich nicht nur aus diesem Grund in Richtung Nur-Design davongemacht hat.
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Man glaubt aber nicht, wie stark die Werbung seit den 70ern dank ihrer „Strahlkraft“ auch bei manchem meiner heutigem Design-Auftraggeber die Sprache und die Ethik verändert hat: Viele dieser sonst sehr lieben, aufrichtigen und Nachhaltigkeit liebenden Menschen glauben, dass man auf ihren Prospekten schon ein bisschen Tünnef erzählen müsse, das wäre doch so in der Kommunikation.
Man kämpft gegen Windmühlen. Es bleibt nur der leichte Grinser des Schwarzen Humors, Style: in Richtung Eisenbahnunglück, alle Gesichtszüge sanft entgleist.
Jetzt fehlt noch ein...
Jetzt fehlt noch ein Geschmackstest. Die billigen Mandarinen „leicht gezuckert“ schmecken wahrscheinlich besser als teuren „gezuckert“. Obst aus der Dose ist ja immer zu süß (für 50 ct Preisdifferenz gibt’s eine Menge Zucker).
Zur Diskussion über Werbung: Der Mechanismus ist für einen denkenden Menschen nicht schwer zu durchschauen. Bis es sich aber zu allen Menschen rumgesprochen hat, dauert es noch ein Weilchen. Deshalb in Sachen Werbung am Ball bleiben.
Es gibt immer was zu Lernen für die einen, und was zu Schmunzeln für die anderen.
Hallo Vroni,
ich wäre auch...
Hallo Vroni,
ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, den „Kreativen“ der Werbewirtschaft Denken zu unterstellen. Das aber ist die notwendige Voraussetzung, um über den Tellerrand des emgeren Berufsumfeldes hinauszublicken.
Im übrigen haben Werber ja leider dieselbe gute Entschuldigung, wie die Verfasser von Julia-Heftromanen: Es scheint zu funktionieren bzw. es verkauft sich. Und das ist in der Marktwirtschaft wie in der Mediendemokratie hinreichende Rechtfertigung. Egal, wie sehr sich die denkenden Menschen daran stören. Die werden immer eine kleine radikale Minderheit bleiben :-).
Gruss,
Thorsten Haupts