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Nach jedem Lebensmittelskandal wollen die Verbraucher wissen: Was können wir noch essen? Dabei ist die Frage, wie wir einkaufen, mindestens genauso

Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können

| 23 Lesermeinungen

Mit seinem 20-Prozent-auf-alles-Rabatt ist die Baumarktkette Praktiker ziemlich auf die Nase gefallen, weil die Kunden an anderen Tagen gar nicht mehr zum Einkaufen gekommen sind. Lebensmittel-Discounter wie Lidl versuchen trotzdem, Kunden mit Preisaktionen zu locken. Dabei ist eigentlich Konkurrent Aldi Schuld am "Super-Samstag".

Angenommen, mit der folgenden Frage ließe sich bei Günther Jauch die Million gewinnen. Wahrscheinlich wüsste jeder Kandidat schon vor Einblendung der Antwortmöglichkeiten, dass es gleich was zu feiern gibt:

Bild zu: Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können
Foto [M]: RTL / Supermarktblog

Die richtige Antwort ist natürlich D: Tiernahrung.

Sie wissen das vermutlich, weil es vor den Werbespots der Baumarktkette Praktiker eine Zeit lang fast kein Entrinnen gab. Vor allem, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Praktiker an Aktionstagen zum Teil ein Umsatzplus von 300 Prozent eines normalen Tages machen konnte.

Inzwischen ist das Geschichte (siehe FAZ.NET) – und Praktiker steckt trotz des zwischenzeitlichen Erfolgs in der Krise. Vor drei Wochen wurden die neusten Zahlen bekannt gegeben. Die Umsätze sind massiv eingebrochen, eine Jahresprognose traut sich die Geschäftsführung derzeit nicht zu. In den Meldungen wird unter anderem eine „verfehlte Marketingstrategie“ als Grund für die Misere angegeben

Das Problem an der 20-Prozent-auf-alles-Aktion war: Sie funktionierte so gut, dass Praktiker sie in immer kürzeren Abständen wiederholte. 2007 gab es an über 100 Tagen 20 Prozent Rabatt auf „alles außer Tiernahrung“. Die Kunden haben sich daran gewöhnt – und mit ihrem Einkauf gewartet, bis der nächste Aktionstag ausgerufen wurde. War ja meistens auch nicht zu überhören. An anderen Tagen blieben die Märkte allerdings leer.

Jetzt, da die Prozent-Aktionen abgeschafft sind, gibt es für viele Kunden keinen Grund mehr, ausgerechnet zu Praktiker zu gehen. Weil die Kette versäumt hat, ihnen einen anderen Grund dafür zu geben als den Preis.

Das Beispiel gehört zu den spannendsten in der Studie „Die große Preisfrage“, für die sich die Unternehmensberatung OC&C Consultants mit unterschiedlichen Preisstrategien im Einzelhandel beschäftigt – und damit, wie wichtig es für Handelsfirmen ist, die jeweils richtige zu finden, um erfolgreich zu sein. Rabattaktionen sind eines von vielen Mitteln, die erst einmal für Wirbel und Umsatz sorgen, aber auch völlig daneben gehen können.

Christian Ziegfeld, der die Studie bei OC&C verantwortet, sagt:

„Das Problem ist, dass an dem Tag, an dem die Aktion abgeschaltet wird, ein Unternehmen meist nichts mehr davon hat, weil sich diese nicht auf das langfristige Leistungsversprechen auswirkt.“

Das „langfristige Leistungsversprechen“ hört sich zunächst einmal sehr danach an als sei es gerade aus einem Marketingfachbuch gefallen. Aber die Idee, die dahinter steckt, ist hochinteressant. Die Preisstudie geht nämlich davon aus, dass es für den Erfolg eines Unternehmens gar nicht so wichtig ist, wie günstig es seine Produkte anbietet. Entscheidend sei vielmehr, was die Kunden glauben, wie günstig die Produkte angeboten werden – also die „Preiswahrnehmung“.

Diese Preiswahrnehmung lässt sich beeinflussen, zum Beispiel durch Werbung. Aber das kollektive Gedächtnis der Kundschaft ist träge: Zwei, drei Jahre kann es dauern, bis sich die Preiswahrnehmung der Verbraucher ändert. Genau das ist auch das Problem der Rabatt-Tage.

„Natürlich hilft es erstmal, wenn durch eine Preisaktion viele Kunden in die Filiale kommen“, sagt Ziegfeld. „Die Frage ist aber: Glauben die Kunden auch noch nach einem halben Jahr, dass dieser Händler wirklich günstig ist?“ Denn nur dann gehen sie dort auch einkaufen, wenn es gerade mal keine aufwändig beworbene Sonderaktion gibt.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wenn Praktiker mit seiner Strategie so arg auf die Nase gefallen ist, warum riskieren dann Discounter wie Lidl, Netto (ohne Hund) und Penny wöchentlich dasselbe?

Die Antwort darauf lautet: weil Aldi es nicht macht.

Bild zu: Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können

Aldi liegt im Discountmarkt so weit vorne, dass die beiden Unternehmenshälften (Aldi Süd und Aldi Nord) dort – noch – auf Sonderaktionen verzichten können. Gleichzeitig bringt es den Konkurrenten wenig, lediglich genauso gut wie Aldi zu sein. Unterbieten lässt sich Aldi auch nicht, weil alle Discounter ihre Preise für die wichtigsten Lebensmittel permanent aneinander angleichen. Ziegfeld sagt: „Aldi ist zu groß und zu gut aufgestellt als dass die anderen Discounter im Preiswettbewerb wirklich dagegen halten können – und deshalb wird versucht, über solche Aktionen mehr Kunden anzulocken.“

Das schafft aber noch immer nicht die Gefahr aus der Welt, dass sich die Preisaktionen der Discounter negativ aufs Geschäft auswirken könnten, oder?

Doch, meint Ziegfeld, denn zumindest die Lidl-Aktion sei so konstruiert, dass sie eigentlich keinen Schaden anrichten könne. Am „Super-Samstag“ werden zum Beispiel immer nur zwei Markenprodukte zu stark herabgesetzten Preisen angeboten, es gibt ein begrenztes Kontingent – und danach ist Schluss. Das ist für die Kunden leichter nachzuvollziehen als wenn ein ganzes Sortiment rabattiert wird, bei dem es von den meisten Artikeln auch noch einen ausreichenden Vorrat gibt. (Genau so war’s bei Praktiker.)

„Wenn Preisaktionen mit unterschiedlichen Zeitrhythmen, Inhalten oder Sortimenten laufen, kann der Kunde nicht vorausplanen. Noch dazu werden Lebensmittel ständig benötigt. Wenn Sie zuhause ihr Badezimmer neu fliesen wollen, planen Sie das oft ein paar Wochen vorher“, erklärt Ziegfeld. Dass Lidl mit dem „Super-Samstag“ und dem „Montags-Alarm“ sein Geschäftsmodell schädigen könne, glaubt er nicht.

Als Allheilmittel allerdings funktionieren Preisaktionen auch im Lebensmittelhandel kaum. Weil die übrige Konkurrenz sich anpasst und die unterschiedlichen Rabatte der Aldi-Herausforderer schon jetzt kaum noch auseinanderzuhalten sind. Und weil die generelle Preiswahrnehmung im Zweifel wichtiger ist.

„Dass es irgendwann mal eine 25-Prozent-Aktion gab, weiß nach sechs Monaten jedenfalls kaum noch jemand“, meint Ziegfeld.

Außer natürlich die Aktion hatte einen kessen Tiernahrungs-Slogan und funktioniert inzwischen als mahnendes Beispiel dafür, wie ein vermeintlich cleverer Marketingtrick ganz schnell das Gegenteil von dem bewirken kann, was er ursprünglich sollte.

Abbildungen: Lidl, Penny, Netto

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23 Lesermeinungen

  1. Petra sagt:

    Chuck Norris bekommt auch 20%...
    Chuck Norris bekommt auch 20% auf Tiernahrung (Kicher!!)
    Wer bitte hört überhaupt noch hin, wenn im Radio die Spots laufen? Werbepausen bei den Privaten werden zum Gang aufs …. benutzt und der daumendicke Packen mit Werbeprospekten, der an jedem Samstag mit dem Wochenblatt in der Zeitungsrolle landet, wandert fast unbesehen in die große blaue Tonne.
    Der mündige Bürger weiß doch längst, dass das größte Geschrei meist nicht den günstigsten Preis bedingt.
    Und letztendlich weiß doch jeder, wenn man an einer Stelle ein günstiges Angebot kauft, zahlt man das eingesparte Geld bei einem anderen Produkt wieder drauf.

  2. Zwei Fragen sagt:

    Erstens: Haben sich denn die...
    Erstens: Haben sich denn die Käufer den Namen „Praktiker“ wirklich gemerkt? Bei mir hatte sich der Tiernahrungsspruch sofort eingebrannt, aber den Namen hätte ich bei Jauch unter A:Bahr B:Hornbach C:Taktiker D:Praktiker wohl nicht gewusst.
    Zweitens: Hat die Studie ermittelt, ob die Kunden nach der Aktion Praktiker jetzt preiswahrnehmungsmäßig für einen besonders teuren Laden halten? Wer immer so billig verkaufte (und ja eigentlich so kalkuliert, dass es für einen Gewinn reicht) und jetzt so viel teurer, der legt mich doch rein – nein?
    Danke fürs interessante Blog!

  3. Klaus sagt:

    Petra hat Recht. Punkt....
    Petra hat Recht. Punkt.

  4. pschader sagt:

    @Zwei Fragen: Erstens - umso...
    @Zwei Fragen: Erstens – umso schlimmer, oder?
    Und zweitens – ja, die Studie attestiert der Aktion „einen positiven Effekt auf die Preiswahrnehmung der Kunden“, aber dieser Fokus hat offensichtlich nicht ausgereicht, um dauerhaft Kunden zu binden. (Weil das gleiche Sortiment am Tag 1 nach der letzten Aktion ja wieder 20 Prozent „teurer“ war.) Das Praktiker-Problem ist laut Studie, dass die eher markenorientierten Kampagnen, die jetzt gefahren werden (z.B. mit Boris Becker), nur wenig Wirkung haben – weil die Preiswahrnehmung der Kunden eben eine Weile braucht, sich anzupassen.
    Und: Danke fürs Mitlesen!

  5. Uli sagt:

    "Der mündige Bürger weiß...
    „Der mündige Bürger weiß doch längst…“
    Da sagt die Studie aber etwas anderes, nämlich das der Bürger lediglich glaubt zu wissen wo etwas besonders günstig ist („Preiswahrnehmung“) was mit der Realität aber nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Mir war zum Beispiel neu das es bei Praktiker keine 20% Aktionen mehr gibt, wer soll auch bei all den Baumärkten noch irgendeine Überblick bewahren?

  6. Marcel sagt:

    Mein Gedanke nach der x-ten...
    Mein Gedanke nach der x-ten 20-Prozent-Aktion damals war dann auch, dass man sich sicher recht blöd vorkommt, wenn man außerhalb solch einer Aktion dort einkauft.
    Der zweite Gedanke war: Wenn die ständig 20% Rabatt geben können, heißt das ja, dass sie in der restlichen Zeit eigentlich teurer sind als nötig.
    Ich fand die ganze Aktion damals schon eher dubios.

  7. Friedrich sagt:

    Deutschland mag ja das Land...
    Deutschland mag ja das Land der Heimwerker sein, aber was wäre der besondere Grund, also der Grund, den ich bei Praktiker nicht finde, mich in OBI, Hornbach, Bauhaus oder irgendeinen anderen zu locken.
    Die Frage ist also, geht es denn Praktiker alleine schlechter, oder haben die anderen auch mit Umsatzeinbußen zu kämpfen.
    In meiner Wahrnehmung sind die doch alle gleich, wenn ich was brauche, dann gehe ich in den, der am nächsten liegt.

  8. CaoKy60 sagt:

    Hallo Herr Schader, duerfte...
    Hallo Herr Schader, duerfte man in D – nach den Rabatt- und Lotteriegesetzen – eigentlich so eine Kampagne fahren: Nach dem Einkauf drehen die Kunden an einem Gluecksrad, worauf sie von 0.5 % bis 10 % Rabatt auf den Einkauf bekommen?

  9. pschader sagt:

    <p>@Friedrich: Kurzes Zitat...
    @Friedrich: Kurzes Zitat aus dem oben verlinkten FAZ.NET-Text: „Während die meisten heimischen Branchenkonkurrenten die Krise kaum spürten, schrieb Praktiker 2009 unter dem Strich sogar Verlust, die deutschen Märkte erwirtschafteten nur ganz knapp ein positives Betriebsergebnis.“
    Und z.B. Obi – das zu Tengelmann gehört – scheint es auch nicht so schlecht zu gehen.
    @CaoKy60: Puh, gute Frage. Bisschen aufwändig vielleicht, oder?

  10. Daniel sagt:

    Ich glaube Lidl fährt eine...
    Ich glaube Lidl fährt eine recht gegückte Strategie mit seinem Super-Samstag.
    Die Beschränkung auf nur 2 Artikel hat einerseits den Effekt, Kunden damit in die Filiale zu locken die höchstwahrscheinlich dann doch noch andere Sachen kaufen als nur die eine Mango aus dem Angebot.
    Ist ja eigentlich eine Binsenweisheit das Lockangebote nur in einer solchen Mischkalkulation Gewinn bringen können, aber da haben die Pratiker-Strategen wohl in der Grundschule nicht aufgepasst.
    In Sachen „Preiswahrnehmung“ ist Lidl insofern ganz geschickt, als dass durch das Einhämmern von 2 spezifischen Preisen der preisvergleichgestählten Hausfrau (die für jeden gesparten Cent bei der H-Milch auch gerne 3 Orte weiter fährt zum Einkaufen) direkt am konkreten Beispiel eingeprägt wie billig Lidl sein kann. Wenn Sie dann montags versehntlich bei Penny steht, denkt Sie dann „Die Mangos waren bei Lidl aber VIEL billiger“.
    Ich weiss nicht ob das alleine reichen würde um Lidl als Preisführer in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern, aber unterstützend wirkt es sicherlich.
    Ob es geschickt von dieser recht gezielten Aktion mit einer lärmigen Montagsaktion quasi abzulenken, erscheint mir allerdings fraglich.

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