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Nach jedem Lebensmittelskandal wollen die Verbraucher wissen: Was können wir noch essen? Dabei ist die Frage, wie wir einkaufen, mindestens genauso

Supermarktgründung "Veganz" in Berlin: Grüner wird’s nicht

| 16 Lesermeinungen

In Berlin hat Jan Bredack seinen eigenen Supermarkt eröffnet und verkauft dort ausschließlich vegane Lebensmittel. Konkurrenz durch die großen Ketten fürchtet er nicht – weil vor allem Kunden angesprochen werden sollen, die sich bewusster ernähren wollen. Und die bereit sind, dafür deutlich mehr Geld auszugeben.

Es gibt Leute, die eröffnen ihren eigenen Supermarkt, weil sie genug haben von der Marktmacht der großen Handelsketten. Und es gibt Leute, die eröffnen ihren eigenen Supermarkt, weil sie keine Lust mehr haben, ständig zu suchen.

Beides ist halsbrecherisch.

Aber Jan Bredack hat das Suchen definitiv satt gehabt. Genauso wie das Entziffern von Zutatenlisten, das Laufen von einem Markt zum nächsten, die vielen Unbequemlichkeiten, die sich aus der Entscheidung ergeben, vegan zu leben und auf tierische Produkte zu verzichten: auf Fleisch, Milch, Käse und sämtliche tierischen Stoffe, die bei der Herstellung von pflanzlichen Produkten verwendet werden. Bredack hat sich für die komplizierte Lösung entschieden, um dieses Problem zu lösen. Im Juli hat er im Norden Berlins seinen ersten eigenen Laden eröffnet, in dem ausschließlich vegane Produkte im Regal stehen, weil er selbst bestimmen kann, wo sie herkommen.

Bild zu: Supermarktgründung "Veganz" in Berlin: Grüner wird's nicht

Veganz sieht aus wie ein Supermarkt, funktioniert so ähnlich wie ein Supermarkt – und liegt direkt neben einem Supermarkt. In der Nachbarschaft gibt es einen mittelgroßen Rewe, den Bredack aber nicht als Konkurrenten fürchtet. „Ich sehe öfter, dass die Leute erst zu Rewe gehen und dann noch einmal zu uns kommen, um ein paar besondere Lebensmittel einzukaufen“, sagt er. „Der Vorteil ist: Die Leute sind über Jahre daran gewöhnt, hier in der Straße einzukaufen. Und unser Sortiment überschneidet sich so gut wie gar nicht mit dem von Rewe.“ Außer vielleicht bei Sojamilch und Gemüse.

Bei Bredack im Laden gibt es Joghurt und Käse – nur eben ohne Milch; es gibt Brotaufstriche, Aufschnitt und Schnitzel aus Tofu oder Weizeneiweiß, aber auch Fertiggerichte; und Kosmetik ohne Tierversuche. Geöffnet ist an sieben Tagen die Woche, zumindest das Bistro mit Kuchen und Snacks am Eingang.

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Am ehesten konkurriert Veganz mit den zahlreichen Biomärkten in der Umgebung. Die Kaufkraft im Bezirk Prenzlauer Berg ist hoch. Aber Aldi? Lidl? Edeka? „Was die Konventionellen machen, interessiert uns gar nicht“, sagt Bredack. Die großen Supermärkte (und erst recht die Discounter) interessieren sich bisher ja auch kaum für die Kundschaft, die Veganz anspricht, weil vegane Ernährung als Massenmarkt nicht funktioniert.

Ausschließlich mit Veganern als Kunden würde es allerdings auch Bredack schwer haben, der vorher als Vertreibsdirektor für Mercedes-Benz in Russland gearbeitet und seinen Job für den Supermarkt aufgegeben hat. „Der Laden sollte sich von Anfang an auch Leute richten, die sich generell gesund ernähren wollen oder Allergiker sind“, sagt er. Auf den Preisschildern im Laden ist deshalb angegeben, welche Produkte allergietechnisch unbedenklich sind. „Es gibt auf jeden Fall Leute, die für eine solche Ernährung offen sind“, erklärt Bredack optimistisch.

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Hoffentlich gibt es auch genügend Leute, die für die Preise offen sind. Denn die sind bei Veganz happig. Das mag daran liegen, dass wir gewöhnt sind, nur noch Cent-Preise für unser Essen ausgeben zu müssen. Die Frage ist aber auch, wievielen Kunden die Ersatzprodukte tatsächlich das Doppelte oder Dreifache der – sagen wir: Originale wert sind. „Ich kenne die Kritik, wenn die Leute sagen: ‚Bei euch kostet die Tiefkühlpizza acht Euro‘ – aber nebendran steht auch eine für fünf“, erklärt Bredack. Und natürlich die für zwölf. „Das ist dann die Glutein-freie, für Leute, die in ihrem Leben noch nie Pizza gegessen haben.“

Als Zielgruppe sind Leute mit Tiefkühlpizzasehnsucht womöglich etwas klein, um am Ende des Tages die Ladenmiete bezahlen zu können.

Aber das ist gar nicht das einzige Problem. Denn so wunderbar die Idee eines unabhängigen Supermarkts auch ist: Einen wesentlichen Teil seiner Ersparnisse in die Bevorratung von Tiefkühlpizzen zu investieren, muss man sich auch als Geschäftsmann erstmal trauen.

Mehr zum Thema steht morgen im Supermarktblog.

Fotos: Veganz/M. Gräser

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16 Lesermeinungen

  1. Was Kosmetik "ohne...
    Was Kosmetik „ohne Tierversuche“ angeht, habe ich da als Apotheker, der sich berufsmäßig mit dem Erstellen von Salben, Cremes und Lotios beschäftigt und das ja auch studiert hat, mal einen Einwand.
    Egal, was da drin ist: Jede der in Cremes verwendeten Substanzen musste irgendwann mal am Tier ausgetestet werden. Es ist daher etwas utopisch anzunehmen, dass es Cremes ohne Tierversuche geben würde.
    Eine Creme setzt sich zusammen aus Wasser, einer Fettgrundlage und normalerweise einem Emulgator (Substanz, die verhindert, dass sich die beiden Phasen trennen) und einem Konservierungsmittel (muss in irgendeiner Form immer rein, ansonsten wird das Zeug ranzig oder schimmelt nach 2 Wochen; auch „konservierungsmittelfreie“ Cremes brauchen auf jeden Fall einen Zusatz gegen die Verkeimung des Wassers).
    Sämtliche der in Cremes verwendeten Substanzen sind im europäischen Arzneibuch („PhEur“) beschrieben und dafür wurden Verträglichkeitstests durchgeführt.
    Tierversuche sind daher bei Cremes mittlerweile unnötig, da die verwendeten Reinsubstanzen normalerweise bestens erprobt sind. Es ist daher nicht mehr erforderlich, die fertige Rezeptur nochmals am Tier auszutesten. Aber zu glauben, dass bei den Bestandteilen einer Creme niemals Versuche am Tier gelaufen sind, ist etwas wirklichkeitsfremd.
    Konsequent wäre es, Kosmetika komplett aus dem Sortiment rauszuwerfen, wenn man nur Produkte vertreiben möchte, bei denen die Reinsubstanzen niemals am Tierversuch getestet wurden.

  2. Uli sagt:

    Auf jeden Fall interessant,...
    Auf jeden Fall interessant, aber mit Veganern als Hauptzielgruppe wird er es in der Tat schwer haben. Die rangieren statistisch irgendwo zwischen 0,1 bis 1% auch wenn inzwischen gefühlte 25% der Weltbevölkerung Soja Frappuccinos schlürfen..
    Und all diese Ersatzprodukte… Wollen Kunden wirklich „Pizza“ aus Bananen Reismehl mit Tofukäse essen? Ist das nicht genauso krank wie industrieller Analogkäse oder zusammengeklebter „Schinken“ aus Schlachtabfällen?

  3. Salathie sagt:

    Eine mutige und wie ich finde...
    Eine mutige und wie ich finde gute Idee. Wer Vegetarier, Veganer, Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten/ Allergien kennt (ich hab da ein paar in der Bekanntschaft) weiß, dass sie sich auch im Biomarkt schwer tun (erst recht im normalen Supermarkt), wo was drin ist etc. Wenn ein Einkauf dann rund eine Stunde dauert (den ich in 20 min. erledigt hab), wüscht man denen doch so einen Supermarkt. Nur- genug Kunden in den Laden zu locken wird schwer.

  4. Mathias sagt:

    Ich finde es fantastisch, dass...
    Ich finde es fantastisch, dass sich Jan Bredack das getraut hat. Ich war auch schon im Laden und mag ihn. Es ist sehr befreiend, nicht mehr die Zutatenlisten studieren zu müssen (leben selbst vegan). Die Preise sind allerdings etwas höher.
    Aber dass z.B. die günstigste TK-Pizza 5 Euro kostet – dafür habe ich Verständnis. Sie kann eben nur in (relativ) kleinen Mengen produziert werden und ist somit von Fabrik aus teurer. Ebenso muss Bredack mit seinem kleinen Laden mit relativ wenig Umsatz höhere Margen nehmen als Netto Discount und Co., welche täglich wohl Millionen TK-Pizzen aus Billigst-Produktion verkaufen.
    Mit hochpreisigen Markenartikeln aus dem Supermarkt können vegane und biovegane Produkte jedoch erstaunlich oft preislich mithalten. Wer auf Discount angewiesen ist, kann versuchen sich umzustellen. Wer jedoch sowieso teure Markenartikel kauft, wird ein nicht allzu großes Loch im Portemonnaie nach dem Einkaufen spüren…

  5. Ich frage mich gerade, was Ihr...
    Ich frage mich gerade, was Ihr Einwand für einen Zweck hat. Für mich ist er nichts mehr, als ein typischer „Fleischesser-Einwand“, der immer nach dem selben Schema F abläuft: Nach Fehlern (bei ethisch einwandfreien und unterstützenswerten Projekten) suchen, um sein eigenes Gewissen zu „beruhigen“ und sich dabei selbst in ein möglichst positives Licht rücken. Ich habe auch Pharmazie studiert und frage mich, wo Sie studiert haben bzw. in welcher Apotheke Sie arbeiten, dass Sie so ein Kosmetik-Experte sind, der Sie vorgeben zu sein. Im EuAB sind zwar alle Stoffe aufgeführt, die für Arzneimittel verwendet werden, nicht jedoch alle Stoffe, die in Kosmetika enthalten sind. Seit 2009 sind außerdem Tierversuche für neue kosmetische Rohstoffe in der EU abgeschafft. Der Verkauf von Produkten, deren Inhaltstoffe außerhalb der EU getestet werden, ist in Deutschland ab 2013 verboten (https://www.tierschutzbund.de/tierversuche_kosmetik.html). Nichtsdestotrotz gibt es zahlreiche Hersteller, die bereits jetzt „schon“ penibel darauf achten, dass keine Inhaltsstoffe an Tieren getestet werden oder wurden z.B. viele Produkte von Sante und Logona. Das sind sicher auch all jene Produkte, die bei Veganz zu finden und dort sollten Sie auch schön bleiben. Ich finde den Supermarkt toll und in Berlin – dem V-Mekka – ist er eine echte Marktlücke. Zahlreiche andere Online-Shops sowie ein weiterer bereits erfolgreich laufender „Vor-Ort“-Supermarkt in Dortmund bestätigen den entsprechenden Bedarf in der Bevölkerung. Ich kann nur hoffen, dass es so einen Supermarkt auch bald bei mir in der Nähe gibt. Ich wünsche allen auf diesem Bereich engagierten Leuten auf jeden Fall viel Erfolg!
    Eine vegane Apothekerin 😉

  6. Petra sagt:

    Valess für Vegetarier,...
    Valess für Vegetarier, Tiefkühlpizza für Veganer – Was kommt als nächstes? Maggi für Frutarier?

  7. Christina sagt:

    Bei der Kosmetik geht es wohl...
    Bei der Kosmetik geht es wohl darum, dass die Firma die eben diese herstellt keine Tierversuche macht. Naja und der Autor hat hier auch etwas unsauber formuliert – es geht um vegane Kosmetik – sprich Kosmetik ohne tierische Inhaltsstoffe und Pinsel mit Kunsthaar – nicht lediglich um tierversuchsfrei oder nicht. Lippenpflege ohne Honig und so weiter, nicht wahnsinnig kompliziert.
    Ich war schon im veganz, da ich selbst vegan lebe. Die Preise für die „besonderen“ Lebensmittel sind höher, klar – aber nicht höher als im Onlineversand oder ähnliches. Allerdings muss ich sagen, dass ich durch meine vegane Ernährung nicht zwangsweise mehr Geld ausgebe, da die meisten pflanzlichen Produkte im „normalen“ Supermarkt günstiger sind, als tierische. Naja und man wird gezwungen mehr zu Hause zu essen und im Restaurant sind die fleischlosen Gerichte auch immer günstiger – eine vegane Ernährung muss, selbst wenn man beim Wocheneinkauf insgesamt mal mehr bezahlt, nicht unbedingt teuer sein.

  8. Haben Sie schon von...
    Haben Sie schon von alternativen Testmethoden gehört?(Künstliche Haut, Komputersimulation, in vitro statt in vivo, etc.) Lustig auch, dass es dämnächst ein EU-weites Verbot in Kraft tritt…Ausserdem wäre sinnvoll hier reinzuschauen (siehe Tierversuche und Rohstoffe) https://www.kontrollierte-naturkosmetik.de/richtlinie.htm

  9. Dominik sagt:

    Zu den Preisen mal ein Wort,...
    Zu den Preisen mal ein Wort, es wurde ja bereits im Blog angedeutet: die extrem niedrigen Lebensmittelpreise bei Fisch, Fleisch und sonstigen tierlichen Lebensmitteln gerade in Deutschland aber auch anderen Ländern lassen sich nur durch massivste Ausbeutung von Tieren erreichen. Schweine werden so gehalten, dass die maximale „Ausbeute“ möglich ist – also gerade so wenig Platz, dass nicht zu viele Tiere elendig verrecken, aber eben auch nicht zu viel Platz, weil sich zu viel bewegende Tiere mehr Energie verbrauchen und somit mehr Kosten verursachen. Bei einem Schwein wurden hier 0,7m² ermittelt, in Österreich z.B. wurde das noch weiter „optimiert“ indem Muttersauen in Kastenstände gesteckt werden und einen Großteil ihres Lebens dort verbringen müssen.
    Dieses Prinzip zieht sich durch alle Facetten der Tierhaltung und selbst Tierschutzvorgaben der EU sind lediglich darauf getrimmt, das maximale aus den Tieren rauszuholen. Insofern hier von „Tierschutz“gesetzen zu sprechen ist eine weitere Verhöhnung der anderen Tiere – das einzige was hierdurch geschützt wird, ist der Geldbeutels des Tieres Mensch.

  10. happiiix3 sagt:

    Ich finde die Idee echt super....
    Ich finde die Idee echt super. Vermisse hier in Halle sehr sowas :/ in Berlin ist es so wunderbar einfach vegan zu leben. Aber nervend finde ich, dass man immer wieder dieses Unverständnis hören muss. Was du isst kein Fleisch, Eier, Milch, etc…. ? Diskussionen kommen lustigerweise auch immer wieder von den Menschen, die Fleisch essen ^^ aber Leute mal ernsthaft, jeder isst halt nunmal anders, der eine mag rotkohl, der andere nun mal nicht, genau wie jeder eine andere lieblingspizzasorte hat!
    Ich werde auf jeden Fall, wenn ich das nächste Mal in Berlin bin, Veganz besuchen 🙂

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