Supermarktblog

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Nach jedem Lebensmittelskandal wollen die Verbraucher wissen: Was können wir noch essen? Dabei ist die Frage, wie wir einkaufen, mindestens genauso

Penny verstehen – in nur 3 Minuten

| 29 Lesermeinungen

Nach dem Umbau in Berlin und Köln gibt Penny seinen Kunden einen Korb. Manchen auch zwei oder drei. Die Werbeaktion sollte Leute in die frisch renovierten Läden locken. Dort gibt's jetzt schönere Regale, neu designte Eigenmarken und (angeblich) frischere Produkte. Das Supermarktblog erklärt, was Sie über den Relaunch wissen müssen.

„Ab sofort ist Frische rot“? Echt jetzt?

So steht es zumindest auf den Werbeplakaten, mit denen Penny in Berlin und Köln die komplette Stadt tapeziert hat, als dort die ersten Filialen umgebaut waren.

Das ist dieser Umbau, von dem hier schon äußerst erschöpfend berichtet wurde, oder?

Bitte mal kurz nach oben scrollen: Steht da „Supermarktblog“ über dem Text? Ja? Dann spricht diesbezüglich doch wohl nichts gegen eine erschöpfende Begleitberichterstattung.

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Ist ja schon gut, bloß nicht aufregen. Ich hab auch gehört, Penny hätte seinen Kunden einen Korb gegeben.

Völlig richtig. Manche haben sogar zwei oder drei Körbe bekommen. Das war symboltechnisch natürlich ein bisschen unglücklich, aber als Gag für den so genannten „City Bang“ gedacht. Entgegen aller Erstassoziationen bezeichnet der bloß das ganz große Werbebohei in einer Stadt, mit dem Penny sein Aufmerksamkeitsdefizit überwinden und die Leute in die Läden locken will. Anfang März bekamen Fußgänger (unter anderem) am Berliner Alexanderplatz und am Kölner Rudolfplatz rote Einkaufskörbe geschenkt. Rote, leere Einkaufskörbe. Unnützer geht’s wirklich nicht.

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Ähm, rein hypothetisch gefragt: Wo krieg ich noch so einen Korb her?

Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht in der nächsten Penny-Filiale. Denn da gibt’s, wie in fast jedem Discounter, weiterhin ausschließlich Einkaufswägen.

Eigentlich weiß ich das schon, aber du erklärst es immer so gerne – also: Wozu wird dieser ganze Aufwand nochmal veranstaltet?

Penny ist nur Nummer 4 im Discount-Markt, im Vergleich zur Konkurrenz nicht besonders erfolgreich, aber trotzdem wichtig für Rewe, weil dem Konzern sonst ein paar Milliarden Euro Umsatz flöten gehen. Bisher fehlte Penny vor allem ein Alleinstellungsmerkmal. Marktführer Aldi hat sein Dauerbillig-Image, Lidl seine Aktionstage und Netto (ohne Hund) [Erklärlink] das größte Sortiment. Jetzt will Penny offensichtlich der Discounter mit den schönsten Regalen sein.

Und: hilft’s?

Naja, alleine aufs Umbauen wollte sich die Zentrale wohl doch nicht verlassen und hat gleichzeitig eine „Frische-Offensive“ ausgerufen. Wobei es nicht reichen wird, ein einsames Tiefkühlmöbel mit Smoothies, Fertigsalaten und zuckerigen Kaffeemischgetränken in die Obst- und-Gemüse-Abteilung zu stellen, um die Kundschaft davon zu überzeugen. In Prospekten wirbt Penny auch dafür, „mehrmals täglich ofenfrisch“ zu backen, „täglich frisch beliefert“ zu werden und sowohl Wurst als auch Molkereiprodukte „stets vorrätig“ zu haben. Dabei ist das schon länger eine Selbstverständlichkeit – bei der Konkurrenz. Kann sein, dass Penny sein Angebot im Vergleich zu früher aufgebessert hat. Aber wer zwischendurch auch mal im Supermarkt oder bei Lidl einkauft, der wird das kaum als riesige Verbesserung wahrnehmen. Sondern bloß als: Standard.

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Hab ich das richtig verstanden? Penny möchte mit einem Leistungsversprechen, dessen Kern sich auf eine möglichst geringe Zeitspanne zwischen der Erzeugung und der Bereitstellung eines Produkts im Laden bezieht, verstärkt Geschäftsbeziehungen mit Selbstversorgern aufbauen?

Ja. Und mit „10-Prozent-Entdecker-Rabatt“-Gutscheinen.

Lässt sich das für Statistikfans nochmal in Zahlen zusammenfassen?

Sicher: 2014. 40. 120.000. 300.000.000. 70. 70.

Sehr witzig. Jetzt bitte noch die dazu passenden Buchstaben, Graf Zahl.

Bis Ende 2014 sollen alle Penny-Filialen umgebaut sein. Derzeit werden 40 Läden in der Woche renoviert. Das kostet pro Laden durchschnittlich 120.000 Euro. 300 Millionen soll Rewe insgesamt investieren. 70 unrentable Filialen werden nicht umgebaut, sondern noch in diesem Jahr dicht gemacht. Nochmal 70 werden in Rewe-Märkte umgewandelt oder an Konkurrenten abgegeben. (Schreibt alles die „Lebensmittelzeitung“.)

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Es soll doch auch neue Eigenmarken geben. Sind die gut?

Zumindest sind die alten jetzt schicker verpackt. Das Besondere daran ist, dass künftig überall „Penny“ als Absender draufsteht. Das macht im Discount sonst niemand. Weil bald Ostern ist, wurden die neu designten Produkte praktischerweise in ein Suchspiel integriert. Bisher sind sie im Laden nämlich nur mit viel Geduld zu finden. Stattdessen steht weiter der alte Kram in den Regalen, erst nach und nach tauchen die hübscheren Verpackungen auf – weil die Produkte unterschiedliche Produktionsvorläufe haben.

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Mal angenommen, ich wollte mich jetzt nur von den neuen Penny-Eigenmarken ernähren, dann…

…dann würde ich zunächst einen Termin beim Psychiater empfehlen, und gleich anschließend einen beim Ernährungsberater. Weil allein mit Milch, Paprikachips, Tiefkühllasagne, saurer Sahne und pampigem Kartoffelsalat vermutlich keine adäquate Nährstoffversorgung möglich ist.

Darauf wollte ich ja hinaus. Andere Frage: Penny ist jetzt sozusagen Handelszwitter? Halb Supermarkt und halb Discounter?

Genau darin besteht das Risiko. Weil der Strategiewechsel einerseits helfen wird, sich von den übrigen Discountern zu differenzieren, aber gleichzeitig die Gefahr besteht, dass Penny nicht mehr als gleichwertig günstig wahrgenommen wird und zu dicht an die Rewe-Märkte heranrückt. Ich sag bloß: Milch.

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Mensch, die Milch! Wie einkartonige Zwillinge. Und was sagt die Konkurrenz?

Aldi juckt das vermutlich nicht weiter. Und Netto (ohne Hund) hat in Berlin unter Einsatz sämtlicher Kreativitätsressourcen ein Prospekt mit Niedrigpreisen verteilt, das total doppeldeutig herausposaunt: „Die Pennys können Sie sich sparen!“ Immerhin: Wieder eine Woche Arbeit für einen armen Agenturfuzzi bezahlt.

Die Frage aller Fragen ist ja wohl, ob es sich lohnt, zum neuen Superfrische-Penny zu gehen. Na?

Wer beim Einkaufen gerne allein ist und viel Platz hat, kommt dort sicher auf seine Kosten. Das Problem in Berlin und Köln ist allerdings, dass die Läden jetzt zwar schicker aussehen, alle möglichen Treue-, Frische- und Liebhabversprechen auf die potenzielle Kundschaft abgefeuert wurden – aber zunächst einmal weiter das im Einkaufswagen landet, was Penny schon immer hatte. Das ist ziemlich enttäuschend nach dem ganzen Getöse. Am Bio-Sortiment hat sich auf den ersten Blick überhaupt nichts getan. Der Fertigsalat aus der Tüte sieht ehrlich gesagt auch schon am Morgen so traurig aus, dass man ihn allenfalls aus Mitleid kaufen mag, um ihn der fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Und sowohl die teure Fruchtzuckerpampe als auch die lieblos zusammengepanschten Obstsalate passen nicht zum Discount-Konzept. Selbst wenn da im Laufe der nächsten Monate noch was passiert: Die Leute, die jetzt testgekauft haben, sind dann längst wieder weg.

Und wenn das alles schiefgeht?

Dann dürften, erstens, die Tage von Penny als Teil des Rewe-Konzerns gezählt sein. Und zweitens wird in diesem Fall die erschöpfende Begleitberichterstattung an dieser Stelle ganz neu definiert.

Ohoh, dann drücken wir denen mal fest die Daumen. Anders als versprochen sind die 3 Minuten ja auch längst vorüber.

Diesmal hätten Sie’s aber wirklich ahnen können.

Danke an den Köln-Korrespondenten!

Fotos: Supermarktblog, J. Voß

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29 Lesermeinungen

  1. CaoKy60 sagt:

    Der Werbetexter fuer Netto...
    Der Werbetexter fuer Netto (ohne Hund) konnte oder wollte kein richtiges Englisch, denn der Plural fuer Penny ist immer noch Pennies. Aber das wird auf den ersten fluechtigen Blick fuer einen deutschen Leser wieder zweideutig (Freud laesst gruessen 😉 und dann ist die Anspielung auf die Konkurrenz zugunsten des korrekten Englisch auch erst auf den zweiten Blick klar. Tja … wie waer’s mit „Hier sparen Sie mehr als einen Penny!“ gewesen?!

  2. CaoKy60 sagt:

    Oder noch besser: "Hier geben...
    Oder noch besser: „Hier geben sie keinen Penny mehr aus als noetig!“ Dann verbindet der Lesende unbewusst „ausgeben = Penny,“ also eine negative Assoziation. Der vorherige Vorschlag wirkt leider umgekehrt: sparen = Penny (das „mehr als“ wird nicht richtig wahrgenommen). P.S.: Ihr Blog macht richtig Spass!

  3. anonymus sagt:

    recht einseitige...
    recht einseitige berichterstattung

  4. pschader sagt:

    <p>@anonymus: Wenn Sie geneigt...
    @anonymus: Wenn Sie geneigt wären, Ihre Kritik mit einem Argument zu garnieren, ließe sie sich künftig vielleicht zweiseitiger gestalten.

  5. Aufrechtgehn sagt:

    Toll. Ich liebe, liebe, liebe...
    Toll. Ich liebe, liebe, liebe diesen Blog und ganz besonders die Rubrik „In 3 Minuten verstehen“. Gerade weil es jedesmal mehr als 3 Minuten unglaublich kurzweiliges und hoch informatives Lesevergnügen ist. Gerne mehr, mehr, mehr davon! 🙂
    (Und auf jeden Fall werde ich bei meinem nächsten Berlinbesuch mal so einen neuen, rotfrischen Penny aufsuchen. Was kaufen wohl eher nicht, aber mal mit eigenen Augen sehen.)

  6. Aufrechtgehn sagt:

    <p>Oh, und was die...
    Oh, und was die „einkartonigen Zwillinge“ bei der fettarmen Milch angeht, muss ich natürlich bemerken, dass die Rewe-Milch 1,8% Fettarme hat, die Penny-Milch derer aber nur 1,5%. Wenn das kein Discount-Beweis ist, dann weiß ich’s nicht… ^^

  7. pschader sagt:

    @Aufrechtgehn: Erwischt. (Und:...
    @Aufrechtgehn: Erwischt. (Und: freut mich!)

  8. westernworld sagt:

    "Dann dürften, erstens, die...
    „Dann dürften, erstens, die Tage von Penny als Teil des Rewe-Konzerns gezählt sein.“
    die daseinsberechtigung von penny leuchtete mir noch nie so richtig ein, vielleicht greift diese einsicht ja dann auch bei rewe. penny ist für rewe was treff3000 für edeka ist da aber keiner weiß wozu.
    was die penny-milch angeht möchte ich den strategen der diese verpackung gestaltete im namen der kundschaft vorbeugend ohrfeigen. der mittig angebrachte ausguß ist ein patentrezept für alle möglichen einschenkdesaster.

  9. "Wer beim Einkaufen gerne...
    „Wer beim Einkaufen gerne allein ist und viel Platz hat, kommt dort sicher auf seine Kosten.“ Hihihi, Herr Schader, Sie haben mich durchschaut.
    Unser Penny in Konstanz sieht übrigens (leider) noch genauso aus wie immer, aber seitdem diese Looney Tunes Sammelsticker verteilt werden (2 Stück für 15 € Einkauf), ist es dort deutlich voller als in den letzten Monaten. Das Konzept scheint zu greifen, anders als die Sammelpunkte für Weingläser, die vorher dran waren. Alle Kinder aus unserem Kindergarten sammeln diese Bilder, und meine Kinder zwischen 3 und 11 sind allesamt ganz heiss drauf. Ich ertappe mich auch dabei, nun eher dort als bei Kaufland, Edeka und Aldi ein paar Dinge zu kaufen, damit sich der Nachwuchs freut. *Ende der Abschweifung*.

  10. pschader sagt:

    @westernworld: Ohne den...
    @westernworld: Ohne den Penny-Umsatz würde Rewe hinter Metro und womöglich auch Schwarz (Lidl/Kaufland) zurückfallen. Wären Sie gerne der Konzernchef, der das beschließt?

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