Unter den vielen Schauen der noch bis zum 22. Januar dauernden Berliner Fashion Week ist in diesem Jahr eine ganz ungewöhnliche. Heute abend zeigte das Label „Hutup” vierzig Outfits der neuen Kollektion ihrer Designerin Christine Birkle. Lange hat die so stille wie phantasievolle Modeschöpferin ihre Kleider und Accessoires nicht mehr auf einem deutschen Laufsteg vorführen lassen. In Paris und Japan hingegen, in den gutsortierten New Yorker Häusern für Luxusmode, und in zahlreichen Museen für Kunst und Gewerbe sind ihre Modelle seit langem vertreten. Bereits 1993 gründete Christine Birkle ihr Modeunternehmen nach einem Studium an der HdK (heute Universität der Künste) und eröffnete ein Geschäft in den sich eben belebenden Heckmannhöfen unweit der Synagoge. Ein paar Strassen weiter befindet sich ihre Manufaktur.
In der lichtdurchfluteten Halle herrscht die Atmosphäre eines großen Künstlerateliers. Hier stellt Christine Birkle mit ihren Mitarbeiterinnen die Kleidungsstücke, Hüte und Taschen her – allein aus feiner ungesponnener, gefärbter Wolle, Wasser und der richtigen Seife. Kostbare Stoffpartien werden so eingefilzt, dass keine der Blusen, Röcke oder Kleider jemals mit Nähnadel und Faden in Berührung kommt, allein der weiche, zarte Filz fügt sich zur Naht und verbindet Gewebe. Das dauert – in stundenlanger tief konzentrierter Handarbeit entstehen unverwechselbare Stücke. Man sollte sie als Kunstwerke bezeichnen, aber das würde den Eindruck erwecken, sie ließen ihre Trägerinnen hinter ihrem auffälligen Design verschwinden oder als eine Person erscheinen, die um jeden Preis Aufsehen erregen möchte. Doch das Gegenteil ist richtig. Kleider von „Hutup” lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Menschen, sie lassen Frauen durchaus feminin und zart aussehen, aber erkennbar zeitgenössisch. Sie schmiegen sich mit perfektem Komfort an die Körper, man fühlt sich, als hätte man nie etwas anderes getragen und als wäre das einfach die Arbeitskleidung moderner Feen. Es sind aus allen diesen Gründen auch Kleider für Tänzerinnen, so liebt bekanntermaßen Sasha Waltz Christine Birkles Kreationen und hat sie schon für mehrere Produktionen als Kostümbildnerin eingeladen.
Man kann Birkles Kleider auf einer Bühne tragen, aber sie brauchen absolut keine. Tageslicht läßt sie vielleicht am schönsten aussehen, aber in Wirklichkeit überraschen sie immer aufs neue mit ihrer Fähigkeit, abends und morgens getragen werden zu können, auf dem Land und in der British Library. Wenn man ein gutes Auge hat, darf man sie wild kombinieren mit allem anderen, das man im Schrank hat. Schuhe sind vielleicht das Heikelste dabei. Mit Stiefeln und FlipFlops oder sanften Sandalen kommt man aber immer zurecht.
In der neuen Kollektion spiegelt sich wiederum auf neue Weise das ganze Spektrum dessen, was Birkles Imgaination aus diesen Werkstoffen zu zaubern vermag. Keines ihrer Kleider ist nach einem strikt umzusetzenden Entwurf gefertigt, sondern verändert sich während des Prozesses im Dialog zwischen der Modeschöpferin und ihren Materialien.
Streifen von Stoff und Filz können einander abwechseln. Bunte Seide hat sie – wie oben auf der Einladung abgebildet – mit schwarzem Filz zu Teilen verarbeitet, die von Schmetterlingen wie von Kirchenfenstern inspiriert zu sein scheinen. Was Pailletten an einigen Teilen, sind Schlitze an anderen:
Die Schlitze geben klassisch geschnittenen Mänteln einen reizvollen Aspekt und passen darum wunderbar über die vielen Abendkleider der Kollektion. Gelegenheiten? Die finden sich, und wenn das zu lange dauert, erschafft man welche. Neugierig? Schau verpaßt? www.hutup.de