„Une vie de ballets” heißt Marlène Ionescos 2011 bei BelAir erschienener Film über die französischen Tanzstars Pierre Lacotte und Ghislaine Thèsmar. Ein Leben lang teilten die beiden nicht nur ihr Domicile conjugal, Tisch und Bett, wie Francois Truffaut seine 1970 gedrehte Fortsetzung des Antoine-Doinel-Zyklus nannte, sondern auch das Wissen, nichts interessanter zu finden als Tanz. Es war die Zeit. Die besondere, noble französische Schönheit der jungen Tänzerin Thèsmar ähnelt verblüffend der von Truffauts Hauptdarstellerin Claude Jade, die er entdeckte und Jean-Pierre Léaud an die Seite stellte, als sie neunzehn Jahre alt war. In „Domicile Conjugal” liegt sie als Christine im Bett neben ihrem Ehemann und liest eine dicke Nurejew-Biographie, woraufhin der egozentrische Antoine Doinel eifersüchtige Gefühle gegenüber dem Star pflegt – obwohl Christine Nurejew noch nie gesehen, geschweige denn getroffen hat.
Von den frühen Balletten, in denen Lacotte und Thèsmar zusammen tanzten – wie „La Voix” (ballet en hommage à Edith Piaf) überträgt sich der magische Bund der beiden als elektrisierender Impuls in ihren Tanz. Fügung des Schicksals, glaubt Thèsmar, war ihre Begegnung mit Lacotte: „Jede”, sagt sie im Film aus dem Off, „braucht einen Pygmalion, jemanden, der da ist, wenn man selbst an sich zweifelt.” Sie habe ihn immer in Erstaunen versetzen wollen, überraschen, und davon habe ihr Privatleben auch so enorm profitiert – dass jeder sich immer auf der Höhe der Erwartungen des anderen befand
Ghislaine war neunzehn Jahre alt, als sie Pierre Lacotte begegnete. Sie fühlte bald, wie wichtig seine Meinung, seine Protektion für sie waren und nicht lange, dann entdeckten sie, dass keiner ohne den anderen leben wollte und heirateten. „Ghislaine wurde meine Muse, meine Frau, die Frau mit der ich mein Leben lang, meine Karriere teilte.”
Das gemeinsame Landhaus bildet einen lebenslangen Rückzugsort der beiden. Im Film sitzen die beiden im Garten beim Kaffee, Ghislaine raucht ein Zigarillo. So haben französische Paare bereits fünfhundert Jahre zuvor beisammen gesessen.
Als Kind, erzählt Pierre in einem der großartigen Interviews, aus denen dieser Film neben Dokumentaraufnahmen besteht, sei er sehr krank gewesen und allein die Musik war ihm Nahrung, schenkte ihm joie de vivre. Und mit sieben Jahren war es soweit – da nahm seine Mutter ihn zum ersten Mal mit in die Pariser Oper und er hörte zum ersten Mal ein Orchester im selben Raum spielen, und der Vorhang hob sich und da stand Serge Lifar und das Ballett hieß: „Giselle”. Lacotte, sieben Jahre alt: Das ist es, ich werde Tänzer und ich werde diesem Theater angehören.
So kam es dann auch. In den fünfziger Jahren tanzte er die Hauptrollen an der Pariser Oper und war Direktor seiner eigenen „Ballets de la tour Eiffel” im Théatre aux Champs-Elysées.
1976 wurde Thèsmar seine Ophelia in „Hamlet”.
Thèsmar war vierzehn Jahre, als sie, bereits im Ballettunterricht, in Casablanca, wo sie lebte, im Kino Filme mit Galina Ulanova sah und plötzlich wußte, was es heißt, sein Leben dem Tanz zu widmen und dass sie nichts anderes wollte. Und was wurde aus den beiden? Der berühmteste Rekonstrukteur romantischer Ballette und eine der bevorzugten Ballerinen George Balanchines, der sie häufig als Gast nach New York einlud und ihr Guerlains „L’heure bleue” schenkte. Er wußte gerne schon im Fahrstuhl, welche seiner Tänzerinnen das Theater schon betreten hatten… (das kommt aber nicht in diesem Film vor). Bien à découvrir…
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