Es ist so gut, so passend aber auch, dass die Postmoderne des Tanzes gerade ins Museum einzieht, wohin auch sonst, wegen der geschwisterlichen Nähe des Tanzes und der Bildenden Kunst in dieser Epoche, wegen der Formate, der Ideen, die allesamt so viel besser aufzunehmen und einzuordnen sind, wenn der Betrachter selbst umhergehen, wegschauen, abschalten, zurückkehren darf, anstatt, wie im Theater, in seinen Polstersessel gedrückt verharren zu müssen bis zum Ende der Vorstellung. Museen, bitte nehmt doch alles mit, was heute, gefördert oder nicht gefördert durch den „Tanzfonds Erbe” der Bundeskulturstiftung, alles, was total noch mal die Postmoderne untersucht, befragt, in „Re-Enactments” vor das Auge des spätgeborenen Tanzpublikums ruft, selbstverständlich noch ein bißchen spröder und weniger sexy, als das Original: Nehmt sie, Museen. Doch, hoppla, Fremdwort, was bedeutest du? Auf der Website www.furor-normannicus.de/ger/info/reenact.html wird klar, was dieses Nachstellen von Camp überhaupt soll. Die Re-Enactments der ersten Stunde machten eigentlich die Mittelalter-Spieler, Leute, die sich am Wochenende gerne als Ritter, Burgfräulein und weniger hochgestellte Mitspieler verkleiden, um mit Bogen schießen zu dürfen, Feuer machen zu können, Leute, die gerne Stockbrot grillen und auf matschigen Wiesen umhergehen. Ich zitiere: „Die Konzepte von Re-Enactment und Living History umfassen die historisch orientierte Darstellung von ehemals real existierender Kleidung, Gerätschaften und Lebensweisen. Anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Quellenmaterial wird versucht, ein realitätsnahes Bild von der Lebensweise und Ausstattung einer bestimmten historischen Personengruppe darzustellen”. Na, genau. Darum, anstatt auf der Spur von Rittern und Schwertern, verfolgt noch bis zum 9. April das Kunsthaus Bregenz das Schaffen der amerikanischen Tänzerin, Choreographin, Filmemacherin Yvonne Rainer, die mit ihren Freunden und Kollegen in den sechziger Jahren Turnschuhe anzog und dann zwar auftrat vor Publikum, aber dabei gerne zu Boden schaute und die Idee eines Publikums und einer von jenem erwarteten Vorführung total igitt fand.
Damals muß das wahnsinnig gewirkt haben, richtig toll. Das Problem mit dieser Art von „Publikumsbeschimpfung” (Peter Handke) ist bloß, dass sie beim ersten Mal am stärksten wirkt und dann nicht mehr so und wenn man sie re-enacten will (Jeden der nächsten Sonntage noch nachmittags im Kunsthaus Bregenz zu überprüfen, ist ja eine Live-Ausstellung), dann muß man damit leben. Dass das Publikum die Pointe des Ganzen – dass es nämlich keine gibt außer dem „Ätsch, wir führen dir nix Virtuoses vor, obwohl du bezahlt hast” – schon kennt, nimmt gegenüber den Ritterspielen so ein hißchen den Witz aus der Sache. Noch bis zum 29. April läuft im ZKM Karlsruhe „ Moments. Eine Geschichte der Performance in zehn Akten”, im Kunsthaus Bregenz endet zwar am 9. April die Ausstellung „Yvonne Rainer. Raum. Körper.Sprache”, aber vom 28. April bis zum 29. Juli wird sie im Kölner Museum Ludwig gezeigt.
Also, man muß das schon verstehen. Damals fanden bestimmte Choreographen virtuose Tänzer, die Rollen verkörperten, bei der Arbeit lächelten und sonstwie zu erkennen gaben, dass ihnen der total entfremdete Anteil an ihrer Arbeit gar nicht bewußt war, sondern womöglich noch Spaß machte, echt problematisch.
Im Frühling 1965 machte Yvonne Rainer „Parts of Some Sextets”, in denen einige Ikonen der sechziger Jahre zu sehen waren: Lucinda Childs (Robert Wilsons Lieblingstänzerin), Sally Gross, Deborah Hay, Tony Holder, Robert Morris, Steve Paxton, Yvonne Rainer selbst, Robert Rauschenberg, Joseph Schlichter.
Der Katalog offenbart, wie schwer es damals gewesen sein, so etwas Sprödes zu legitimieren: „Das Stück für zehn Performer und zwölf Matratzen besteht aus vier Teilen: We shall Run, Part of a Sextet, New Untitled, Solo with Pink T-Shirt, und Parts of Some Sextets. (…) Über die Probenarbeit schreibt Rainer: „Es stellte sich als trockene und mühsame Arbeit heraus, was teilweise auf die Länge und Monotonie der Wiederholungen zurückzuführen war. Da es keine ‘organische’ oder kinästhetische Kontinuität gab, fanden einige von uns es außerordentlich schwierig, (das Stück) einzuüben, und lernten es schließlich wie Multiplikationstabellen oder historische Daten auswendig.”
Immer schön fleißig, Tänzer von heute beim Re-Enactment. Irgendwann wird es doch leichter, sich etwas Eigenes auszudenken.