Aufforderung zum Tanz

Aufforderung zum Tanz

Was sie schon immer über Tanz hätten wissen wollen können und bisher nicht auf die Idee kamen zu fragen.

Damien Jalet, einer der besten Männer in Strumpfhosen

  „Into Life" heißt eine Installation von Jim Hodges aus dem Jahr 2011: „Seide, Baumwolle, Polyester und Faden, Dimensionen variabel". Das...

 

„Into Life” heißt eine Installation von Jim Hodges aus dem Jahr 2011: „Seide, Baumwolle, Polyester und Faden, Dimensionen variabel”. Das Foto auf der Seite der New Yorker Galerie von Barbara Gladstone (www.gladstonegallery.com/hodges.asp?id=1752) zeigt ein rosafarbenes Herrenoberhemd ( erklärt womöglich den Polyesteranteil des Kunstwerks), das gefüllt zu sein scheint mit einer bunten Mischung von Kunstblumenblüten, die an den Öffnungen des Hemdes für Arme und Kopf herausquillen und Hände, Kopf und Unterkörper nachbilden, oder ersetzen. Jim Hodges, geboren 1957 in Spokane, Washington, zeigte in seiner letzten Ausstellung bei Gladstone, vor Weihnachten des vergangenen Jahres zuende gegangen, mannshohe Gesteinsbrocken, die er stellenweise metallen schimmernd und spiegelnd in verschiedenen Farben überzogen hatte. In einer Performance an drei Dezembertagen belebten die Tänzer Damien Jalet und Alexandra Gilbert zwei andere Installationen von Hodges im Rahmen dieser Ausstellung.

Der Film dazu ist jetzt fertiggestellt https://jimhodges.com/ damienjalet/ gladstoneperformance/ny2011

Das Video der Performance dauert eine halbe Stunde und man sollte es in einem abgedunkelten Ort, vielleicht mit Kopfhörern anschauen, so dass man nicht abgelenkt werden kann und sich fast wie in der wirklichen Vorstellung fühlt. Man versteht dann sofort, welche ästhetischen Interessen diese Künstler zusammengebracht haben. Wie die Kunstwerke von Hodges erzeugt der Tanz von Damien Jalet einen in ihrer beider Welten ungewöhnlichen Ernst, eine Materialität, Intensität und Schönheit, die sofort auf ihre Themen hinlenken: Die Gegensätze von Natur und Kunst, von Liebe und Verlust, Leben und Sterblichkeit. Was ist der Schöpfungsakt, wie ist Leben entstanden und wie kann eine Kunst der Gegenwart über die Postmoderne hinausgehen, ohne naiv zu wirken, aber fest in dem Willen, die Figürlichkeit zurückkehren zu lassen, die Konditionalität allen Tuns nicht nur zu akzeptieren, sondern anzuerkennen und zu dokumentieren.

Das muß man gesehen haben, wie im ersten Teil Gilbert, in Paris und Angers ausgebildet und Tänzerin bei Sidi Larbi Cherkaoui, sich mit nackten Füßen in ihrem langen Kunsthaar verstrickt, während aus einem tiefen Wasserloch in felsigem Untergrund eine Discokugel aufsteigt und das rundum abschließende Schwarz in ein sternenglänzendes Firmament verwandelt. Das ist Teil 1, die Schöpfung, und in Teil 2 verknäulen sich Jalet und Gilbert in einem weißen Raum, von dessen unsichtbarer Decke Farbe tropft und auf dem Boden schon eine Pollocksche Dripping-Schicht gebildet hat, ineinander wie zwei urzeitliche Gottheiten. Im Nullkommanichts ist aus den einzelnen Farbflächen auf den Boden eine zweite Haut geworden, aber in jenem schlammfarbenen Mischton aller farbigen Pigmente. Haben die Menschen aus der Farbvielfalt des Universums durch ihre Interventionen ein Einerleidreckbraun gemacht, oder drückt das nur die Unberechenbarkeit und rein zufällige Schönheit im Ergebnis aller menschlichen Anstrengungen aus?  Bild zu: Damien Jalet, einer der besten Männer in Strumpfhosen Foto: Alfredo Plola 

Jalet, den solche Fragen von Stück zu Stück treiben, ist einer der besten zeitgenössischen Tänzer und Choreographen. Der französisch-belgische Künstler ist der engste Mitarbeiter von Sidi Larbi Cherkaoui, für dessen großartiges Stück „Babel” er zuletzt mitverantwortlich zeichnete. In „Tezuka”, Cherkaouis Stück über den berühmten japanischen Manga-Zeichner, ist er einer der charismatischsten Tänzer. Ob er mit der isländischen Tänzerin, Choreographin und Rock-Sängerin Erna Omarsdottir zusammenarbeitet oder in einem Video der Band „Florence and the Machines” auftritt, ob er mit dem belgischen Modeschöpfer Bernhard Willhelm (Men in Tights) kooperiert oder ein neues Stück mit Cherkaoui und der Künstlerin Marina Abramovic plant für die Pariser Oper, man sollte keinen dieser unvergleichlichen Auftritte verpassen. https://www.damienjalet.com/

Bild zu: Damien Jalet, einer der besten Männer in Strumpfhosen

Foto: Christian Lartillot