Royston Maldoom hat freundlicherweise auf den Blog „Bühnenreif in Dortmund – Tanzen lernen ab 55″ ausführlich reagiert. Seinen englischen Brief gibt diese Übersetzung wieder.
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Juni 2012, 19: 48
Ich habe lange darauf gewartet, dass jemand mal erklärt, was „Community Dance” von „Tanz in Schulen” unterscheidet. Natürlich ist das Tanzen mit Schulkindern Teil der Arbeit, aber, wie ich seit langem in nahezu jedem Interview ausgeführt habe, meint „Community Dance”, gemeinschaftlicher Tanz, das Tanzen mit jedem, überall und jederzeit und unterscheidet nicht zwischen Fünfjährigen und Neunzigjährigen.
Trotz der hervorragend dokumentierten Arbeit von Mary Wigman, Rudolf von Laban und anderen in Deutschland, Österreich, Prag, oder Budapest und der Anzahl der Praktizierenden im Tanz mit Laien aller Altersstufen, scheint der Fokus in Deutschland jetzt einzig und allein auf der Tanzpraxis in Schulen zu liegen.
Doch erstens gibt es hunderttausende in Deutschland, die nicht zur Schule gehen, zweitens ist es mit das Aufregendste, die positive Verwandlung von Menschen mitzuerleben, die an generationenübergreifenden Tanzaktivitäten teilnehmen. Es ist sehr gut, von Menschen zu hören, die die herkömmlichen Altersschranken durchbrechen, da sie als Individuen kaum wahrgenommen werden.
Die drei wichtigsten Projekte, die ich in Deutschland mit Kollegen initiiert habe – „Making A Move” in Hamburg, „Kids and Youth and Adult Dance Company” in Marl und „ResiDance”, Detmold, sowie „Tanz Die Toleranz” in Wien, sind alle altersinklusiv und werden inzwischen von lokalen Tanzkünstlern weitergeführt. In London existiert nach wie vor die „Company of Elders”, die ich in den späten achtziger Jahren gründete – die „Compagnie der Älteren” gibt Vorstellungen, erscheint in TV-Dokumentationen und geht auf Tournee. Mitte der neunziger Jahre nahmen Mitglieder des Ensembles teil mit uns am Duisburger „Akzente European Youth Festival” im Rahmen des „8 to 80’s”-Programm von Ulla Weltike, unterstützt von Dr. Konrad Schilling, dem damaligen Duisburger Kulturdirektor.
Vielleicht war es der Moment, als der Film „Rhythm is it!” in die Kinos kam und gleichzeitig die deutschen Ergebnisse der Pisa-Studie veröffentlicht wurden, der zur Über-Identifizierung von Community Dance und Schulen führte.
Es gibt großartige Projekte bei „Tanz in Schulen” in Deutschland, und ich habe an vielen von ihnen mitgearbeitet, aber ich frage mich noch immer, warum es so schwer ist, Projekte außerhalb von Schulen anzustoßen. Während meiner Jahre im englischen Community Dance, speziell während ich „Dancer -Artist in Residance for Fife Region, Scotland” war, fanden alle unsere Klassen, Workshops und Aufführungen außerhalb von Schulen statt, an den Abenden und Wochenenden, und alle längeren Projekte in den Schulferien, und die Verpflegung all dieser Leute aller Altersstufen und Fähigkeitsgrade und von allen Strassen des Lebens war ein Vollzeitjob für mein Team und mich. Wenn ich so etwas Produzenten in Deutschland vorschlage, heißt es immer, in Deutschland fahren alle in den Ferien weg. Nein, nicht alle Leute tun das, nicht alle können sich das leisten, sicher nicht in allen Ferien und die ganze Ferienzeit hindurch. Viele Kinder wissen gar nicht, was Verreisen ist, und der Entwicklung des ökonomischen Klimas nach zu schließen, werden es noch mehr werden.
Also, tanzt weiter, Senioren. ..mir als Siebzigjährigem wird keiner sagen, ich sei zu alt zum Tanzen!
Herzlich,
Royston Maldoom
Der britische Choreograph Royston Maldoom wurde weltbekannt durch den Film „Rhythm is it!”. Eine ausführliche Biographie des wichtigsten Protagonisten der „Dance for everyone” Bewegung und viele Informationen über Projekte weltweit findet man auf www.royston-maldoom.org
Seine nächsten Vorhaben:
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Workshops für Erwachsene in Berlin am 29. und 30. Juni mit seiner langjährigen Mitarbeiterin Tamara McLorg. McLorg ist bekannt für ihre phantastischen Workshops und Aufführungen hinter verschlossenen Türen für türkische und nicht-türkische Frauen in Wien.
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In der zweiten Juliwoche ist Maldoom bei „ResiDance” in Detmold, als Gast des zweiten Jugendtanzfestivals, das er vor fünf Jahren mit der Peter-Gläsel-Stiftung gründete. Das beeinhaltet Kurse für Erwachsene und Erwachsene mit Lernschwierigkeiten, örtliche Teilnehmer der Detmolder „Dance-Residency” Programme und Partnerjugendgruppen aus Wien, Nordirland, und dem Norden Englands. McLorg wird dort Ballett für erwachsene Anfänger unterrichten.
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Von dort gehen beide direkt nach Wolfenbüttel um ihren jährlichen Dreitages-Workshop für Erwachsene zu geben.
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In der dritten Juliwoche geht Maldoom nach Peru zu einer Gala, die ihn feiert für vierzig Jahre als Choreograph und Unterstützer des kleinen „Ballet del Universitario Major de San Marcos” in Lima, und gleichzeitig das zehnjährige Jubiläum von „Danza de la Esperanza”, das er mit der Company gründete für die Kinder aus den ärmsten Vororten von Lima. Fünf Wochen wird Maldoom dort arbeiten.
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In der zweiten Augustwoche reist Maldoom für sieben Wochen nach Shanghai, um seine Fassung für Kinder von Strawinskys „Feuervogel” chinesischen und deutschen Kindern neu einzustudieren. Das ist die vierte Wiedereinstudierung nach der in Saarbrücken, jener mit Roma-Kindern für das Ionesco-Festival in Bukarest und zuletzt mit dem Russischen Nationalorchester in Moskau.
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Nach seiner Rückkehr aus Shanghai bereitet sich Maldoom auf Wien vor, wo er in einer alten Brotfabrik im zehnten Bezirk mit McLorg ein Dreijahres-Pilotprojekt beginnt. Das soll zu einem Ein- oder Zweijahres-Grundkurs führen, der als Brücke dienen soll für junge Community-Tänzer, die aus ihrem Hobby einen Beruf machen wollen. McLorg und Maldoom mußten feststellen, dass die jungen Leute aus ihren Community Dance-Gruppen sich schwertun, beim Übergang in die gutbürgerliche Atmosphäre professioneller Tanzschulen.