Aufforderung zum Tanz

Aufforderung zum Tanz

Was sie schon immer über Tanz hätten wissen wollen können und bisher nicht auf die Idee kamen zu fragen.

Happy Merce Day oder 10 Regeln für Studenten und Lehrer

Heute wäre der 2009 verstorbene Choreograph Merce Cunningham 94 Jahre alt geworden. Warum Frankreich jetzt Cunningham-Technik studiert sowie 10 Regeln von John Cage, nicht nur für Tänzer

© mercecunningham.orgProbieren geht über Studieren. Weise Ratschläge des Mannes, der 4:33 komponierte.

Heute vor vierundneunzig Jahren wurde in Centralia, Washington, Merce Cunningham geboren, Intellektueller, Künstler, lyrischer Tänzer von außerordentlicher Begabung,  Erfinder einer 1944 ganz neuen Tanzsprache, die bis heute zum Schönsten und Ungewöhnlichsten zählt, das Zweifüßer auf einer Bühne tun können.

Im Juli vor vier Jahren ist Merce Cunningham gestorben. Leider haben sich die Mitglieder des Cunningham Trust nicht umstimmen lassen und die Merce Cunningham Dance Company zum 31.12.2011 vollständig aufgelöst. Robert Swinston, Merce Cunninghams letzter Assistent und der künstlerische Direktor der MCDC nach dem Tod des Choreographen, hatte Pläne ausgearbeitet, wenigstens mit einer kleinen Repertory Group von vier oder fünf Tänzern darin fortzufahren, das Repertoire lebendig zu erhalten, mit Künstlern, für die Merce Cunningham noch Werke geschaffen hatte.

Der Trust aber blieb hart in der Ablehnung dieses Vorhabens, darin unterstützt durch die französischen Promoter und Veranstalter, die einflußreiche Grande Dame, Agentin Bénedicte Pèsle und die Tanzprogramm-Leiterin des Théâtre de la ville, Claire Verlet. Doch Swinston meint anders als sie, Merce Cunningham habe nicht selbst darauf bestanden, die Company aufzulösen, sondern er habe das Gegenteil nicht gewollt: Den künstlichen Erhalt eines Ensembles, für das keine neuen Werke mehr entstehen können und dass darum sehr wahrscheinlich auch bald in finanzielle Schwierigkeiten geraten wäre. Was Merce Cunningham aber sicher nicht habe verhindern wollen, seien Initiativen einzelner Tänzer, die Cunninghams Werke tanzen, zeigen, einstudieren, weitergeben, erläutern, unterrichten möchten. Swinston unterrichtete seit Januar im Lincoln Center Klassen in Cunningham-Technik, das war alles, was ihm in New York zu tun blieb. Nun aber haben die Dinge eine ganz neue Wendung genommen. Unter Umgehung von Verlet und Pèsle haben französische Freunde und verantwortliche Kulturpolitiker eine Entscheidung herbeigeführt, die dem großen Einfluß, den Merce Cunningham auf den französischen Tanz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgeübt hat, Reverenz erweisen. Seit diesem Frühling leitet Robert Swinston das „Centre national de la danse contemporaine“ in Angers, eine Institution die zu den Centres nationaux chorégraphiques Frankreichs gehört. Man könnte sagen, das Erbe Merce Cunninghams lebt in Frankreich weiter, wunderbarerweise, und auf Anordnung des französischen Ministeriums für Kultur und Kommunikation. Perfekt. Swinston, der seine Tänzerkarriere 1972 in der Martha Graham Dance Company begann (wie Merce Cunningham), und bei der José Limon Dance Company und der Kazuko Hirabayashi Dance Theatre arbeitete, bevor er 1980 zu MCDC wechselte, ist bis heute eine charismatische Bühnen-Erscheinung. Seine pädagogischen Fähigkeiten stehen den künstlerischen in nichts nach. Seit Jahrzehnten ein gefragter Lehrer, wird er die Tanzausbildung und die choreographischen Projekte in Angers sicherlich auf ein ganz neues Niveau heben. In seinem neuen Büro könnte dann eine Kopie dieses Zettels hängen, der

„Zehn Regeln für Studenten und Lehrer von John Cage“.

Regel 1: Finde einen Ort, dem du vertraust und versuche, dieses Vertrauen eine Weile aufrechtzuerhalten

Regel 2: (Allgemeine Pflichten von Studenten)
Quetsche alles aus deinem Lehrer heraus
Quetsche alles aus deinen Kommilitonen heraus

Regel 3: (Allgemeine Pflichten von Lehrern)
Quetsche alles aus deinen Studenten heraus

Regel 4: Betrachte alles als Experiment

Regel 5: Sei selbstdiszipliniert. Das bedeutet, finde jemand Weisen oder Klugen und beschließe, diesem zu folgen. Diszipliniert zu sein heißt, auf eine gute Weise zu folgen. Selbstdizipliniert zu sein heißt, auf eine bessere Art zu folgen.

Regel 6: Folge dem Anführer. Nichts ist ein Fehler. Es gibt kein Siegen oder Verlieren. Es gibt nur das Machen.

Regel 7: Die einzige Regel heißt: Arbeite. Wenn du arbeitest, wird das zu etwas führen. Es sind die Leute, die die ganze Zeit arbeiten, die schließlich etwas erreichen. Du kannst die Fans täuschen – nicht aber die Spieler.

Regel 8: Versuche nicht, zur selben Zeit etwas zu erschaffen und es zu analysieren. Das sind verschiedene Prozesse

Regel 9: Sei glücklich wann immer du kannst. Empfinde Freude. Es geht leichter als du denkst.

Regel 10: Wir brechen alle Regeln, selbst unsere eigenen, und wie machen wir das? Indem wir genug Raum lassen für unbekannte Faktoren.

Nützliche Hinweise:

Sei bei allem dabei.
Komme zu allem, gehe zu allem.
Gehe immer in den Unterricht.
Lies alles was dir in die Hände fällt.
Sieh dir Filme gründlich an und häufig.
BEHALTE ALLES. Es könnte dir später einmal nützlich sein.