Sehen wir das alles mal so. Soll ich mein Auto auf Bio-Gas umrüsten? Oder dazu stehen, einen Wagen zu fahren, den Jäger, Bauern, Profigolfer und Leute, die gerne am Rande von englischen Open-Air-Festivals picknicken, brauchen, Personen, denen Benzinpreise noch nie etwas bedeutet haben. Seit Sigmund Freud wissen wir, dass keine dieser Entscheidungen unschuldig ist, seit Roland Barthes legen wir nicht mehr jeden auf die Couch, dessen Konsumentscheidungen wir anzweifeln, aber wir lesen – das alles sind Zeichen! – im Benutzer, im Käufer. Viel Spaß dabei inzwischen. Das ist gar nicht mehr so einfach wie in den achtziger Jahren, als ich von Barthes lernte. Programme daraus zu entwickeln, ist wahrscheinlich unmöglich. Menschen behaupten dass, weil man mit dieser Behauptung Geld verdienen kann. Viel Geld. Denn eigentlich gilt: Nur eines, eine, einer sein, gibt’s gar nicht. Sie fahren Range Rover? Dann könnte man Ihnen auch die Originalausgabe von Churchill’s Memoiren verkaufen, Ostern im Festspielhaus Baden-Baden und Sie würden auch bei Penhaligon’s eine Kundenkarte anlegen lassen. Alles total falsch, eine totale Werber-Fantasie. Konsistente Konsumenten gibt es sowenig wie konsistente Berufsbilder. Nur Schauspieler? Nur Theater? Nein mindestens Fernsehen dazu. Nur das? Nein, Kochbücher schreiben, Handtaschen designen, vier Kinder großziehen, Werbeverträge abschließen, in Talkshows von seinen Trennungen und Schönheitsoperationen erzählen, das alles ist Pflicht. Für Tänzer gilt dasselbe, und das, obwohl sie viel weniger Zeit haben. Sie bauen Webseiten, – wie Jozef Varga, Erster Solist und Star des Niederländischen Nationalballetts. Networkdance.com liefert wichtige Informationen für Tänzer, Auditionstermine, Adressen, Tips, Möglichkeiten sich zu präsentieren, andere zu kontaktieren, etc. Diana Vishneva, internationaler Superstar und eine der Lieblingstänzerinnen von Alexej Ratmansky, entwirft Trainingskleidung.
Entwirf dich selbst, und entwirf Dich so, dass andere sich nach deinem Vorbild umgestalten wollen. Die Obligation, sich selbst als Marke zu definieren, beinhaltet, diese Marke so weit wie möglich auszubauen. Das haben auch die Fitness-Trainer verstanden. Das Leben als Fitness-Trainer sieht nicht mehr so aus, dass man seine geschätzten Privatkunden diskret betreut und die vollen Kurse genießt. Das war persönliche Anwesenheit, old school. Der nächste Schritt besteht aus DVD’s und Büchern, Fernsehsendungen und Online-Kursen. Leute zahlen dafür, dass sie im Internet den Kurs verfolgen und sich dabei alleine zuhause abquälen, was einen hohen Grad an Selbstdisziplin erfordert, denn die soziale Kontrolle durch den Lehrer und die anderen Schüler entfällt.
In Analogie zu jedem anderen Format, das heute ….by Heidi Klum genannt wird, nennt die „ehemalige Tänzerin“ (Ich liebe diese biographische Angabe. Bei wem von uns wäre sie falsch? :))
nennt eine neue Hollywood-Fitness-Trainerin ihr Buch „Body by Simone“. Kauf das Buch und turn dich stark, bis alle fragen, o Apollo, o, Apollos Muse, wie hast du das gemacht? WER hat das gemacht, lautet die richtige Frage. Es war Simone und ihre unvergleichliche Mischung aus BALLETT, Cardio und Kraftübung, mit der hat sie noch jeden Star so flexibel, ausdauernd und muskulös hat gemacht, ist klar. (Simone De La Rue – heißer Fitness-Trainerinnen-Name.)
Einen Livestream gibt’s auch mit Ex-New-York-City-Ballet-Tänzerin Mary Helen Bowers, die DVD heißt „Ballet Fit“, sie ist es, die Natalie Portman beibrachte, mit den Armen zu wedeln, äh, den Flügeln zu schlagen.
Das dekliniert sich jetzt so runter bis in die europäischen Luxushotels, wo sie reiche Frauen an die Ballettstange stellen (Barre Fitness, Bare Core). In London gibt es Kurse, die Vogueing, also das Herumtänzeln wie auf Laufstegen, mit Yoga kombinieren: Voga.
Wer kein rosa Engel ist, nicht mal für zwei Stunden die Woche, nimmt Kylie Minogues Trainer Tracy Anderson für eine neue schmutzigere Auflage der guten alten Dance Aerobic Klassen, schwitzen zu lauter Musik, mein Favorit: „Unleash Your Inner Pop Star“.
Genau, man sollte sich die neue Identität, die man zu all den bereits vorhandenen addiert, gut aussuchen. Lange Haare, rosa Trikot, Mädchentraum, verwirklicht? Ist doch langweilig.
Laut muß es sein und schwitzen will man und ihn rauslassen, den inneren Wasauchimmer. Die innere ehemalige Tänzerin. Laß dich nicht von einem echten Trainer irgendwo als mit dir identischer Schlappi anbrüllen. Geh online und verbrenne Kalorien. Du rockst.