Die „Rolex Mentor & Protegé Arts Initiative“ lädt seit 2002 berühmte Künstler aus Architektur, Film, Tanz, Literatur, Musik, Theater und Bildender Kunst dazu ein, für die Dauer eines Jahres als Mentoren zu wirken. Dabei treten diese sieben zu den sieben gewählten Schützlingen in eine von Mentor und Protegé jeweils gemeinsam entworfene Arbeitsbeziehung. Ein auf der Webseite von Rolex veröffentlichtes Journal dokumentiert, wie beide das Programm gestaltet haben. Außergewöhnlichen, aufsteigenden Nachwuchskünstlern soll so der Durchbruch erleichtert werden, indem sie von Meistern ihres Genres geschult, trainiert, gefördert – und präsentiert werden. Viele große Künstler freuen sich über diese Möglichkeit, Jüngere teilhaben zu lassen an ihren Ideen, an ihrem Schaffen. Manche auch und gerade dann, wenn ihnen in ihrem eigenen künstlerischen Werdegang eine solche Person fehlte, sie sich einen Mentor aber durchaus gewünscht hätten. Das ist der Fall bei Alexej Ratmansky, der im vergangenen Herbst unter die Mentoren für 2014/15 berufen wurde. Niemand nahm in Russland zu seiner Zeit junge Choreographen künstlerisch unter seine Fittiche. Ratmansky konnte nur dasitzen und zuschauen, um von Choreographen zu lernen. Interessanterweise stammt sein Protegé weder aus dem von Talenten überschwemmten New York, wo Ratmansky, Hauschoreograph des American Ballet Theatre, lebt, noch stammt er aus einem fernen Erdteil, was das weltumspannende Förderprogramm auch gerne sieht. Und was der Fall war beim ersten Protegé des Programms, dem in China lebenden Tibeter Sang Jija, der von 2002 an schließlich vier Jahre in der Company seines Mentors William Forsythe verbrachte. Ratmanskys Protegé heißt Myles Thatcher ist weiß, männlich und dreiundzwanzig Jahre alt und seit 2010 Tänzer im Corps de ballet des San Francisco Ballet. Für seine Kollegen wird er 2015 ein erstes dreißigminütiges Ballett schaffen. Er ist, wie er dem amerikanischen „Dance Magazine“ mitteilte, begeistert von der Aussicht, von Ratmansky ein Jahr lernen zu dürfen: Als er erfuhr, dass Ratmansky ihn gewählt habe, war er gerade zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit und hatte „meinen eigenen kleinen Ausflipp-Augenblick von Aufregung auf dem Bürgersteig“.
Thatcher hält Ratmansky für eine „Enzyklopädie des Tanzes“. In der Tat, zwischen dem historisch informierten, ästhetisch gebildeten künstlerischen Handeln Ratmanskys und dem Treiben anderer Choreographen scheint sich der intellektuelle Abstand immer weiter zu vergrößern. Zeitgenössische belgische Choreographen etwa laden im selben Universum und etwa zeitgleich Anthropologen und andere Gäste ein zu einem dreitägigen Workshop über zeitgenössische Trance-Praktiken.
Yeeehaaa!
Ratmansky nähert sich – und sicher wird er bei der einen oder anderen Gelegenheit seinen Protegé mitbringen – nach der sensationellen Premiere von „Namouna“ beim Staatsballett Berlin wieder einer deutschen Premiere. Zunächst wird am 28. Juni in der Dresdner Semperoper sein Richard-Strauss-Ballett „Tanzsuite“ uraufgeführt. Am 13. Dezember wird das Bayerische Staatsballett die Premiere einer neuen Version von „Paquita“ feiern können, Unterschrift: Alexej Ratmansky. Es gibt viel zu lernen bei ihm für einen jungen Choreographen wie Myles Thatcher, nicht zuletzt die Fähigkeit, seine Zeit möglichst effektiv zu nutzen.