Es war am Ende des Abends evident, dass nicht wenige Gäste mehr getrunken hatten als die ein oder zwei Drinks, die bei einer klassischen „Sundowner“-Zusammenkunft angeboten werden. Diese dauert allerdings in der Regel auch nur eine halbe Stunde, während der Slogan des Anlasses, um den es im folgenden geht, „Vier Stunden. Ein Boot“ lautet. Wir möchten das jetzt nicht hochrechnen. Es war ja ein schöner Abend ohne größere Entgleisungen, abgesehen von den paar Mädchen, die versuchten, auf sehr hohen Absätzen sehr schnell die Schiffstreppen in Richtung der sanitären Anlagen zu überwinden, während sie sich die Hände vor den Mund preßten. Nun, der Seegang war nicht wirklich hoch. Genauer gesagt, lag die Nordsee still wie ein Spiegel in der Abendsonne. Gleichmäßig durchpflügte der Bug der „MS Koi“ die ruhigen Gewässer zwischen den Inseln Sylt, Föhr und Amrum. Der „Sundowner“ – ein Begriff, den die britische Marine geprägt haben soll, deren Kapitäne es bedauerten, dass die Mannschaft selten vollständig an Deck zusammenkam, sondern stets durch die drei Glasen geteilt erschien, und die deshalb alle Mannschaftsmitglieder bei Sonnenuntergang zum Drink einluden – der „Sundowner“ im Sinne von „Getränk“ bestand in einem „Tequila Sunrise“. Komisch eigentlich, aber das war das Freigetränk, das jedem, der mit dem Kontrollbändchen versorgt und dem „Hat das Freigetränk bekommen“-Stempel versehen war, ausgehändigt wurde.
Auf der Tanzfläche auf dem Achterdeck war man noch über eine Sonnenbrille froh, als das Schiff ablegte und die DJ’s auf der Brücke, geschützt von einem großen Segel, mit der Arbeit begannen: Camp Gladys, Cenzo Beatz, Tiko, Project V und Ken Can sorgten Hand in Hand für pausenlosen „Freudentanz auf dem Houseboat“, so das Motto der Party.
Meine Freunde fanden wie ich, dass die Musik von sehr unterschiedlicher Durchschlagskraft war. Sie sind jung, ich war vor – na gut, vielen Jahren – regelmäßig tanzen, aber wir fanden, es war zwischendurch warm, sehr warm vielleicht, aber nie musikalisch so heiß, dass es einen von der Reling riß. Um 19 Uhr gings los, um 21:30 hatten wir alles erlebt. Das lag aber nicht an mangelnder physischer Kondition. Ich lehnte an der Reling und rief „Taxi!“. Das ist eben der Mist an so einem Boot. Wenn man das nicht vorher gleich mitorganisiert, kommt man davon ohne echten Notfall nicht vor der Zeit herunter. So langweilig war mir ja dann auch nicht. Aber sich schreiend zu unterhalten ….
Was an Techno – nennen wir es jetzt laienhaft einfach Techno, sorry, Jungs, – was an Techno schnell langweilen kann, sind diese endlosen musikalischen Schleifen. Schön ist House mit Gesang und wenn die Bässe wirklich fette Bässe sind. Aber der gleichmäßige Beat ist immer gefühlt zu schnell. Der Rhythmus hat so ein bißchen was von Schunkeltakt und ein bißchen war auch diese coole Party eine Butterfahrt ohne Butter. Wirklich getanzt wird in dieser Welt nur von ein paar verwegenen Jungs mit Basecaps. Kommunikativere schmiegen sich von hinten an ihr Mädchen und packen dieses an den Hüften. Manche küssen auf der Tanzfläche, kaum zu glauben. Paßt aber, es wird da soviel gemacht, was im strengen Sinne nicht tanzen ist. Alle haben zum Beispiel Flaschen oder Gläser in der Hand und ziehen am Strohhalm und es wird auch eine Menge verschüttet, um die Meeresgötter friedlich zu stimmen. Alle lächeln, alle reden, manche singen im Chor, andere schwenken die Arme oder fuchteln beim Tanz nur so ein bißchen mit den Händen herum. Ich glaube, das mit den Flaschen machen sie, weil sie sich peu à peu alkoholisieren wollen, ja, aber sie könnten ja, wie die Leute das früher machten, einen kräftigen Schluck nehmen, den Drink abstellen, und dann ordentlich mit beiden Händen tanzen. Aber nein, die Flasche ist eine Art Mikrophonersatz. Oder?
Ein Mädchen hatte eine Tüte mit Pillen in der Hand. Ein DJ spielte Gesang ein, der die Zeile „Lass uns zusammen Drogen nehmen“ enthielt. Begeistertes Gejohle. Aber ich glaube, allermeistens hatten die Bier mit irgendwas in der Flasche, das ist der Campari-O-Saft von heute. Ich habe natürlich doch viel getanzt und es hat auch richtig Spaß gemacht: Danke, DJ’s!
Heute ist das Boot, ein tiptop umgebautes, 54 Meter langes Schiff, in Westerland, morgen in Husum, und so schippert es auch noch den Rest der Saison herum, alle Termine hier: