Aufforderung zum Tanz

Aufforderung zum Tanz

Was sie schon immer über Tanz hätten wissen wollen können und bisher nicht auf die Idee kamen zu fragen.

Kehrt Star-Ballerina Polina Semionova aus New York nach Berlin zurück?

Das macht ARTE plausibel. In der neuen Dokumentation über Polina Semionova, die heute nacht um 23:25 Uhr ausgestrahlt wird, werden einige Gründe genannt.

 

In Umkehrung eines berühmten Witzes – „Ach Sie sind Tänzerin? Und was machen Sie tagsüber?“ – fragen Fernsehdokumentationen über das Leben von Tänzern gerne sowohl nach deren Tagesbeschäftigung wie danach, wie ihre Abende aussehen, wenn sie das Theater im Dunkeln durch den Bühnenausgang verlassen haben. Dabei weiß man das eigentlich auch schon solange, wie es Ballett gibt. Tänzerinnen spülen im Handwaschbecken ihre während des Trainings und der Proben klatschnaß geschwitzten Trikots durch, wringen sie kräftig aus und hängen sie zum Trocknen im Bad auf. Währenddessen ist das Ei, aus dem ihr spätes Abendessen besteht, hartgekocht, und sie verzehren es, um sich anschließend direkt zur Nachtruhe zu begeben. Wie spannend kann so eine Dokumentation also sein?

Im Fall der neuen ARTE-Dokumentation über Polina Semionova geht es aber weniger um die Frage, was sie ißt. An anderer Stelle hat sie darüber aufgeklärt, dass sie keine besondere Diät einhalte, um ihre Tänzerinnentaille nicht zu ruinieren. Sie könne alles essen. Ok. Good for you.

Nein, es geht um eine Frage, die das Berliner Publikum des Staatsballetts beschäftigt. Semionova verließ das Staatsballett nach zehn Jahren Engagement 2012 – „trotz des enormen Erfolgs“, wie es in der Ankündigung des Films auf der ARTE-Seite heißt – um sich zu ihren gefeierten atlantischen Kolleginnen beim New Yorker „American Ballet Theatre“ zu gesellen.

Trotz des enormen Erfolgs“ ist süß. Weil sie so gut ist! Zu gut für das Repertoire des Staatsballetts, das für eine Tänzerin mit ihren technischen Fähigkeiten nicht genügend interessante Stücke zu bieten hatte. Und Erfolg, liebe ARTE-Dokumentations-Pressestelle, ist eben nicht gleich Erfolg. Erfolg in Osnabrück würde trotzdem gegen ein Engagement in Paris eingetauscht werden, oder? Erfolg im „Tatort“ würde nichtsdestoweniger gegen Hollywood eingetauscht werden, oder?

Semionova, ein siebzehn Jahre altes russisches Mädchen, das der scheidende Ballettdirektor Berlins, Vladimir Malakhov, vom Moskauer Fleck weg engagierte, und das in Berlin zehn Karrierejahre verbrachte, tanzt jetzt, halten zu Gnaden, einige Meisterwerke der Tanzgeschichte auch des zwanzigsten Jahrhunderts, von denen man an der Spree noch nie gehört hat. Sie schlüpft, wie sie in der Dokumentation begeistert erzählt, in Kostüme, die für einige der berühmtesten Ballerinen in der Generation zuvor angefertigt wurden, Natalia Makharova etwa. Und sie ist dabei, wenn der vielleicht bedeutendste klassische Choreograph der Gegenwart, Alexej Ratmansky, ein neues Stück kreiert, er ist bekanntermaßen der Hauschoreograph dort.  Nach New York umzuziehen, um mit dem American Ballet Theatre zu tanzen, ist also kein wirklich schlimmes Schicksal, das lernen wir aus den Antworten einer strahlenden, ausgeglichen und zufrieden wirkenden Polina Semionova.

Zwischen Berlin und New York pendelt sie aus privaten Gründen, denn ihr Mann ist nach wie vor beim Staatsballett beschäftigt. Zweitens hat die Staatliche Ballettschule sie eingeladen, den Lehrkörper zu verstärken, eine Aufgabe, die ihr Freude bereitet, wie der Film ebenfalls zeigt.

Vor allem kommunizieren diese 55 Minuten Fernsehen aber, dass Semionova unter dem neuen Ballettdirektor Nacho Duato doch vielleicht wieder in Berlin auftreten könnte, und vielleicht würde sie sich dann auch wieder schwerpunktmäßig auf das Staatsballett einlassen…. Außer dieser Mitteilung haftet der ganzen Unternehmung nichts Spektakuläres an. Ein Film für Fans einer sympathischen jungen Frau mit einer außergewöhnlichen Begabung. Gut tanzen ist keine Hexerei, so könnte man es vielleicht zusammenfassen.

 

Heute nacht auf ARTE, zur besten Fernsehzeit von 23:25 – 00:20 Uhr

 

und am 8.9. noch zu einer besseren Zeit: 05:00 Uhr.