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Neue Möglichkeiten digitaler Kommunikation verändern unsere Lebenswirklichkeit mit hoher Geschwindigkeit. Die „Generation Handy“ nutzt das

Schluss mit Party – in Barcelona wird gearbeitet

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Ab Montag trifft sich die Mobilfunkbranche für vier Tage zu ihrer Leitmesse in Barcelona. Die wird so bunt sein wie immer - nur etwas kleiner und etwas leiser. Die Krise hat auch die bisher vom Wachstum verwöhnten Handyhersteller erreicht. Jetzt zählen tragkräftige Geschäftsmodelle mehr als schicke aber kaum realisierbare Ideen. Dabei wird es in der Branche gerade richtig spannend. Der Kampf der Betriebssysteme auf dem Handy schwenkt in seine Endphase ein. Nokia oder Microsoft Apple oder Google - das ist jetzt die Frage.

Sie ist eindeutig noch genauso lang wie im vergangenen Jahr. Wenn die Schlange am Taxistand des Flughafens in Barcelona ein Indiz für den Erfolg der am Montag startenden Mobilfunkmesse ist, dann ist die Welt am Sonntag vor der Veranstaltung eindeutig in Ordnung. Die Branche reist zum Mobile World Congress 2009. Und steht erst einmal für fast eine Stunde still. So lang dauert es meist, bis man sich in der Reihe vor den Taxen nach vorne gearbeitet hat und endlich in einem der Wagen sitzt, die sich dann alle einzeln in Richtung Innenstadt aufmachen – auf die Idee, hier ein Car-Sharing zu betreiben, ist offenbar noch niemand gekommen.

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Dabei hätten einige der Unternehmen durchaus Grund zu sparen. Die Handyhersteller hat die Krise voll erwischt. Das vierte Quartal mit dem wichtigen Weihnachtsgeschäft war für alle Anbieter der schwerste Dämpfer seit Start des Mobilfunks. Für fast alle, außer Apple: Aber ausgerechnet der Hersteller des iPhone, das in den vergangenen zwei Jahren zur Ikone der mobilen Kommunikation geworden ist, bleibt der Messe fern – wie auch allen anderen Messen, sofern es nicht die eigenen sind. Alle anderen Hersteller haben Federn lassen müssen, und die Verbraucher scheinen sich daran zu gewöhnen, dass man Mobiltelefone auch länger als ein oder zwei Jahre nutzen kann.

Keine Sugababes mehr

So ist – trotz der Schlange am Flughafen – schon im Vorfeld der Messe eine leichte Ernüchterung zu spüren. Ein simpler Indikator dafür: Die Partys werden kleiner – und es sind weniger. Noch vor zwei oder drei Jahren gab es in dieser Hinsicht kaum ein Halten. Da flogen mittelgroße Chiphersteller schon mal die „Sugababes“ für einen Abend ein, mieteten den angesagtesten Club der Stadt und luden zum Konzert. Da auch Handychips meist von Männern entwickelt werden, waren diese eindeutig in der Überzahl, standen während des Auftritts der Girlgroup eher bewegungslos aber durchaus interessiert vor der Bühne und zeigten der Welt, warum die Handys Kameras haben. Ein großer Erfolg für den Veranstalter. Aber diese Zeiten sind ebenso vorbei wie die, in denen der Black Berryhersteller Rim Barcelonas alte Handelskammer am Hafen mietete und am späten Abend mal eben den „Buena Vista Social Club“ auf die Bühne stellte.

Im vierten Jahr nach dem Umzug der Messe aus Cannes nach Barcelona ist alles eine Nummer kleiner. Die Chiphersteller machen gar keine Partys mehr und auch Rim hält sich zurück. Alle konzentrieren sich auf das Geschäft.

Die Messe wächst nicht mehr

Die dunklen Wolken schlagen aber auch auf die Messe selber durch. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung Anfang der neunziger Jahre verzeichnet die Veranstaltung offenbar kein Wachstum. So rechnen die Organisatoren mit rund 1300 Ausstellern, eben so viele wie auch im Jahr 2008. Die Besucherzahl kletterte damals auf rund 55.000. Ein Rekordhoch, das nach Ansicht von Beobachtern in diesem Jahr wahrscheinlich nicht mehr ganz erreicht wird. Schon diese Zahl aber reicht völlig aus, um das Gelände der Weltausstellung von 1929 gut zu füllen und eine gewisse Enge aufkommen zu lassen. So wird die Kuschel-Atmosphäre, die die Branche im kleinen Cannes so geliebt hatte, ein wenig nach Barcelona gerettet, obwohl die Stadt an anderem Ort auch ein moderneres und größeres Messegelände besitzt.

Die Krise trifft den Mobilfunk in einem Moment, in dem es gerade richtig spannend wird. Im April des vergangenen Jahres verkündete der internationale Branchenverband GSM-Association (GSMA) stolz, dass die Zahl der Mobilfunknutzer die Grenze von drei Milliarden überschritten habe. Nur wenig später meldet die GSMA am 1. Februar dieses Jahres die vierte Milliarde. Das nennt man Wachstum. Bis zum Jahr 2013 sollen sechs Milliarden Mobilfunkkarten unterwegs sein. Entsprechend stark ist in der jüngsten Vergangenheit der Verkehr gestiegen und entsprechend voll sind heute die Netze.

Nokia oder Google? Apple oder Microsoft?

Angesichts dieser Potentiale machen sich immer mehr Unternehmen auf, um ein Stück des enormen Kuchens zu ergattern. Auf der Seite der Betriebssysteme stehen sich Nokia mit Symbian, Microsoft mit dem neuen Windows Mobile 6.5, das zur Messe erwartet wird, und das Android-System der von Google gegründeten Allianz gegenüber. Hinzu kommen die proprietären Systeme von Rim mit dem Blackberry und natürlich dass mobile OS von Apple. Nicht zu vergessen Palm mit dem Gerät Pre und dem WebOS, das während der Messe CES im Januar in Las Vegas große Erfolge feierte und in Barcelona offenbar in einer UMTS-Version für Europa vorgestellt werden soll.

Da Handys inzwischen stärker zu Computern werden, gewinnen die Betriebssysteme eine immer größere Bedeutung. Sie legen fest, wie der Nutzer im mobilen Internet unterwegs ist und welche Anwendungen von welchem Unternehmen er nutzt. Genau im mobilen Internet aber wird das nächste große Wachstumsfeld des Mobilfunks gesehen, nachdem die Einnahmen aus dem Sprachgeschäft angesichts des Preiskampfes immer weiter zurückgehen. Auf das mobile Internet setzt Google, darauf setzt Apple und nicht zuletzt auch Nokia. Die Finnen wollen weniger abhängig von den Handys werden und klettern mit ihrem Ovi genannten Portal die Wertschöpfungskette des Mobilfunke ein paar Stufen nach oben: Nicht umsonst strebt Nokia jetzt offenbar eine enge Partnerschaft mit dem boomenden Web-2.0-Netzwerk Facebook an. Musik, E-Mail und Navigation hat das Unternehmen ja schon im Programm.

Im Gegensatz zu den Veranstaltungen der Vorjahre wird 2009 aber auch von den Ideen im mobilen Internet jetzt verlangt, dass sie mit klaren Geschäftsplänen arbeiten. Dies ist in der Branche immer häufiger zu hören. Umsatz und Gewinn kommen als Kategorien auch für das Feld der Datendienste wieder stark in Mode. Die Zeiten, in denen einfach drauflos experimentiert wurde, sind vorbei.

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Android kommt in Schwung

Auf der anderen Seite ist die Messe aber traditionell auch das Forum für die Präsentation neuer Geräte. Nachdem viele Hersteller schon im Vorfeld der Messe Teile ihres neuen Programms vorgestellt haben, wird jetzt das besondere Augenmerk auf neue Handys mit dem Android-Betriebssystem gelegt. So wird wahrscheinlich der taiwanesische Hersteller HTC mit einem solchen Gerät aufwarten – das zunächst exklusiv von Vodafone vertrieben werden soll. Aber auch viele andere Anbieter werden mit Android-Geräten auf den Markt kommen.

Auf der anderen Seite versuchen aber auch Neueinsteiger ihr Glück im Handymarkt. So kommt Hyundai erstmals mit eigenen Geräten nach Europa. Gleiches gilt auch für ZTE aus China. Wiederbelebt wird darüber hinaus die Marke Sagem und auch Computerhersteller wie Asus drängen in das Geschäft mit den Mobiltelefonen. Ebenfalls ist das Gerücht, Dell wolle Handys produzieren, nicht tot zu kriegen.

Ausrüster hoffen auf Netzausbau

Das alles könnte natürlich nicht funktionieren, wenn die Mobilfunknetze nicht zu immer neuen Höchstleistungen getrieben würden. Auch das ist Barcelona: Im Umkreis der Messe werden Mininetze zu Demonstrationszwecken aufgebaut. Für wenige Tage können hier Datenübertragungsraten von 50 Megabit in der Sekunde und mehr erreicht werden. Diese Zukunftsmusik muss aber wahrscheinlich noch ein wenig warten, bis sie Realität wird. Im Moment drehen auch die Netzbetreiber jeden Euro zweimal um und investieren eher in den Ausbau der Netzkapazität als in die Geschwindigkeit der Netze.

Die Branche kehrt in diesem Jahr wieder auf den Boden zurück und ist in Barcelona angesichts der Krise auf der Suche nach neuen Erlösquellen, die die Einnahmen aus dem Sprachgeschäft langfristig ablösen können. Dabei zählen klare Geschäftsmodelle für den Veränderungsprozess heute mehr als die „Sugababes“ auf der Bühne. Die Zeiten, in denen man sich mit Glimmer und Glitzer schmückte, sind vorbei. Bleiben wird allerdings die Schlange am Taxistand des Flughafens. Und – ganz ehrlich – allen würde etwas fehlen, gäbe es sie nicht mehr.

Links: Svanberg: Wir müssen Sony-Ericsson durch die Krise bringen

 


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