Ericsson-Chef Carl-Henric Svanberg sieht sein Unternehmen im FAZ-Interview gut für die Krise gerüstet. Denn die Netze seien voll ausgelastet und in der Krise werde unbeirrt weitertelefoniert. Zudem seien in der Ausrüsterbranche neben Ericsson faktisch nur noch drei Anbieter relevant. Svanberg gibt auch ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Handy-Gemeinschaftsunternehmens Sony-Ericsson ab.
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Herr Svanberg, Sie machen einen relativ entspannten Eindruck – während sich draußen die Krise des Jahrhunderts anbahnt. Sind Ericsson und die anderen Telekom-Ausrüster gegen diesen kräftigen Abschwung immun?
Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Sollte es wirklich zur schlimmsten Rezession seit langem kommen, kann auch unsere Branche davon betroffen sein. Aber bisher bemerken wir ganz ehrlich noch keine größeren Auswirkungen der Krise auf unser Geschäft. Es gibt auch noch keine Berichte von Netzbetreibern – das sind unsere Kunden – die von einem größeren Rückgang ihrer Nachfrage berichten.
Also wird in der Krise einfach weiter telefoniert?
Offenbar ja. Es gibt aber einen Unterschied zu früher. Damals haben die Leute auf ihr Mobiltelefon verzichtet und das Festnetz genutzt. Heute melden sie ihren Festnetzanschluss ab und setzen auf das Handy. Ericsson rüstet vor allem Mobilfunknetze aus. Das ist gut für uns. Es gibt inzwischen mehr als 4 Milliarden Mobilfunknutzer. Das sind mehr als irgendjemand in den vergangenen Jahren vorausgesehen hat. Im Jahr 2003 hatte die Branche 600 bis 700 Millionen Kunden, und wir haben uns gefragt, ob wir jemals über die Grenze von zwei Milliarden kommen.
Befürchten Sie nicht, dass der Abschwung auch auf Ericsson durchschlägt?
Vor dem Beginn der Verwerfungen an den Finanzmärkten hatte die Telekommunikation sehr gute Aussichten. Wir stehen mit den mobilen Datendiensten noch ganz am Anfang und setzen große Hoffnungen auf diese Breitbandverbindungen. Die Krise am Anfang des Jahrzehnts war eine hausgemachte Angelegenheit. Die Netzbetreiber hatten sich dem Hype der Internetblase hingegeben, waren überschuldet und die Netze waren groß aber leer. Es gab wenig Grund in weitere Infrastruktur zu investieren. Das ist heute anders: Die Netzbetreiber sind finanziell gut aufgestellt und die Netze sind auf Grund der hohen Nachfrage nach Sprach- und Datendiensten am Ende ihrer Kapazität angekommen. Und noch einmal: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Verbraucher ihre Ausgaben für Telekommunikationsdienste einschränken.
Und trotz dieses relativen Optimismus baut Ericsson noch einmal 5000 Stellen ab?
Wir wollen innerhalb von zwei Jahren ein Sparprogramm von rund 2 Milliarden Dollar umsetzen. Der Grund dafür ist allerdings vor allem der Übergang zur Übertragung nach dem Internet-Protokoll (IP) in allen Netzen. Der erlaubt uns, mit weniger Hardware und Software Plattformen in Zukunft das gleiche zu erreichen. Dadurch entsteht ein großes Potential zur Kostensenkung. In der drohenden Krise haben wir diesen Prozess nur beschleunigt, da wir vorbereitet sein wollen, sollten die Zeiten härter werden.
Ericsson hat bisher auf eine Prognose für das laufende Jahr verzichtet. Warum?
Wir befinden uns in einer sehr ungewöhnlichen Situation. Die Umstände, die die Krise ausmachen liegen außerhalb unserer Branche. Daher haben wir auf eine Prognose verzichtet, gehen aber davon aus, dass unsere Industrie deutlich weniger von dem Abschwung betroffen sein wird als andere.
Erwarten sie, dass die Netzbetreiber manche Investitionsvorhaben verschieben?
Ja und nein. Auf der einen Seite gibt es viele Anbieter, die jetzt Geld für neue Glasfasernetze ausgeben. Das sind sehr strategische Investitionen. Kann man die in einer solchen Krise um 12 Monate verschieben? Klar kann man das. In unserem Kerngeschäft Mobilfunk sieht das aber anders aus. Hier steigt der Verkehr in den Netzen so stark an, dass diese an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Hier müssen die Anbieter aufrüsten. Sie haben keine Wahl, sie sind gezwungen zu investieren. Auch die Netzbetreiber, die noch keine ausreichenden Kapazitäten für den mobilen Datenverkehr aufgebaut haben müssen investieren – wenn sie verhindern wollen, dass ihnen die Kunden weglaufen.
Welche Erwartungen gibt es für die verschiedenen Regionen der Welt?
In den Schwellenländern wird es noch mehr Wachstum geben als zum Beispiel in West-Europa. Hier gehen wir von einem weiterhin eher verhaltenen Geschäft aus. Die Vereinigten Staaten wiederum sind interessant, da dort einige große Anbieter wie Verizon und AT&T ihre Netze mit schnellen Datenleitungen ausbauen.
Und in China?
Dort sind gerade die UMTS-Lizenzen vorzeitig vergeben worden und alle Netzbetreiber rüsten ihre Netze kräftig aus. China macht rund 10 Prozent unseres Umsatzes aus und ist daher einer von mehreren sehr wichtigen Märkten. Wie gehen davon aus, dass wir rund 30 Prozent des Netzausbaus von China Unicom realisieren werden. Allerdings gibt es dazu noch keine offiziellen Aussagen. Bei China Mobile haben wir rund 5 Prozent der Aufträge erhalten – was etwas enttäuschend war.
Apropos China! Von dort kommen auch neue Wettbewerber wie ZTE und Huawei, die ihnen das Leben schwer machen und mit Kampfpreisen den internationalen Markt erobern.
Es hat in unserer Branche immer einen kräftigen Wettbewerb gegeben, am Ende geht es aber immer darum, dass die Produkte funktionieren. Die chinesischen Anbieter haben jedoch dramatische Fortschritte gezeigt. Die machen einen guten Job …
… und Huawei baut jetzt für Telia Sonera das Mobilfunknetz der vierten Generation (4G) in Olso. Praktisch vor ihrer Haustür und im Wettbewerb mit Ericsson …
… das ist auf der einen Seite schon ein komisches Gefühl. Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass in der Branche praktisch nur noch vier Anbieter übrig sind. Da ist es nur natürlich, dass man sich bei den verschiedenen Projekten immer wieder trifft. Früher waren wir mal etwa ein Dutzend Unternehmen. Aber: Es ist eine sichere Wette, darauf zu setzen, dass Ericsson auch in 10 Jahren noch eine starke Position im Markt hat. Eben so sicher ist allerdings auch die Wette darauf, dass dann die Anbieter aus China weiter eine Rolle spielen werden.
Welche vier Netzwerkausrüster meinen sie denn?
Im Moment sind das Alcatel-Lucent, Nokia Siemens sowie Huawei und Ericsson. Eine ganze Menge anderer Anbieter sind verschwunden.
Ist die Konsolidierung der Branche damit erst einmal beendet?
ANTWORT: Für die Ausrüstung von Mobilfunknetzen, die sie sich nicht so sehr in Einzelteilen zusammenkaufen können, ist das wohl richtig. Auf der Seite der Festnetzausrüster ist der Markt noch etwas zersplitterter. Dort gibt es noch mehr Nischenanbieter.
Und? Haben sie selber Interesse an Zukäufen? Viele Unternehmen, sind im Moment sehr preiswert zu haben.
ANTWORT: Das Problem mit größeren Zukäufen ist folgendes: Meist muss man ein Drittel des Geschäftes sofort zu machen, da es nicht wettbewerbsfähig ist. Bei einem weiteren Drittel haben sie große Überschneidungen mit den eigenen Abteilungen – was abermals zu einer Bereinigung führt. Es bleibt also ein Drittel des Geschäftes übrig, das sie wirklich haben wollen. Betrachtet man das allein, sind die Angebote gar nicht mehr so preiswert, und es macht Sinn stattdessen die eigene Entwicklung zu fördern. Wenn es aber um kleinere Nischenanbieter geht, sind wir für Zukäufe weiterhin offen, um unsere Technologieplattform zu vervollständigen.
Sie könnten ja zur Abwechslung mal Teile des eigenen Geschäftes abgeben. Wie wäre es denn mit dem Verlustbringer Sony-Ericsson?
Nein. Sony-Ericsson hat bis Ende des Jahres 2007 einen sehr erfolgreichen Job gemacht. Sie hätten ihre Probleme auch in den Griff bekommen, wenn die Krise den Absatz nicht um 20 bis 30 Prozent nach unten gedrückt hätte. Das ist ziemlich dramatisch Aber: Sony-Ericsson ist ein gutes Unternehmen. Jetzt geht es darum, wer es im Handygeschäft am schnellsten schafft, sich auf die Krise einzustellen. Hier schlägt die Krise schon jetzt voll durch.
Also steht Ericsson zu dem Gemeinschaftsunternehmen?
Ja, jetzt geht es darum, dass wir Sony-Ericsson unterstützen und durch diese Krise bringen. Die finanzielle Lage des Unternehmens ist gut, es gibt hohe Barreserven, und es werden keine Kapitalnachschüsse in diesem Jahr erforderlich sein.
Hatte Sony im vergangenen Herbst nicht versucht, den Anteil von Ericsson zu übernehmen?
Nein. Weder Ericsson noch Sony haben irgendetwas in dieser Richtung unternommen. Wir führen eine liebevolle Ehe und müssen uns jetzt darum kümmern, Sony-Ericsson zu unterstützen und durch diese Krise zu bringen.
Woher kamen denn die Spekulationen über einen Ausstieg?
Für Sony sind die Telefone von unglaublich großen strategischem Wert, da viele Geräte des sonstigen Produktportfolios über kurz oder lang auch kommunizieren werden. Es wird egal sein, ob man ein Handy mit Kamera kauft oder eine Kamera mit Mobilfunkanschluss. Das scheint für Ericsson etwas anderes zu sein und daraus entstand die Spekulation. Aber: Es gab wirklich keine Gespräche über einen Ausstieg von Ericsson aus dem Gemeinschaftsunternehmen.
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