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Neue Möglichkeiten digitaler Kommunikation verändern unsere Lebenswirklichkeit mit hoher Geschwindigkeit. Die „Generation Handy“ nutzt das

"Wir brauchen Planungssicherheit für die Investitionen in Breitbandnetze"

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August-Wilhelm Scheer sieht die ITK-Branche von der Krise nicht so hart getroffen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau. Jetzt müssen nach Ansicht des Bitkom-Präsidenten die Investitionen in die Breitbandvernetzung gefördert werden. Dafür müssen die Frequenzen der Digitalen Dividende schnell freigegeben werden. Auf der anderen Seite sollten der deutsche Regulierer und die Europäische Kommission nicht immer wieder kurzfristig in den Markt eingreifen - und dadurch die Planungssicherheit in Frage stellen. Diese Entwicklung will Scheer als Präsident weiter begleiten und stellt sich im Juni neu zur Wahl.

Herr Professor Scheer, die Unternehmen aus Informationstechnik und Telekommunikation (ITK) scheinen etwas besser durch die Krise zu kommen als andere Branchen. Der Branchenverband-Bitkom, dem sie als Präsident vorstehen,  hat jedenfalls noch keine Abwrackprämie für alte Computer gefordert.

Wir haben uns im Präsidium des Verbandes eindeutig zu marktwirtschaftlichen Lösungen bekannt. Es wird auch unter Experten hinterfragt, ob richtig ist, was derzeit im Automobilsektor angedacht wird. Da kommen wir schnell an Grenzfragen der Ordnungspolitik.

Aber betroffen sind die ITK-Unternehmen doch auch?

Wir haben seit Oktober vergangenen Jahres ein verschlechtertes Geschäftsklima. Allerdings sind die Stimmungswerte, die wir im Moment jeden Monat ermitteln, im Januar und Februar nicht weiter nach unten gegangen. Daraus zu folgern, die Talsohle sei erreicht, ist noch zu früh. Da müssen wir die Zahlen für März und April abwarten. Aber: Mehr als die Hälfte unserer Mitglieder erwartet ein Ende der Krise noch in diesem Jahr. Der Rest rechnet mit einem Anziehen der Konjunktur im Jahr 2010.

Bild zu: "Wir brauchen Planungssicherheit für die Investitionen in Breitbandnetze"Also eine eher kurze Krise für die Branche mit den meisten Arbeitsplätzen in Deutschland?

Als Branche müssen wir jetzt sehen, dass wir ohne großen Schaden durch die Krise kommen. Wir haben auf jeden Fall weniger Anlass für Pessimismus als zum Beispiel die Automobilindustrie oder die Maschinenbauer.

Gibt es denn eine neue Wachstumsprognose des Bitkom?

Wir gehen weiter von einem Nullwachstum aus. Dabei läuft die Hardware immer noch schlecht – wobei Netzwerkrechner (Server) schon wieder eine positive Ausnahme darstellen. Im Bereich von Software und Services sehen wir positive Signale und voraussichtlich sogar ein Wachstum in diesem Jahr. Für das Outsourcing gehen wir derzeit von einem Plus um 7 Prozent aus.

Die Aussteller- und Besucherzahlen der Computermesse Cebit im März sprechen aber eine andere Sprache: Hier wurden kräftige Rückgänge gemeldet.

Auf der Cebit hat das Geschäft richtig gebrummt. Die Messe war etwas kleiner, aber auch besser. Außerdem müssen wir zwischen strukturellen und konjunkturellen Einflussfaktoren unterscheiden. Die Messe hat schon im vergangenen Jahr ihr Konzept umgestellt und konzentriert sich stärker auf ganzheitliche Lösungen für bestimmte Problemfelder und einen angeschlossenen Kongressbetrieb. Bis Oktober lagen die Buchungszahlen übrigens höher als im Vorjahr. Dann kam die Krise und die Messe wurde von dem Konjunktureffekt voll getroffen.

Und wie sieht es mit der Zukunft der Cebit aus?

Für das reine Ausstellen von Technik und Hardware braucht man keine so große Messe mehr. Die Telekommunikation ist teilweise zur „Mobile World“ in Barcelona abgewandert. Die Cebit wird solche riesigen Aussteller- und Besucherzahlen wie im Jahr 2001 nicht mehr sehen. Sie muss jetzt dafür sorgen, dass sie ihren Kern erhält und ein Davos der ITK-Branche wird. Als Schaufenster und Treffpunkt der Hightech-Branche ist die Cebit unersetzlich.

In diesem Jahr hat der Besuch von Arnold Schwarzenegger, dem Gouverneur des Partnerlandes Kalifornien, einigen Glamour nach Hannover gebracht und dadurch die Stimmung ein wenig gerettet. Wer kommt denn im nächsten Jahr?

Bild zu: "Wir brauchen Planungssicherheit für die Investitionen in Breitbandnetze"Über das Partnerland ist noch nicht entschieden. Aber einen König sollte es uns schon schicken.

Also Belgien, Norwegen, Schweden, Spanien, Holland oder das Vereinigte Königreich, …

Hmm …

Scherz beiseite: Die Bundesregierung hat in ihr Konjunkturpaket auch die flächendeckende Breitbandversorgung als Ziel hineingeschrieben. Dafür stehen in Europa rund eine Milliarde Euro zur Verfügung. Ist das nicht ein bisschen wenig?

Die Bundesregierung hat quantitative Ziele gesetzt, bis wann welche Ausbaustufen erreicht werden sollen. Das ist gut so. Aber wir brauchen nicht die eine Milliarde Euro, wir brauchen 50 Milliarden – allein in Deutschland. Die Unternehmen sind zu diesen Investitionen bereit. Wichtig ist jetzt vor allem, Planungssicherheit zu schaffen, damit die Firmen ihr Geld sicher angelegt sehen. Dafür muss als erstes die Digitale Dividende freigegeben werden.

Sie meinen die Funkfrequenzen, die durch die Digitalisierung des Fernsehens frei werden?

Ja.

Aber da sitzen im Moment die Länder und die Landesmedienanstalten drauf und wollen sie nicht hergeben.

Die Digitale Dividende ist eine zentrale Frage der Breitbandstrategie. Wir erkennen inzwischen eine stärkere Bereitschaft der Länder, das von manchen praktizierte Klein-Klein-Spiel zu beenden.

Rechnen sie denn mit einer Vergabe der Frequenzen noch in diesem Jahr?

Ich wünsche es mir.

Was gehört denn noch zur Planungssicherheit beim Breitbandausbau?

Die Unternehmen müssen einen Gewinn mit ihren Investitionen erwirtschaften können. Da kann es nicht sein, dass Europäische Kommission und deutsche Regulierungsbehörde in sehr kurzen Intervallen andere Preise festsetzen und ständig neu in den Markt eingreifen. Das ist keine Basis, auf der die Unternehmen langfristig kalkulieren können.

Bild zu: "Wir brauchen Planungssicherheit für die Investitionen in Breitbandnetze"Angst vor neuen Monopolen oder oligopolistischen Strukturen haben Sie aber nicht?

Das ist ja keine Frage der Religion. Wenn die Effekte am Schluss positiv sind und Deutschland flächendeckend zu vernünftigen Preisen mit Breitband versorgt wird, würde ich nicht päpstlicher sein als der Papst. Das gilt insbesondere, wenn sich Unternehmen zu Kooperationen zusammenfinden und dann die zu versorgenden Regionen gemeinsam erschließen.

Sie sind jetzt zwei Jahre im Amt. Sind sie zufrieden mit dem, was in dieser Zeit erreicht worden ist?

Ich bin nie zufrieden. Aber wir haben in dieser Zeit sehr viel mehr Gehör gefunden als früher. Günter Netzer hat einmal gesagt: In der ersten Halbzeit läuft man sich warm, in der zweiten schlägt man zu.

Das klingt nach einer zweiten Amtszeit für Sie als Präsident des Bitkom.

Das Präsidium hat mich gebeten, auf der Jahresversammlung am 19. Juni abermals für dieses Amt zu kandidieren. Ich werde das tun und würde eine solche Wahl auch annehmen. Ich habe meinerseits den Kollegen im Präsidium nahegelegt, sich ebenfalls wieder zur Wahl zu stellen. Gerade in schwierigen Zeiten ist Kontinuität wichtig. Wir sind gut in Fahrt und sollten nicht in vollem Lauf die Mannschaft auswechseln.

Eine zweite Halbzeit also?

Ja.

Das Gespräch führten Carsten Knop und Johannes Winkelhage


1 Lesermeinung

  1. techfieber sagt:

    Na dann ist ja alles in...
    Na dann ist ja alles in Butter! Die deutsche IT-Branche hat kaum „Anlass für Pessimismus“ braucht ergo keine Computer-Abwrackprämie. Und auf der Cebit habe „das Geschäft richtig gebrummt“ und die Messe ist nun so oder so „besser“. Mhm. Ich starre verdutzt auf den Bildschirm, wundere und kratze mich am Hinterkopf. Nennt man so etwa nicht Realitätsverlust?

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