Winona Ryder im “Stern”, Take That im Radio und die vergessenen Stars von “Beverly Hills 90210” sowohl in “Gala” als auch in “Bunte”: In diesem Winter kommt man kaum umhin, sich daran zu erinnern, dass Ruhm manchmal nur ein kurzes Flackern ist, mancher Stern so schnell sinkt, wie er aufgegangen ist. Elegisch stimmt einen das, wenn man erfährt, dass die Idole von damals in der Versenkung verschwanden, um nur noch ein einziges Mal aufzutauchen: entweder “in der amerikanischen Version des Dschungel-Camps” oder “in der Show Dancing with the Stars, wo er/sie aber nach einer Folge vom Publikum rausgewählt wurde”.
Wie gut, dass es die Beckhams gibt. Victoria und David. Eine Girlgroup-Sängerin und ein Fußballstar. Beide stabil berühmt seit den Neunzigern. Ihr Starstatus hat ihre und unsere Adoleszenz überlebt. Nein, sie sind sogar noch berühmter geworden seit damals. Ihr Geheimnis? Sie sind so furchtbar normal. Sportlich und nett. Drei Vorzeigekinder. Unspektakuläre Interviews. Glaubwürdige Zuneigung. Man ist sich einfach jedesmal, wenn man etwas über sie liest oder sie auf einem Bild zusammen sieht, vollkommen sicher, dass sie sich auch geheiratet hätten, wenn sie beide niemals berühmt geworden wären, sondern zum Beispiel auf dieselbe Schule gegangen wären – sie passen einfach so gut zusammen. Vermutlich ist das der Grund, warum die Leser der Boulevardmagazine auch nach Jahren nicht genug von den Beckhams bekommen können. Die Redakteure müssen wohl deshalb jedes Interview, jedes privat anmutende Bild zur exklusiven, topintimen Titelgeschichte hochstilisieren.
Englische Bulldogge “Blue II”, Maskottchen eines College-Basketballteams (AP Photo/Darron Cummings)
Neulich zum Beispiel in der “Gala”. Groß stand in der Mitte der Titelseite: BECKHAM PRIVAT. Es folgt im Blatt: eine Fotostrecke (David Beckham mit seinem Motorrad, die Familie beim Essen in einem Sandwichrestaurant und der Familienhund mit einem lustigen bunten Halsband) und ein kurzes Interview. Beckham wirkt darin mal wieder wie der, der er wohl tatsächlich ist: ein Familienmensch, der ohne seine Frau und seine Söhne nicht leben kann. Im Wesentlichen erzählt er, mit welchen Sportarten er sich fit hält. Ob er denn auch mit seinem Hund laufen gehe? Die Hündin “Coco” kicke sogar mit ihm und den Söhnen, sie jage gern dem Ball hinterher, erzählt Beckham. “Lange geht das allerdings nicht, weil sie schnell müde wird. Aber sie ist ein großartiger Hund, die Jungs lieben sie über alles.”
Lila Deko-Bulldogge in einer Douglas-Filiale
Coco ist eine Englische Bulldogge. Hellbraun-weiß gescheckt, mit tiefliegenden Augen unter schweren Stirnwülsten, kaum Hals, lediglich üppigen Falten, die den Übergang vom Kopf zum Körper andeuten, schwerfällig, breitbrüstig, selbst auf Bildern erkennt man, dass sie nicht gehen, nur watscheln kann. Die Beckhams sind sportliche, nette Leute, die Söhne lieben alle drei Fußball, abends isst man gemeinsam und liest den Kindern vor dem Zubettgehen etwas vor. Wenn solche Leute einen Hund haben, kann man mit einigem Recht einen goldlockigen Retriever oder einen lustig gescheckten, lebhaften Beagle erwarten. Was in aller Welt hat diese Normalos dazu getrieben, sich stattdessen ein solches Ungetüm zuzulegen?
Die Antwort ist einfach. Die Beckhams leben in Los Angeles. In Los Angeles ist es normal, eine Englische Bulldogge zu haben. Während fast in ganz Amerika der Labrador Retriever die Hitlisten anführt (in Detroit und Miami überrundet vom Deutschen Schäferhund, in New York überholt vom handtaschentauglichen Yorkshire Terrier), ist der häufigste Hund in L.A. die Bulldogge. Das ergab eine Auswertung der Statistik des American Kennel Club (AKC) für das Jahr 2010, die der Verband vor wenigen Tagen, am 27. Januar, bekanntgab. Die Bulldogge ist amerikaweit inzwischen auf Platz 6 der Rangliste der beliebtesten Hunderassen vorgerückt – von Platz 7 im Vorjahr. Sie ist jetzt häufiger als Dackel, Pudel und Boxer und folgt direkt auf den Golden Retriever. “Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Bulldogge nicht mehr eine solche Popularität genossen”, sagt AKC-Verbandssprecherin Lisa Peterson. “‘Bob’ war 1886 die erste im AKC registrierte Bulldogge, und heute hat die Rasse mit Platz 6 den höchsten Rang in hundert Jahren.”
In keiner anderen Stadt Amerikas außer Los Angeles liegt die Bulldogge an der Spitze, allerdings ist sie etwa in Kansas, Boston und Chicago auch in den Top Five. Jene englische Bulldogge mit Triefaugen und Fettpolstern, zu Ekzemen in Hautfalten neigend, oft herzkrank, schnarchend wegen ihres zu langen Gaumensegels, ein atemloser Koloss, hässlich wie die Nacht. Schon um die Wende zum 20. Jahrhundert schrieb ein Fachmann über die alte Rasse, die Hunde müssten “in einen Badeort zum Training, um imstande zu sein, vier Meilen in der Stunde zurückzulegen”. Die Englische Bulldogge ist die Karikatur eines Hundes.
Doch das hat in der jüngsten Vergangenheit weder Hollywood-Stars noch Popsänger davon abgehalten, sich eine Bulldogge anzuschaffen. Die Englische Bulldogge ist ein Modehund geworden, in ganz Amerika. In Los Angeles kommt es dann noch einmal zu einer besonderen Konzentration. Nicht nur die Beckhams haben eine Bulldogge. Auch Reese Witherspoon, Adam Sandler (hier kann man seine Bulldogge “Meatball” auf Youtube bewundern), Kelly Osbourne oder der Sänger John Legend.
Adam Sandler mit der Film-Bulldogge aus “Little Nicky” (AP Photo/Kevork Djansezian)
Man kann nun endlos darüber spekulieren, was all diese Leute an der Englischen Bulldogge schätzen. Wäre sie ein besonders schöner, eleganter Hund wie etwa der silberglänzende Weimaraner, dann wäre es ein nachvollziehbares ästhetisches Interesse, das dahinter steht. Wäre sie klein wie der Chihuahua, dann wären es vermutlich Gründe der Praktikabilität, der Wunsch nach einem Kindersatz – der Chihuahua mit seiner rundlichen Stirn entwächst nie dem Kindchenschema – oder danach, das Tier auch auf Reisen immer dabeihaben zu können. Doch was ist es bei der Bulldogge? Vielleicht ist es manchen Leuten ganz recht, wenn der Hund nicht allzu agil ist, sondern schon nach ein paarmal Stöckchenholen japsend Pause machen muss. Man muss sich dann nicht ständig etwas einfallen lassen. Wahrscheinlicher ist es, dass die Bulldogge ihren Haltern als freundlicher Hausclown erscheint, als gnomhaftes Wesen, das auf ähnlich exotische Weise den Haushalt bereichert wie ein Hängebauchschwein, aber mit gängigerem Zubehör zu händeln ist. Vielleicht steht dahinter auch der kollektive Wunsch einer Generation, die mit der Achtziger-Jahre-Fernsehserie “Alf” aufgewachsen ist, einen drolligen Außerirdischen im Haus zu haben.
Erfolgsautorin Karen Duve mit ihrer Englischen Bulldogge (Foto Galiani Verlag)
Die Ursachen für den Trend werden nicht zu klären sein. Die Popularität bestimmter Hunderassen war schon mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Eine der meistbeachteten Studien zu dem Thema lieferte vor einigen Jahren der amerikanische Psychologe Harold Herzog ab: Er untersuchte die Schwankungen in der amerikanischen Rassehundpopulation zwischen 1946 und 2001. Für seine Untersuchung griff er auf die Statistik des amerikanischen Dachverbandes für die Rassehundzucht zurück. Wenn manche Varianten plötzlich sehr beliebt werden, sei das meistens eine zufällige Entwicklung – und darüber hinaus seien diese Rassen „nicht notwendigerweise in irgendeiner Weise besser oder für Menschen ansprechender als andere”, schrieb Herzog in den “Biology Letters”. Herzog zeigte, dass sich die Veränderungen in der Rassehundpopulation mit demselben Modell erklären lassen wie auch die Verteilung von Vornamen über die Jahrhunderte und die Art der Dekoration auf prähistorischer Töpferware: “Individuen, konfrontiert mit vielen verschiedenen Wahlmöglichkeiten, kopieren eher andere Individuen als ‘optimale’ oder ‘rationale’ Enscheidungen zu treffen.” Nur einige wenige Menschen entwickelten gelegentlich neue Ideen. Genauso, fand Herzog heraus, funktionierte auch das Kaufverhalten der Hundehalter. So wird es zu erklären sein, dass die Bulldogge mittlerweile amerikaweit unter den Top Ten der beliebtesten Hunderassen ist – auch abseits von Hollywood. Und in einer globalisierten Welt schwappt ein solcher Trend schnell nach Europa. In Kürze wird die Englische Bulldogge uns auch in deutschen Fußgängerzonen begegnen. Schon jetzt wirbt ein Rassevertreter im “Deutschen Tierärzteblatt” für ein Antibiotikum.
Englische Bulldogge im “Deutschen Tierärzteblatt”, Ausgabe November 2010
Selbst in den deutschen Feuilletons ist die Englische Bulldogge jetzt sichtbar. Das liegt daran, dass seit wenigen Wochen landauf landab Karen Duves Erfolgsbuch “Anständig essen” rezensiert wird. Wenn man die Autorin nicht gerade mit dem Huhn Rudi zeigt, das sie verletzt aus einem riesigen Legehennenstall gerettet hat, dann wird sie mit ihrem Hund Bulli abgebildet, einer Englischen Bulldogge. Wer sich also für Tiere, Tierrechte und ethisch korrekte Ernährung – die Themen des Buches – interessiert, der kommt nicht darum herum, bei der Morgenlektüre einen typischen Rassevertreter der neuen Modehunde vorgesetzt zu bekommen.
Die Welpenstatistik des Verbands für das Deutsche Hundewesen bildet den Trend zur Englischen Bulldogge noch nicht ab. Allerdings zeigt sie einen neuen Trend meist etwas verspätet. Will man einer Mode auf die Spur kommen, noch während sie entsteht, muss man Tierärzte befragen: In ihren Praxen tauchen fast alle frisch gebackenen Hundebesitzer auf, um die neu erworbenen Welpen gegen Tollwut, Zwingerhusten und andere infektiöse Leiden impfen zu lassen. Also habe ich C. befragt, eine befreundete Veterinärin, die in einer ländlichen Gegend in Nordrhein-Westfalen praktiziert. “Die Englische Bulldogge? Ja, ist im Kommen”, sagt C. “Es gibt ja zwei Schläge: einmal die kleineren, kompakteren mit kurzen Beinen, und dann die wuchtigen, großen, schweren, die daherkommen wie in einer römischen Arena. Oft sind es wohl auch Kreuzungen zwischen beiden oder mit dem American Bulldog, einem nahen Verwandten.” Und wie sind die so, die neuen Bulldoggen? “Nette, freundliche Hunde. Manchmal vielleicht ein bisschen stur.”
Bulldogge für 63,50 Euro im KaDeWe
Mittlerweile sieht man die Englische Bulldogge auch in den Schaufenstern der Innenstädte: als Dekoobjekt aus Gips und Porzellan. So hat es auch vor fünf Jahren mit dem Mops angefangen. Ein untrügliches Zeichen, dass ein Hund bald schwer in Mode kommt.
Ja, die englische Bulldogge...
Ja, die englische Bulldogge wird in der Tat immer beliebter. Sicher gibt es Tierliebhaber, die genau wegen der im Blog beschriebenen Eigenschaften diesen Hund lieben.
Wer sich mit Haltern dieser Rasse unterhält wird immer wieder erfahren, dass es kaum einen anderen Hund gibt, der die ihm entgegengebrachte Zuneigung so liebevoll und herzlich zurück gibt. Auch spielt er wirklich gern den Clown und erheitert die Seinen. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass er durchaus in der Lage ist durch sein Benehmen die Gleichen nahe an die Verzweiflung zu bringen, aber genau das macht ihn aus.
Ein Bullyliebhaber
Laut des deutschen...
Laut des deutschen Tierärzteblatt soll es ja baytril geben. ich hab das produkt mal auf https://www.medpets.de gesucht und leider nicht gefunden. ist es serioes?
Des Weiteren ist mir aufgefallen, dass viele Menschen englisch, sowie franz. Bulldogen oder auch Moepse als fett und faul bezeichnen. das ist nicht so. Auch, wenn sie fett und bequem wirken, sind sie sehr agile Tiere.
Leider muss man dazu auch erwaehnen, dass es unter anderem auch an das herrchen/Frauchen liegt, wie die Person mit dem Hund umgeht.
Ferner können auch andere Hunde gut und ausgiebig schnarchen.
Wenn diese Hunde nur gekauft werden, wiel sie “in” sind, dann mag ich nicht wissen was mit ihnen passiert, wenn sie wieder “out” sind.