Er hat alles, was man braucht, um in den Schlagzeilen zu landen – jedenfalls alles, was ein Krankheitserreger braucht: Er ist häufig (fünfzig Prozent aller Hähnchen tragen ihn in die Haushalte), er macht sehr krank (schwere Durchfälle) und, last but not least, er kann eine rätselhafte und bedrohliche Spätkomplikation auslösen, das Guillain-Barré-Syndrom (chronische Nervenschäden).
Dass er trotzdem noch nie einen Lebensmittelskandal verursacht hat – zumindest keinen öffentlich wahrgenommenen -, schiebt die Handvoll Forscher, die sich mit ihm beschäftigt, auf seinen Namen: “Campylobacter” kann kaum jemand aussprechen, sich niemand merken und oft genug wird es auch noch falsch geschrieben, nämlich mit ph: “Camphylobacter”.
Andere Gründe kann es wohl wirklich kaum geben, denn das Bakterium Campylobacter hat in den vergangenen Jahren eine steile Karriere hingelegt – in Geflügelfarmen, Schlachthöfen und Küchen. Während heute etwa 40.000 Deutsche pro Jahr an Salmonellose erkranken, gibt es 65.000 Campylobacter-Fälle. Bei Befragungen haben allerdings neunzig Prozent der Deutschen schon einmal von Salmonellen gehört – aber nicht einmal zehn Prozent von Campylobacter.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat jetzt ein wissenschaftliches Gutachten vorgelegt, in dem Kontrollmaßnahmen zur Verringerung des Auftretens von Campylobacter bei Hühnern und in Hühnerfleisch beurteilt werden. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass man insbesondere die Ställe, in denen Hühner leben, anders abschotten sollte: mit Fliegengittern etwa oder indem man weniger Menschen hineinlässt, die Bakterien einschleppen können. Nach der Schlachtung könnte man das Fleisch der Tiere mittels Bestrahlung, Kochen oder Einfrieren dekontaminieren. Das Gutachten findet sich hier. Würden beispielsweise in jedem Mitgliedstaat nicht mehr als 25 Prozent der Hühnerbestände positiv auf Campylobacter getestet werden, würde sich die Zahl der Fälle beim Menschen halbieren, schreiben die Experten der Efsa. Bei einer weiteren Absenkung auf lediglich fünf Prozent der Hühnerbestände würde sich das Risiko für den Menschen sogar um 90 Prozent verringern. EU-weit soll es jährlich etwa neun Millionen Erkrankungsfälle geben.
Auch für Deutschland liegen aktuelle Zahlen zum Thema vor: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat unlängst den ersten Bericht über Zoonosen in Deutschland vorgelegt. Zoonosen sind vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheiten – seien es Pilze durch Hautkontakt mit dem Hamster oder Durchfallerreger in tierischen Lebensmitteln. Frisches Hähnchenfleisch ist demnach zu 47 Prozent mit Campylobacter verseucht (und nur zu 8 Prozent mit Salmonellen). Frisches Putenfleisch ist weniger, aber immerhin noch zu 20 Prozent mit Campylobacter belastet. Das ergaben Probennahmen der Länder in Mastbetrieben, in Schlachthöfen und im Lebensmittelhandel, deren Ergebnisse für den Zoonose-Bericht zusammengefasst wurden.
Die Risikoforschung hat Campylobacter schon länger für sich entdeckt. Kontaminationsorte in der Produktionskette sollen aufgedeckt werden, küchenhygienische Fehler analysiert und Krankheitsgeschehen begleitet werden. Eins der ersten Ergebnisse ist recht aufschlussreich: Vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren erkranken. Die Wissenschaftler nehmen an, dass diese Generation keine Einweisung in traditionelle Küchenhygiene mehr erhalten hat. Campylobacter-Keime sterben nämlich ab, wenn man das Hähnchen erhitzt. Zu Erkrankungen kommt es meist, wenn man das rohe Fleisch über anderen Lebensmitteln abtropfen lässt oder dasselbe Schneidebrett benutzt, um das Hähnchen und einen Salat zuzubereiten.