Einen sprechenden Titel hatte sich die damals 17-jährige Helene Hegemann für ihren 2010 erschienenen Erstlingsroman ausgedacht: „Axolotl Roadkill”. Ein Axolotl ist ein lebenslang im Larvenstadium verharrendes Amphibium, mit „Roadkill” bezeichnet man ein Tier, das angefahren wird und tot am Straßenrand liegenbleibt.
Der Bestseller war erst hochgelobt, dann als Plagiat beschimpft worden, schließlich wurde er zum Gegenstand einer ausgedehnten Debatte, die vorwiegend in den Feuilletons stattfand. Eine Meldung schaffte es in diesem Zusammenhang dann auch auf die Gesellschaftsseiten: Die Zahl der Axolotl, die in deutschen Haushalten leben, soll sich durch den Erfolg des Buches plötzlich vervielfacht haben.
Ganz so plötzlich sei der Boom nicht entstanden, und auch nicht durch den Roadkill-Roman allein, korrigiert Frank Mutschmann. „Die Axolotlhaltung boomt schon seit etwa zehn Jahren”, sagt der Tierarzt aus Berlin, der sich auf Reptilien und Amphibien spezialisiert hat. „Das hat damit zu tun, dass es inzwischen gute deutsche Nachzucht gibt. Das Tier sieht skurril aus und ist recht einfach zu halten. Die Hinwendung ist enorm.” Immer mehr Axolotlhalter kreuzen inzwischen mit den Lurchen in den deutschen Tierarztpraxen auf. Mutschmann, der seit zwanzig Jahren eine Spezialpraxis in Berlin führt, hat deshalb eine „Axolotl App” entwickelt, die seit kurzem erhältlich ist. Im Veterinärmedizin-Studium kommen Axolotl nicht vor. Mit der neuen App kann sich jetzt auch der Feld-Wald-und-Wiesen-Veterinär in Sekunden Informationen darüber aufs iPhone rufen, wie man ein Axolotl überhaupt aus dem Transportbehälter hebt – und welches die gängigen Krankheiten der ewigjungen Vertreter aus der Familie der Querzahnmolche sind (hier ein Link zum Werbefilmchen für die App auf Youtube).
Die Kiemenäste können auch mal abbrechen. Dann hilft die App (Foto picture-alliance/dpa)
Außer der steigenden Beliebtheit gibt es noch einen Grund dafür, warum Tierärzte immer öfter ratlos vor einem Vertreter der Spezies stehen. “Die Amphibien werden insgesamt immer populärer”, sagt Mutschmann. „Gleichzeitig verzeichnen wir weltweit ein Amphibiensterben.” Als Ursachen werden der Verlust der Lebensräume, der Klimawandel und eine sich ausbreitende Pilzerkrankung, die Chytridiomykose, diskutiert. “Das heißt, die Tiere werden teurer und steigen im Wert. Deshalb geht man jetzt mit einem Pfeilgiftfrosch oder einem Salamander auch schneller mal zum Tierarzt.”
In Mutschmanns Patientenkartei befinden sich mehrere hundert Axolotl. Ein „Roadkill” war noch nie dabei. „Hin und wieder bringt jemand einen angefahrenen Frosch”, sagt der 54-Jährige. „Aber Axolotl kommen in natura nur rings um Mexico City vor. Außerdem sind sie Wasserbewohner und halten sich selten im Straßenverkehr auf.” Mutschmanns App vermittelt etwa, wie man die bis zu 25 Zentimeter langen Axolotl aus dem Wasser fängt und festhält und wie man Medikamente appliziert. Da die Tiere Kiemen und Lungen gleichzeitig besitzen, kann man sie durchaus außerhalb des Aquariums untersuchen und behandeln. Die App enthält auch eine Liste der Arzneimittel, die Axolotl überhaupt vertragen.
Die häufigsten Erkrankungen der Axolotl seien Technopathien, sagt Mutschmann. Das sind Krankheiten, die durch eine nicht tiergerechte Umgebung und Haltung ausgelöst werden: „Zum Beispiel Verletzungen bei Überbesatz, dann beißen sich Axolotl gegenseitig, ziehen und rupfen aneinander. Oder die Temperatur im Aquarium stimmt nicht. Meist ist es zu warm eingestellt. Axolotl sind Hochlandtiere und bekommen schon bei 28 Grad Zimmertemperatur im deutschen Sommer Schwierigkeiten.” Auch Nikotinvergiftungen kommen vor, wenn die Besitzer starke Raucher sind. Oder Intoxikationen mit dem farbigen Granulat, das die Halter aus Dekogründen in die Aquarien streuen und das die Axolotl aus Versehen aufnehmen. Häufig sind auch die schon erwähnte Chytridiomykose und andere Pilzinfektionen.
Mutschmann überlegt, dann fällt ihm ein, dass er durchaus schon Roadkill-ähnliche Verletzungen bei Axolotln gesehen hat. „Manchmal fangen die Besitzer die Tiere raus und dann knallen sie ihnen auf den Boden. Häufig werden Axolotl auch von Katzen verletzt, die sie aus dem Aquarium angeln.” Manchmal sind dann sogar Kiemenäste abgerissen oder Gliedmaßen versehrt. Und was macht man dann? „Wenn keine inneren Organe verletzt sind, haben die Tiere eine gute Chance”, sagt Mutschmann. „Wenn beispielsweise Kiemenäste abgerissen sind, würde man die Wunde vernähen und mit Laser stimulieren. Ein verletztes Bein kann man auch amputieren.” Klingt dramatisch, ist es aber wegen der wundersamen Regenerationsfähigkeit der Tiere nicht: „Nach vier Wochen ist alles wieder nachgewachsen.”
Frage Nr. 1: Welches...
Frage Nr. 1: Welches Rechtschreibelexikon verbrieft, dass der Plural der Dauerpubertierenden wirklich Axolotl lautet, Axoloti klingt doch auch gut?
Frage Nr. 2: Wird dieses nie erwachsene Tier schon als Sympathieträger für die Kosmetik-, Trendsportartenwerbung oder Schönheitschirurgie entdeckt und markenrechtlich verwertet?
Frage Nr. 3: Da sich das Axelotl wohl zur Fortpflanzung paart, ist es aufgrund seiner expliziten Dauerhalbwüchsigkeit nicht eine jugendgefährende Spezies?