Bis 2013 müssen wir noch warten. Dann endlich werden konkrete Daten eine Debatte erhellen, die derzeit für Unruhe sorgt: die Diskussion um Antibiotikaeinsatz in Nutztierbeständen. Das versprachen die Vertreter des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) am Mittwoch in Berlin während einer Pressekonferenz auf der “Grünen Woche”. In etwa einem Jahr nämlich lägen die Ergebnisse der VetCAb-Studie vor, erklärte Annemarie Käsbohrer, Veterinärmedizinerin und im Nationalen Referenzlabor für Antibiotikaresistenz am BfR tätig. Die Studie, die man schon vor sechs Jahren zu planen begann, soll im Auftrag des BfR den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung erfassen, damit er auf wissenschaftlicher Grundlage genauer beurteilt werden kann. Langfristig sollen die Daten helfen, Resistenzen gegenüber Antibiotika einzudämmen.
VetCAb steht für “Veterinary Consumption of Antibiotics”. Das Projekt wird von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig durchgeführt. Die Wissenschaftler fragen dabei Daten verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe ab. Vorgeschlagen werden die Betriebe von Tierärzten, die man für das Projekt gewinnt. Die Teilnahme ist freiwillig; erklärt ein Landwirt sich bereit, werden seine Daten anonymisiert. Auf diese Weise sollen im kommenden Jahr repräsentative Verbrauchsmengen für Antibiotika vorliegen.
Es gehe darum herauszufinden, wie man die Informationen über Antibiotikagebrauch in der Landwirtschaft überhaupt ermitteln könne, sagte Käsbohrer: Direkt im Bestand, beim Tierarzt oder über die Pharmaunternehmen? “Die Dokumentationspflichten sind da”, erklärte die Tierärztin. Ein Problem sei, dass es sich im landwirtschaftlichen Betrieb häufig um handschriftliche Informationen handle. Tierarztpraxen hingegen dokumentierten die Arzneimittelabgaben per Computer. Für die Pilotstudie VetCAb werde deshalb die Tierarzt-EDV ausgelesen, falls der betroffene Landwirt einverstanden sei. Diese Daten werden an das System “Vetidata” übertragen, das die Plausibilität der Daten überprüft. So ist außerdem eine Umrechnung in konkrete Wirkstoffmengen – unabhängig von den einzelnen Handelsprodukten – möglich. Vetidata ist ein Informationssystem zu Arzneimittelfragen in der Veterinärmedizin, das an der Universität Leipzig entwickelt wurde.
So sehen die Gegner der Massentierhaltung bei einer Demo in Berlin den Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft: Die Spritze halten die Pharmaindustrie (hinten) und der Bauer (vorn).
Es war einigermaßen bezeichnend, dass Antibiotika zum dominierenden Thema der Pressekonferenz wurden. Denn eigentlich hieß die Veranstaltung in Halle 6 “Gestern Dioxin und Ehec, heute Antibiotika – und morgen?” Die Berliner Risikoforscher wollten auf ihr zehnjähriges Bestehen hinweisen und auf ihr Motto: “Krisen vermeiden, bevor sie entstehen”. Die Fragen der Journalisten, denen sich Andreas Hensel, Präsident des BfR, Vizepräsident Reiner Wittkowski und Annemarie Käsbohrer nach einigen einleitenden Worten stellen mussten, bezogen sich jedoch nur auf Antibiotika, Tierhaltungsformen und Resistenzprobleme. Vergessen sind Ehec und Dioxin angesichts der aktuellen Fragen, die durch die ministeriellen Studien über Antibiotika in der Geflügelmast in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und durch die Enthüllungen des BUND über resistente Keime auf Hähnchenfleisch besonders drängend geworden sind.
Am Interesse von Medien und Öffentlichkeit an den Themen Antibiotika und Massentierhaltung wird auch die doch recht eindeutige Stellungnahme der drei Risikoexperten nichts ändern können: Den Ehec-Ausbruch sehen sie als eine schwerwiegende Krise an, in der eine reelle Gesundheitsgefahr für große Gruppen im Raum stand. Dioxin hingegen, das große Thema im Januar 2011, “hat sich zu einer Krise entwickelt, die auch politisch benutzt worden ist”, sagte der Lebensmittelchemiker Reiner Wittkowski. Und das, obwohl das BfR damals schnell öffentlich festgestellt habe, dass keine Gefahr für den Verbraucher von Eiern oder Fleisch ausgehe. Wittkowskis Fazit: “Unabhängig davon, ob eine Gefahr besteht, kann eine Krise zu einer Krise werden.” Ähnlich ist es nun um die Antibiotikaresistenzen bestellt. “Multiresistente Keime in der Landwirtschaft sind seit Jahren bekannt”, sagte Andreas Hensel. Üblicherweise verursachten die beiden vom BUND entdeckten Spezies, MRSA-Keime und ESBL-E.coli-Bakterien, keine Lebensmittel-assoziierten Infektionen, ergänzte Käsbohrer. Es gehe um eine andere Frage, so Hensel: “Wollen wir die Tiere so halten, wie wir es tun? Das ist die Frage, es geht nicht nur um die Multiresistenzen an sich.”
Andreas Hensel, Reiner Wittkowski und Annemarie Käsbohrer vom BfR
An dieser Frage entfacht sich gerade eine heftige politische Diskussion. Die Risikoforscher sind nicht die einzigen, die sich auf der Grünen Woche bewusst den Journalistenfragen in Sachen Antibiotika stellen. Am Donnerstag werden gleich mehrere Tierarztverbände in Podiumsdiskussionen und Pressekonferenzen ihre Sicht darlegen. Von Seiten des BfR mahnt man einen differenzierten Blick an: Aus Sicht des BfR sei der massive Einsatz von Antibiotika bedenklich, weil man tatsächlich mit einem Resistenzproblem zu kämpfen habe, sagte Käsbohrer. “Es ist aber zu prüfen, ob der hohe Einsatz in der Landwirtschaft mit den Resistenzen in Zusammenhang steht oder ob auch Ko-Resistenzen eine Rolle spielen.” Dabei werden Keime gegen eine ganze Gruppe von Antibiotika resistent, sind aber nur einem einzigen Stoff ausgesetzt gewesen. Käsbohrer setzt auch darauf, den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung nicht blind zu reduzieren, sondern vor allem die WHO-Liste der “Critically important microbials” zu berücksichtigen, also derjenigen Antibiotika, die für den Menschen besonders wichtig sind. Daneben sei es überlegenswert, Masthähnchen ein wenig älter werden zu lassen, sagte Hensel – also eine Mast, die auf langsameres Wachstum setzt. Außerdem sei es wichtig, schon die Gesundheit der Eltern- und Großelterntiere zu überprüfen. “Der Einsatz eines Antibiotikums allein ist ein sehr kleiner Indikator für die Gesundheit von Tieren.”
Doch die Debatte um die antimikrobiellen Arzneimittel geht weiter. Gerade erst hat die Umweltorganisation BUND eine neue Meldung herausgegeben: Im Abstand von bis zu 400 Metern von einer Geflügelmastanlage in Niedersachsen fand ein Team der Organisation am Boden und auf Pflanzen antibiotikaresistente Keime. Auch das sei nichts Neues, betonte Andreas Hensel in Berlin und verwies auf ähnliche Forschungsergebnisse der Universität Paderborn. Studien, die vermutlich zu anderen Zeiten keine großen Wellen geschlagen hätten, so spektakulär und beunruhigend sie auch sind. Doch im Moment steht der Wind besonders günstig – wohl auch, weil gerade ein Jahr vergangen ist, in dem ein Lebensmittelskandal nach dem anderen das Vertrauen in die Landwirtschaft und die Ernährungsindustrie erschütterte.
In allen Artikeln oder Blogs...
In allen Artikeln oder Blogs die ich in der FAZ so lese, bekomme ich immer wieder den Eindruck, dass die Autoren einen Eindruck von neutraler und sachlicher Berichterstattung erwecken wollen. Ich finde diesen Artikel nicht schlecht, doch es ziehen sich auch hier Zeilen die Zweifel an der Problematik der Massentierhaltung sähen sollen wie ein roter Faden durch den Text.
So z.B.: “Studien, die vermutlich zu anderen Zeiten keine großen Wellen geschlagen hätten, so spektakulär und beunruhigend sie auch sind. Doch im Moment steht der Wind besonders günstig”.
Es wird niemals ernsthaft auf die Frage eingegangen die ja auch am Ende des fünften Absatzes angerissen wird nämlich: “Wollen wir die Tiere so halten, wie wir es tun? Das ist die Frage, es geht nicht nur um die Multiresistenzen an sich.”
Wie gierig sind wir und wie wenig sind wir bereit unseren Fleischkonsum zu begrenzen, damit wir es uns leisten können, nur noch Fleisch aus “humaner” Tierhaltung zu essen. Wenn man sich die Bilder von Geflügel- oder Schweinemastbetrieben ansieht, so kann doch kaum ein Mensch ernsthaft sagen, dass dies völlig in Ordnung sei. Viele Menschen die damit konfrontiert werden, weichen dem Thema aus, sagen das es sicher nicht überall so schlecht sei oder sonstiges. Niemand ist aber so ehrlich einzugestehen, dass es widerlich und um es ehrlich zu sagen beschissen ist wie das durchschnittliche Masttier gehalten wird, und er es im Prinzip auch nicht gut findet, er aber zu bequem und zu gierig ist um auf seinen ganz normalen, täglichen Supermarkt-Fleischkonsum zu verzichten! Lieber lässt man sich doch von den Bildern und netten Phrasen der Lebensmittelindustrie einlullen, ohne einzugestehen, dass der billige, “ganz normale” Supermarktpreis für Fleischprodukte überhaupt keine Tiergerechte Haltung zulässt.
Nein diese Themen werden auch in ganz normalen Zeitungsartikeln oder Blogbeiträgen wie diesem hier, überhaupt nicht vertieft.
Stattdessen wird lieber Für und Wieder der Lebensmittelindustrie besprochen: da werden Argumente geliefert die im Tenor in etwa so lauten: die Lebensmittelindustrie in Deutschland ist ja hauptsächlich mittelständisch; es hängen viele Arbeitsplätze daran; früher wären wir dankbar dafür gewesen; die hygienischen Bedingung und die Haltbarkeit der Lebensmittel hat sich verbessert.
Über den Sinn oder Unsinn dieser Argumente möchte ich hier gar kein Wort verlieren. Für mich ist die ganze Debatte völlig irrelevant ist da sie doch vor allem eines ist: Gewissenlos!
Das die Tiere ständig Antibiotika bekommen ist für mich nur nebensächlich. Mir ist es auch relativ Wurst ob ein Mais genverändert ist oder nicht. Ich bin auch kein Vegetarier weil ich gerne Fleisch esse.
Mir geht es nur darum wie die Tiere gehalten werden! Und das schöne an Tieren die gut gehalten werden ist; sie schmecken sogar noch besser! Zumindest als solche die zeitlebens unter Stress standen. Wer könnte es ihnen verübeln, das wäre bei mir sicher nicht anders. Wenn sie mir nicht glauben und diese Argument nicht zulassen wollen, so ist es vermutlich nur mein lästiges Gewissen was mir vorgaukelt das das “glückliche” Fleisch besser schmeckt, weil ich weis das ich nicht gerade wieder so eine bemitleidenswerte Kreatur esse und mit dafür sorge das diese Art von Tierhaltung auch immer schön so weiter geht.