Schlafstörungen, sozialer Rückzug, Probleme im Job, Selbstverletzungen, Depressionen, Schuldgefühle, Essstörungen und ein Gefühl von Leere – die Forscher um Yuya Kimura vom Hatogaya Animal Hospital in Saitama, Japan, listen nun in einer neu veröffentlichten Studie eine beachtliche Zahl von Schwierigkeiten auf, mit denen Tierhalter nach dem Tod ihres Tieres kämpfen. Auf diese Symptome und Probleme wurde bereits in früheren Studien hingewiesen.
Kimura hat nun im “Journal of Veterinary Medical Science” eine weitergehende Analyse veröffentlicht, um zu klären, wie verbreitet psychosomatische Störungen nach dem Tod eines Haustieres sind und wovon die Symptomstärke abhängt. Das japanische Forscherteam verteilte Fragebögen an Tierhalter in vier verschiedenen Tier-Krematorien, die sich unter anderem in Tokio und Hokkaido befanden. 82 von 400 Befragten lieferten den ausgefüllten Bogen dann auch tatsächlich wieder bei den Wissenschaftlern ab. Darunter waren 26 Hunde- und 46 Katzenbesitzer; die restlichen zehn hatten andere Tierarten gehalten. Bei mehr als der Hälfte (56 Prozent) der Tierhalter seien nach dem Verlust “neurotische Symptome” aufgetreten, bilanzieren die Forscher – Depression, Angst, Schlaflosigkeit und somatische Störungen. Dabei wurden einige bemerkenswerte Einflussfaktoren augenfällig. Die Symptome waren zum einen umso stärker ausgeprägt, je jünger die Befragten waren (das Alter der Probanden reichte von 22 bis 89 Jahren). Ältere Tierhalter entwickelten nach dem Verlust offenbar weniger psychosomatische Störungen. Zum anderen war die Trauerreaktion bei Frauen stärker ausgeprägt. Es spielte außerdem eine Rolle, ob das Tier in der Wohnung lebte, ob es verhältnismäßig jung war, als es starb, und ob der Halter bereits viele belastende Lebensereignisse durchgemacht hatte. All diese Faktoren riefen eine stärkere psychosomatische Reaktion hervor.
Ältere Tierhalter zeigen mildere psychosomatische Reaktionen (Foto ddp)
Wie Tierhalter Abschied nehmen wollen und in welche Konflikte sie verstrickt sind, wenn in der Tierarztpraxis über die Einschläferung eines schwer kranken Tieres nachgedacht wird – diese Frage ist zu einem Debatten- und Forschungsthema in der Veterinärmedizin avanciert. Auch in Deutschland: Kaum ein tiermedizinischer Kongress vergeht, ohne dass ein Seminar zum Umgang mit Patientenbesitzern in der Krisensituation der Einschläferung angeboten wird.
“Wir Tierärzte sehen oft Halter, die Probleme haben, ihr Tier gehen zu lassen”, sagte Tiffany Hemming von der britischen Tierärzteorganisation “Animal Welfare Foundation” (AWF) vor wenigen Wochen dem renommierten Fachjournal “Veterinary Record”. Anlass des Berichts war eine neue Broschüre, die die AWF herausgegeben hat. Sie richtet sich an Tierhalter und heißt “Saying goodbye – the ultimate kindness”. Das Heft erklärt, welche Möglichkeiten ein Halter am Ende des Lebens seines Haustieres hat und welche verschiedenen Prozeduren und Mittel für die “Einschläferung” zur Verfügung stehen. So will man Halter besser vorbereiten und auch Tierärzte in der Krisen-Kommunikation unterstützen.
Einen vergleichsweise pragmatischen Beitrag zum Forschungsfeld liefert eine neue Studie aus Israel. Es geht darin um den konkreten Ablauf des Trauer- und Abschiedsprozesses. Die Autoren um Lilian Tzivian von der Ben Gurion Universität des Negev werteten 29 Interviews mit Hundehaltern aus, die in den ersten zwei Wochen nach dem Tod der Tiere geführt worden waren. Die Wissenschaftler konnten fünf Hauptphasen des Abschieds- und Trauerprozesses ausmachen: Zuerst fiel die Entscheidung für die Einschläferung, dann setzte man sich mit diesem Gedanken mental auseinander und stellte sich das Geschehen vor. Anschließend kam es zum Begräbnis und dann zu Trauer- und Verlustgefühlen. Schließlich begann ein neuer Abschnitt: Die Halter begannen, sich gedanklich damit zu beschäftigen, ob ein neues Haustier angeschafft werden sollte. Alle Halter hätten diese fünf Phasen erlebt, bilanzieren die Autoren. Dabei seien nur kleine Unterschiede zu erkennen gewesen.