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Katholische Weltjugendtage und Kirchensteuern, Ökumene und die Segnung homosexueller Paare, Streit über multireligiöse Feiern und

Das Kölner Modell

Mit "multireligiösen Feiern" in Schulen ist jetzt Schluss. Und das ist wohl auch gut so.

Vor annähernd zwei Jahren war der Kölner Kardinal Joachim Meisner wieder einmal der Buhmann der Nation. Ausgerechnet am Nikolaustag 2006 gab der Bischof anscheinend den Knecht Ruprecht und wies – „Knüppel aus dem Sack“ – die katholischen Religionslehrer im Erzbistum Köln an, nicht mehr an so genannten „multireligiösen Feiern“ an Schulen teilzunehmen. Auf der nach oben offenen Richterskala der politischen Korrektheit stieg die öffentliche Erregungskurve binnen weniger Tage steil in die Höhe. Nicht nur von Unionspolitikern musste sich der Meisner nachsagen lassen, sie stünden in Sachen interreligiöses Miteinander dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. näher als der Kölner Kardinal. Dass Meisner Unterstützung auch von unverdächtiger Seite erhielt, ging im Krawall unter. Die evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann (Hannover) etwa meinte, erst müsse erst eine Beheimatung in der eigenen Religion vollzogen sein, „dann können gemeinsame Gottesdienste gefeiert werden“. Ein ausdrückliches Verbot sogenannter „multireligiöser Feiern“ hielt die Bischöfin jedoch nicht für notwendig: „Wir sehen die respektvolle Teilnahme am Gebet des jeweils anderen als richtigen Weg.“

Das sahen die deutschen Bischöfe in ihren „Leitlinien für multireligiöse Feiern von Christen, Juden und Muslimen“ aus dem Jahr 2003 nicht anders – und das in voller Übereinstimmung mit Papst Johannes Paul II. und dem epochemachenden „Friedensgebet von Assisi“, für das der Papst am 27. Oktober 1986 gemeinsam mit Buddhisten, Hindus, Muslimen und Juden, Sikhs, Parsen, Shintoisten und Repräsentanten traditioneller afrikanischer und amerikanischer Religionen in die Toskana gepilgert war. Damals hatte in der Stadt des heiligen Franziskus ein jeder zunächst einen Gottesdienst nach seiner Tradition gefeiert. Anschließend fand man sich zum Friedensgebet zusammen. Und um jeden Anschein einer Vermischung von religiösen Traditionen und einer Einebnung der verschiedenen Gottesvorstellungen zu vermeiden, beteten die Religionsführer nicht gemeinsam. Sie traten nacheinander vor und sprachen Gebete, denn – so hatte Gastgeber Papst Johannes Paul II. schon vorher formuliert: „Man kann sicher nicht zusammen beten, aber man kann zugegen sein, wenn die anderen beten.“

Freilich zog der Kölner Kardinal nicht deswegen der Unmut vieler Wohlmeinender auf sich, weil er an diese nicht immer allzu ernst genommene Maxime erinnerte. Angreifbar machte er sich auch nicht, weil er in Übereinstimmung mit den „Leitlinien“ der Bischofskonferenz „multireligiöse Feiern“ ablehnte, in der Christen, Muslime oder auch Juden sich gemeinsam in von allen getragenen Worten und Zeichen an Gott wenden. Diese Feiern würden der Vielheit der Glaubensvorstellungen nicht gerecht, vereinnahmten unterschiedliche Gottesvorstellungen und verschleierten vorhandene Gegensätze. Meisner störte sich vielmehr daran, dass „multireligiöse Feiern“ in Schulen ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Traditionen der Religionen für innerschulische Integrationsbemühungen instrumentalisiert wurden. Außerdem erschienen ihm die Risiken religiöser Begegnungen in Schulen und für Schüler im Zweifel höher ihr Nutzen: Das vorbildliche „unvermischt und ungetrennt“ von Assisi sei schon für Erwachsene oft kaum nachvollziehbar. Um so weniger solle man Kinder und Jugendliche religiösen Konstellationen aussetzen, die eher Verwirrung als Klarheit schüfen.

 Am Mittwoch haben die deutschen Bischöfe eine vor längerer Zeit angekündigte Neufassung ihrer „Leitlinien“ aus dem Jahr 2003 vorgelegt. In der neuen Version der „Handreichung“ fehlen nicht nur die missverständlichen Begriffe „multireligiös“ und „Feier“. Außer dem Sprachgebrauch wurden auch die Ausführungen über religiöse Begegnungen in Schulen verändert – und das ganz im Sinne Meisners, oder auch Frau Käßmanns: Das multikulturelle Zusammenleben und -arbeiten könne im schulischen Alltag nur gelingen, so heißt es, wenn Kinder und Jugendliche Respekt und Rücksichtnahme lernten, aber „in gleicher Weise in ihrer eigenen religiösen Tradition und Kultur gebildet werden“. Eigene Schulgottesdienste für Christen und  Angehöriger andere Religionen seien deshalb unabdingbar.

Das bewusste Zusammenwirken von Amtsträgern verschiedener Religionsgemeinschaften in Schulen wird von den Bischöfen nicht verboten, genausowenig wie das Erzbistum Köln jeder Form gemeinsamer Feiern verboten hat. Im Blick auf besondere Anlässe, etwa den Beginn oder das Ende eines Schuljahres, könnten die Glaubensgemeinschaften an getrennten Orten ihren jeweiligen Gottesdienst feiern; „anschließend kann im Rahmen einer Begegnung in der Schule ein kurzes Grußwort eines Vertreters beziehungsweise einer Vertreterin der jeweiligen Glaubensgemeinschaft erfolgen.“ Das ist das „Kölner Modell“.

Im übrigen erinnern die Bischöfe wie schon im Jahr 2003 daran, dass religiöse Begegnungen von christlicher Seite aus möglichst ökumenisch getragen und von Geistlichen beziehungsweise kirchlich Beauftragten mitgestaltet werden sollten. Bei Vertretern nichtchristlicher Religionen sei darauf zu achten, für wen sie sprächen und wen sie repräsentierten; sie sollten von ihren Institutionen anerkannt oder offiziell beauftragt sein. Abschließend heißt es: „Bei der Durchführung von Gebetstreffen sollte darauf geachtet werden, dass die Unterschiede zwischen den Vertretern der christlichen Konfessionen und der anderen beteiligten Religionsgemeinschaften von den Mitfeiernden wahrgenommen werden.“ Darin dürften sich die Bischöfe nicht nur untereinander völlig einig sein, sondern auch mit Muslimen und Juden.