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Katholische Weltjugendtage und Kirchensteuern, Ökumene und die Segnung homosexueller Paare, Streit über multireligiöse Feiern und

Der Zahnpasta treuer als der Kirche

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Ein bisschen unfair ist das schon: Während katholische Bischöfe jeden Skandal gelassen aussitzen könnten, müssen sich evangelische Pfarrer einer neuen Umfrage zufolge mächtig anstrengen - denn Protestanten sind zum Teil ihrer Zahnpasta treuer als ihrer Kirche.

 

Der Vatikan hält den römisch-katholischen Klerus und mit ihm auch die katholischen Laien fit im Umgang mit öffentlicher Empörung. Ein wenig Aufruhr von Zeit zu Zeit unterzieht die Loyalität der Gefolgschaft einer heilsamen Prüfung. Mögen die Funktionäre zaghaft ihre Kritik äußern und sich die Laien mitunter auch entsetzen über den einen oder anderen Missstand, den Schoß ihrer Kirche werden sie schon nicht verlassen. Eine Untersuchung legt nahe, dass römisch-katholische Bischöfe in der Tat jedwedem Rummel ganz gelassen entgegenblicken können, wogegen ähnliche Vorfälle in protestantischen Kirchen womöglich zu ganz anderen Folgen führten. Die repräsentative Umfrage von Ellison Research unter 1007 Amerikanern brachte – nicht ganz unerwartet – dramatische Differenzen zwischen Katholiken und Protestanten hinsichtlich ihrer Kirchentreue zum Vorschein: Während 60 Prozent der Katholiken Amerikas sagen, dass sie nur einer römisch-katholischen Gemeinde angehören wollen, sagen nur 16 Prozent aller Protestanten, dass sie nur eine Gemeinde ihrer „denomination“ (der Begriff schwankt in seiner Bedeutung zwischen Kirchenbund, Bekenntnisstand und Frömmigkeitsstil) bei einem Ortswechsel in Erwägung ziehen würden. Noch deutlicher ist die Distanz zu einer bestimmten Organisation bei den meist liberaler gesinnten mainline protestants ausgeprägt; bei ihnen sind nur 14% Prozent ausschließlich der eigenen Kirche zugewandt.  Damit dürften sie der eigenen Frau treuer sein als der eigenen Konfession (wohingegen dieser Vergleich  bei den Katholiken unter Umstände genau umgekehrt ausfiele).

Andere Untersuchungen belegen auch unter den mainline churches, dass die liberalsten der liberalen Kirchen die größten Problem mit Mitgliederschwund haben. So haben die auch im Vergleich mit den religiös gemäßigten europäischen Breiten extrem progressiven Denominationen United Church of Christ und Unitarian Universalists – bei denen die Glaubensinhalte dann schon einigermaßen amorph sind – auch den größten Mitgliederschwund zu beklagen. Unter den mainline denominations ist der liberale Arm der amerikanischen Lutheraner noch der erfolgreichste, reicht aber in seinem Erfolg im Bemühen um Mitglieder niemals an die „harten“ Evangelien der Evangelikalen heran.

Augenfällig macht die Studie die Lauheit oder – positiv gewendet – Unbekümmertheit der Protestanten durch den Vergleich mit den Präferenzen bei Konsumgütern:

Während also nur 16 Prozent der durchschnittlichen protestantischen Kirchgänger ihrer Denomination in jedem Fall die Treue halten würden, halten immerhin 19 Prozent an ihrem präferierten Toilettenpapier und sogar 22 Prozent ihrer Zahnpasta-Marke fest. Die mainline-Kirchgänger schaffen es sogar, ihrer Konfession weniger verlässlich verbunden zu sein als ihrem Schmerzmittel. Die Denomination steht bei Ihnen auf einer Ebene mit dem präferierten Soft-Drink.  

Welche Schlüsse können die evangelischen Kirchenleitungen in Deutschland aus den amerikanischen Daten ziehen? Zunächst kaum welche, denn in Sachen Religion ist der Unterschied zwischen Amerika und Europa kaum zu überschätzen. Der Zusammenhang von höherer Kirchenverbundenheit und römisch-katholischem Bekenntnis im Vergleich mit den Protestanten ist dennoch auch für Deutschland gut belegt und die EKD verliert trotz weitaus geringerem Skandal-Faktor beständig mehr Mitglieder als ihr römisch-katholisches Gegenüber. Da man der Institutionensprödigkeit des Durschnittsprotestanten nicht wird ändern können, bleibt der EKD nur: Skandale vermeiden, Missstände konsequent ahnden und eine hohe Qualität von Beerdigungen, Taufen, Konfirmationen und Trauungen liefern. Das erhält die Gesamtfitness und die ist im Darwin-Jahr ja besonders angeraten. 


4 Lesermeinungen

  1. »Der eigenen Frau treuer als...
    »Der eigenen Frau treuer als der eigenen Konfession«? — das ist doch mal ein ganz hervorragender geistlicher Ansatz, ist doch eheliche Treue biblisch geboten, Denominationsbildung hingegen (man lese den ersten Korintherbrief) strikt untersagt. Es ist ja gerade das Problem des modernen Christentums, daß de facto die Treue zu ererbten Traditionen (und damit zur Konfession) fast immer höher steht als die Treue zu Christus (und seinem Wort) selbst. Wäre das anders, bräuchten wir uns über Konfessionen bzw. Denominationen keine Gedanken zu machen; es gäbe sie nicht. Das hat schon Petros gewußt, da er feststellte, daß wir selbst aus der von den Vätern ererbten Religiosität (also dem ganzen Traditionsgemenge) erlöst werden müssen.

  2. kroflin sagt:

    Es müsste heissen: sie sind...
    Es müsste heissen: sie sind einem wehrlosen Individuum treuer als dem ganzen System, welches dadurch nicht zusammenbricht. Sie sind funktionalen Werten treuer als rein ästhetischen.

  3. sonderhai sagt:

    na ja, das war eine Umfrage...
    na ja, das war eine Umfrage unter Amerikanern. Dort ist in „protestantischen“ Kreisen durchaus üblich, bei Veränderung des sozialen Status auch die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden denomination „anzupassen“. So weit ich weiß demonstriert die Zugehörigkeit zu den Baptisten den höchsten gesellschaftlichen Status, Pflingstler aller Couleur finden sich in den untersten sozialen Rängen.
    Das Problem deutscher protestantischer Landeskirchen ist doch eher die Beliebigkeit protestantischer Lehrmeinung, insgesamt betrachtet. Wo nahezu jede Meinung irgendwie „wahr“ ist und die Ablehnung irgendwelcher Ansichten gleich als intolerant, lieb- und verständnislos beschimpft wird, kann auch kein Halt geboten werden. Konservativere protestantische Bewegungen leiden darunter weniger. Der gemeine Mensch will nämlich hören, was richtig und falsch ist, auch wenn es ihm im Ergebnis oft nicht paßt und er sich daran reibt.
    Die Katholische Kirche hat übrigens das gleiche Problem der Beliebigkeit, das fällt nur Protestanten im allgemeinen nicht auf, weil sich der Vatikan ab und zu zu Fragen kirchlicher Lehre äußert, was dann meistens als „reaktionär“ und mittelalterlich empfunden wird und der Eindruck erweckt, die ganze Kirche sei so. Fakt ist aber, daß bei zahlreichen Priesteramtskandidaten eine völlige Ahnungslosigkeit in Lehrfragen herrscht, dem Papst und allen Bischöfen sei’s geklagt, die Gemeindearbeit ist dann auch entsprechend. Für mich kein Wunder, daß auch derart viele Leute aus der Katholischen Kirche austreten.
    Und es ist kein Wunder, daß sich viele Leute abstrusen Bewegungen, Wunderheilern etc. anschließen. Da wird Glaube und nochmals Glaube verlangt, der kritische Blick hingegen ist unerwünscht.

  4. begukula sagt:

    Die "liberalen" Evangelischen...
    Die „liberalen“ Evangelischen Christen verwässern oder verschweigen die wesentlichen Inhalte des Evangeliums. Wenn also unklar ist, an was diese Leute glauben, ist es ganz logisch, dass viele sich mit Wischiwaschi nicht mehr identifizieren können. Gerade die lutherische Konfession hat eine so klare Auslegung des Evangeliums, nur wissen das viele Geistliche einfach nicht mehr. Und in der lutherischen Hirarchie steigt oft der kleinste gemeinsame Nenner auf. Diese Leute z. B. in der Nordelbischen Synode schrecken mit ihren Meinungsäußerungen doch eher ab. Die Evangelisch-lutherische Kirche braucht dringend eine Reformation im Sinne Luthers – zurück zu den Quellen!
    Um die Kirche brauchen wir uns dennoch langfristig keine Sorge machen, denn Jesus Christus ist und bleibt ihr Haupt.

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