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ÜberKreuz

Katholische Weltjugendtage und Kirchensteuern, Ökumene und die Segnung homosexueller Paare, Streit über multireligiöse Feiern und

Das Spiel heißt: 14 aus 22

Frauen und Männer, Linke und Rechte, Lutheraner und Reformierte. Die Kandidatenliste für die EKD-Ratswahl ist da.

 

Es ist ein fein austariertes Tableau, dass der Ratswahlausschuss da erarbeitet hat: Frauen und Männer, Progressive und Evangelikale, Lutheraner und Reformierte, Linke und Rechte, Junge und Alte – viele Gruppierungen, Strömungen und Interessen mussten bei der Erarbeitung der Kandidatenliste für die Ratswahl Ende Oktober berücksichtigt werden. Nun hat die EKD die Liste mit den 22 Namen veröffentlicht – und sie entspricht im wohl wichtigsten Punkt, den nominierten Bischöfen, exakt dem, was man sich vorher bereits ausrechnen konnte.

Benannt wurden neun Leitende Geistliche. Unter Ihnen wird in Ulm ausgemacht werden, zunächst: Wer es überhaupt in den Rat schafft. Und später: Wer Nachfolger von Wolfgang Huber, des derzeitigen Ratsvorsitzenden, wird. (Genaueres zum Verfahren kann in einem der ersten Überkreuz-Blogeinträge nachgelesen werden.)

Als Favoritin für den Ratsvorsitz wird oft Margot Käßmann genannt, die Landesbischöfin aus Hannover. Sie steht der größten Landeskirche der EKD vor, ist Lutheranerin und in der Öffentlichkeit weit bekannter als jeder ihrer möglichen Konkurrenten. Sie steht auf der Liste, klar. Ebenso stehen auf der Liste der Leitende Bischof der Lutheraner (VELKD), der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich und der Vorsitzende der Unierten (UEK), der badische Landesbischof Ulrich Fischer. Die Namen beider mussten ebenfalls zwingend auf der Liste stehen.

Jochen Bohl, der sächsische Landesbischof, vertritt die östlichen Landeskirchen und hat sich in letzter Zeit mit Äußerungen profiliert, die auch den Evangelikalen in der Kirche geschmeichelt haben dürften. Der Württemberger July ist theologisch ebenfalls kein Liberaler, kann aber mit allen Strömungen der Kirche gut umgehen. Aus Gründen des Proporzes war seine Nominierung nicht zwingend; es kann passieren, dass ihn deswegen kaum einer wählt – oder im Gegenteil sehr, sehr viele. Er wird bei der Synode in Ulm Gastgeber sein, was die Personalie July zu einer besonders spannenden macht. Der Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, ist in der EKD äußerst präsent, zuletzt vor wenigen Tagen noch als Gastgeber der „Zukunftswerkstatt“ in Kassel. Er spricht eine klare Sprache – und ist dabei manchmal provokant. Wie July ist er kein Muss auf der Liste, aber auch mit seiner Nominierung wurde gerechnet.

Präses Nikolaus Schneider aus dem Rheinland steht einer großen und wichtigen Landeskirche vor, er ist bestens vernetzt und auch weithin beliebt in der EKD.  Schneider ist ein progressiver, politisch eher nach links orientierter Theologe. In der EKD-Synode gibt es viele, die ähnlich wie Schneider denken.

Ein Reformierter Christ darf auf der Liste natürlich nicht fehlen: Die Wahl des Ausschusses fiel nicht auf den EKD-Militärbischof Martin Dutzmann aus der Lippischen Landeskirche, sondern auf Jann Schmidt, den Kirchenpräsidenten der Evangelisch-Reformierten Kirche. Hat 2009 auch ein Reformierter Chancen auf den Ratsvorsitz? Eher nicht – eigentlich wären ja auch die Lutheraner mal wieder dran.

Bei Bischof Gerhard Ulrich aus Nordelbien erlauben wir uns ausnahmsweise die Verwendung der Bezeichnung „shooting star“. Er wurde erst 2008 gewählt und nahm in der entstehenden Nordkirche gleich die Zügel in der Hand. Als Kandidat des Nordens hat er Chancen auf einen Sitz im Rat, der Ratsvorsitz kommt allerdings für ihn 2009 mit Sicherheit nicht in Frage. 

Soweit zu den neun nominierten Leitenden Geistlichen. Sechs oder sieben von ihnen sollten es in den Rat schaffen. Der besteht aus 15 Mitgliedern, wobei die Präses der EKD-Synode, die Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt, bereits qua Amt Mitglied des Rats ist. Bleiben also 14 freie Plätze, minus die sechs bis sieben Leitenden Geistlichen, die in den Rat kommen werden. Die übrigen Positionen werden mit Theologen, Kirchenjuristen und, vor allem, Laien besetzt, die jeweils verschiedene Gruppen in der Kirche repräsentieren sollen.

Da unter den neun Kirchenleitenden nur eine Frau ist, aber der Proporz zu wahren ist, finden sich in dieser Gruppe der Nominierten, also diejenigen, die nicht Leitende Geistliche sind, mehr Frauen als Männer. Die Erzieherin Tabea Dölker etwa fährt auf dem Evangelikalen-Ticket, die Mathematikerin Elke Eisenschmidt (Jahrgang 1981) auf dem Jugend-Ticket, Pfarrer Fidon Mwombeki auf dem Ökumene-Ticket, die Architektin Gesine Weinmiller auf dem Kultur-Ticket und die Professorin Annette Scheunpflug wohl auf einem Forschungs-Ticket. Marlehn Thieme, Direktorin der Deutschen Bank, ist bereits seit 2003 im Rat – sie repräsentiert die Wirtschaft. Nominiert sind auch der Journalist Uwe Michelsen und die Pfarrerin Ulrike Trautwein, die jeweils große Synoden-Erfahrung haben.

Dazu kommen auf der Liste noch zwei Kirchenjuristen, Klaus Winterhoff aus Westfalen und Karin Kessel aus der Pfalz. Ohne die Spezies der Kirchenjuristen würde in den Kirchen alles weniger als halb so gut funktionieren – auch im Rat wird der juristische Sachverstand vertreten sein müssen.

Dann fehlen nur noch die Repräsentanten der Parteien: Staatsminister Hermann Gröhe (CDU) ist bereits im Rat und wird es wohl auch bleiben. Die frühere Bundesministerin Irmgard Schwaetzer ist in der FDP und außerdem am Berliner Dom als Vorsitzende des Domkirchenkollegiums in höchstem Maß in der Kirche engagiert. Die Grünen sind durch die Präses Katrin Göring-Eckardt bereits im Rat repräsentiert – und daher auf der Kandidatenliste nicht nochmals vertreten. Was wir in unserem vorigen Blogeintrag vermuteten, ist nun auch eingetroffen: Der Ratswahlausschuss hat die SPD-Politikerin Kerstin Griese, die Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Kirchen war, nicht als Kandidatin für den Rat benannt. Für die SPD wurde die Vizepräsidentin des Bundestages Susanne Kastner auf die Liste gesetzt.

Die Linkspartei, früher PDS, einst SED, wurde bei der Erstellung der Liste aus verständlichen Gründen (über die in diesen Tagen viel berichtet wird) nicht berücksichtigt.