Kollegen, Freunde und Leser erzählen mir immer wieder, dass sie von Unternehmen hingehalten, getäuscht, überrumpelt oder gar betrogen wurden. „Mach doch mal was!“ heißt es dann, „Du bist doch Verbraucherjournalist!“ Okay, wir machen was: ein Verbraucherblog. Verbraucher meckern zwar gerne. Aber häufig auch zu Recht. Solche Beispiele interessieren mich. Und richtig spannend wird es, wenn das Beispiel kein Einzelfall ist. Denn in der Kantine, Kneipe oder im Kommentar hört und liest man oft den Satz: „Das ist mir auch passiert!“ Im Blog wird nun immer der gleiche Verbraucher stellvertretend Beispiele vorstellen: Otto N..
Es klingelt an Otto N.s Wohnungstür. Er ist nicht da, aber seine Freundin ist zu Hause. Die Wohnung liegt im Souterrain. Sie öffnet daher erst einmal ein Fenster, das zur Straßenseite zeigt. Unten vor der Tür stehen drei Männer, die sich als Mitarbeiter von Unitymedia, also dem Anbieter von Kabelanschlüssen für Internet, Telefon und Fernsehen, vorstellen. Auf ihren Notizblöcken und den umgehängten Schildern steht dies zudem drauf.
Sie fragen nach Otto N.. Er sei ihr Vertragspartner. Unitymedia hätte einen Termin mit ihm vereinbart. Otto N.s Freundin weiß nichts davon (und erfährt auch später von Otto, dass nie ein Termin vereinbart wurde). Auf die Gegenfrage, um was es denn gehe, antwortet die Unitymedia-Truppe: „Das geht Sie nichts an“. Dann will einer wissen, wie die Frau heißt, die aus dem Fenster mit ihnen spricht. „Und das wiederum geht Sie nichts an“, entgegnet Otto N.s Freundin. Bevor sie das Fenster schließen kann, geht das Verhör weiter. Und der Ton wird schärfer.
Ein Unitymedia-Türdrücker versucht Otto N.s Freundin unter Druck zu setzen. Er sei Wirtschaftsjurist und kenne sich mit der Rechtslage aus. Sie sei dazu verpflichtet, ihm ihren Namen zu nennen. Dies sei Inhalt des Paragraphen 163 der StVO. Otto N.s Freundin fragt verwundert nach: „Der StVO???“. Sie versucht vergeblich eine Verbindung zwischen der Straßenverkehrsordnung und der angeblichen Auskunftspflicht gegenüber Unitymedia-Vertretern herzustellen. (Leider erst nach dem Gespräch wird ihr klar, was eigentlich gemeint sein sollte: die StPO, also die Strafprozessordnung. Hier verpflichtet §163b lediglich dazu, dass man seine Personalien angeben muss, wenn die Polizei danach fragt.)
Der vermeintliche Wirtschaftsjurist mit der Lizenz zum Fragen lässt nicht locker. Nach der StVO-Finte bedrängt der Unitymedia-Mensch Otto N.s Freundin mit einer anderen Frage: Sie soll nun endlich ihren Namen sagen, schließlich könnte sie auch eine Einbrecherin sein. „Klar“, entgegnet Otto N.s Freundin mit ihren nassen Haaren, „und nach dem Einbruch habe ich erstmal geduscht“.
Der Dialog wird immer absurder. Er sei verheiratet, teilt der Unitymedia-Vertreter mit. Vielleicht helfe diese Information nun, damit sie endlich ihren Namen sage. Zudem hätte er dieselbe Diskussion schon einmal in der Straße gehabt. Damals sei der Schwiegersohn des Gesprächspartners dazu gekommen. Dieser sei Anwalt gewesen und habe ihm zugestimmt, dass der Befragte seinen Namen nennen müsse.
Der Unitymedia-Mann warnt daraufhin abermals Otto N.s Freundin: „Wenn sie nicht ihren Namen sagen, hat es schwerwiegende rechtliche Konsequenzen für Otto N.!“
Das Gespräch endet letztlich mit der Angabe eines falschen Namen, der Information „Ich putze hier“ und dem gegenseitigen Wunsch noch einen schönen Tag zu haben. Die drei Herren von Unitymedia wollten übrigens Otto N.s Vertrag „optimieren“.
Oh Unitymedia, wie schön -...
Oh Unitymedia, wie schön – dieses Unternehmen kennt noch ganz andere Maschen, als nur drei doofe Typen an fremder Leuts Haustür Klingelmännchen spielen zu lassen. Ich wohnte in einer Wohnung zur Miete, wo die Möglichkeit bestand, mit Unitymedia einen Vertrag über Kabelfernsehen zu schließen. Von dieser Möglichkeit habe ich keinen Gebrauch gemacht. Ein halbes Jahr, nachdem ich aus dieser Wohnung ausgezogen war, bekam ich Post von einem Inkassounternehmen, ich solle ca. 60 EUR wegen Kabelfernsehen/Unitymedia bezahlen, sonst… (die üblichen Drohungen der zahnlosen Inkassotiger muss ich ja nicht alle aufzählen, nicht wahr?) Ich schrieb an Unitymedia, sie sollten diese Sache aus der Welt räumen, da ich mit U. nie einen Vertrag hatte, der eine solche Forderung rechtfertigen würde. U. meldete sich nie bei mir. Statt dessen bekam ich in schönen regelmäßigen Abständen von 2-3 Monaten immer wieder Post der Inkassodeppen, die jedes Mal mehr Geld von mir wollten und mit einem Gerichtsverfahren drohten. Also habe ich mir den Spaß gemacht und an die Inkassofirma geschrieben, dass sie doch – um ihre Kosten überschaubar zu halten – bitte erst einen Mahnbescheid gegen mich erwirken sollten, bevor sie dann meinen, sie müssten mich auf Zahlung verklagen… Seltsam – ich habe jetzt seit fast 18 Monaten nichts mehr von denen gehört. Ob ich mal nachfrage, ob denn mit meinem Verfahren auch wirklich alles in Ordnung ist? Aber das wäre vielleicht etwas zuviel des Guten.
Viele Grüße und vor allen Dingen: Vielen Dank für Ihren Blog, dessen Lektüre mir wirklich viel Freude bereitet (als Überschrift könnte man auch eine Zeile der Ärzte wählen: „Du bist nicht allein“).
Christine Hamm
Das passt zu dem Laden. Ich...
Das passt zu dem Laden. Ich habe mich sage und schreibe ein Jahr wegen einer Kündigung mit denen (und später mit einem Inkassobüro) rumgekloppt – vom Feinsten! Als ich (als Anwältin) mit Klage drohte, wurde die Sache von der Gegenseite kurzerhand für erledigt erklärt. Also, keine Angst vor irgendwelchen Möchtegern-Monopolisten. Kämpfen lohnt sich! Und mal ehrlich – wozu Kabelfernsehen, wenn es DVBT gibt?
Äh, ja, und? Was sagt Unity...
Äh, ja, und? Was sagt Unity Media dazu? Waren das wirklich Beauftragte der Firma oder nur Kriminelle?
@Christine Hamm:
Danke für...
@Christine Hamm:
Danke für die Grüße! Den Fall, den sie schildern, passiert wohl häufiger als dieser „Überfall“. Jedenfalls gibt es im Internet einige Beschwerden über solche gefakte Verträge.
@Horst Dettweiler:
Unitymedia...
@Horst Dettweiler:
Unitymedia sagte bisher noch gar nichts dazu. Aber die Antwort könnte – verständlicherweise – in etwa so lauten: Unsere Mitarbeiter arbeiten nicht mit solchen Methoden. Von daher waren da wahrscheinlich „falsche“ Unitymedia-Mitarbeiter unterwegs. Sollten es dennoch „echte“ Mitarbeiter gewesen sein, werden wir so ein Verhalten in Zukunft nicht akzeptieren. (Was sollten sie sonst auch dazu sagen…)
Jedenfalls hoffe ich, dass der „Überfall“ ein Alleingang war und Unitymedia seine Mitarbeiter nicht dahingehend schult.
@Marco & Horst...
@Marco & Horst Dettweiler
Wahrscheinlich handelt es sich bei den sogenannten „Mitarbeitern“ um Angestellte einer beauftragten Zweitfirma (Drückerkolonne), die auf Provisionsbasis Vertäge generieren bzw. „optimieren“. Das geschilderte, unseriöse Verhalten gibt es so oder in ähnlicher Form jedenfalls bei vielen beauftragten „Direktmarketing“-Firmen, die im Namen des Auftraggebers auftreten. Leider ja auch bei vielen Hilfsdiensten und karikativen Organisationen.
Haben Sie schon "culpa in...
Haben Sie schon „culpa in contrahendo“ geprüft ?
@bob:
Könnten Sie die Frage...
@bob:
Könnten Sie die Frage noch etwas konkreter formulieren? Meinen Sie, dass in diesem Fall dann Unitymedia für das Verhalten seiner vermeintlichen Mitarbeiter haften soll?
leider nein. Ich habe aber den...
leider nein. Ich habe aber den Verdacht, dass der Vertreter, der zu einer Verabredung erscheint, tatsächlich gewisse Pflichten hat, die weiter reichen als etwa die Pflichten eines zufällig vorbeikommenden Passanten. Aber die Details können wir getrost einem Juristen-Seminar überlassen.
@Jochen:
> Leider ja auch...
@Jochen:
> Leider ja auch bei vielen Hilfsdiensten und karikativen Organisationen.
Das kann ich bestätigen! Einer von denen stand mal bei mir vor der Tür und wollte mir eine Spenden-Abo nahe bringen. Auf die Frage: „kann ich nicht bei euch online spenden..“ kam die Antwort „Nein!!! Wozu mache ich den sonst diese besuche!“. – eine suche auf der entsprechenden Seite (https://www.asb.de/) belehrte mich eines besseren. Ich kann wohl online spenden.
(@Marco: cooler Blog, Gruß René)