Washington Watch

Bushs Fehler, Enttäuschungen und Erwartungen

Zeit der Rückschau für Präsident George W. Bush. Was fast acht Jahre lang ein seltenes Juwel für jeden Journalisten auf der Suche nach etwas geliehenem Glanz für die Reporterarbeit war, gibt es jetzt fast als Dutzendware. Der Präsident gewährt ein Interview nach dem anderen – Nachrichtensendern, Zeitungen, Agenturen. Zudem hat er am 12. Januar im Presseraum des Weißen Hauses seine letzte Pressekonferenz abgehalten. Er war bald nachdenklich und bald humvoroll, bald herausfordernd und bald vorausschauend.

Viel ist bei allen Gesprächen und Antworten vom Vermächtnis des 43. amerikanischen Präsidenten die Rede. Immer wieder bekräftigt Bush, der mit niedrigen Zustimmungswerten bei Meinungsumfragen aus dem Amt scheidet, dass es keine „Kurzzeitgeschichtsschreibung“ gebe: Für ein Fazit sei es noch viel zu früh. Seine historische Leistung und sein Stellenwert in der Geschichte könnten erst nach Jahren und Jahrzehnten angemessen beurteilt werden, sagt Bush. Und er erinnert daran, dass man heute noch Bücher über George Washington oder Abraham Lincoln schreibe. Und lese.

Immerhin spricht Bush inzwischen offen von seinen Fehlern, Enttäuschungen, Irrtümern.

Als Fehler bezeichnete es Bush, dass am 1. Mai 2003, als er auf dem heimkehrenden Flugzeugträger USS Abraham Lincoln das Ende der wesentlichen Kampfhandlungen im Irak verkündete, über die Brücke des Trägers das Transparent mit der Aufschrift „Mission Accomplished“ (Mission erfüllt) gespannt war. Dies habe eine falsche Botschaft vermittelt.

 

Zudem bereue er „die Rhetorik mancher meiner Äußerungen“. Über mögliche Fehler bei der Reaktion der Bundesbehörden auf die Verheerungen nach dem Hurrikan Katrina habe er „viel und lange nachgedacht“, doch ein klares Bekenntnis zu einem Fehler mochte er nicht ablegen. Schließlich seien unmittelbar nach Abflauen des Sturmes 30000 Menschen von den Dächern ihrer überfluteten Häuser gerettet worden – von der Küstenwache, die unter dem Kommando der Zentralregierung in Washington stehe.  Zudem seien auf allen Ebenen, von der Bundes- über die Bundesstaaten- bis zur kommunalen Ebene, Fehler gemacht worden. In Mississippi seien die Behörden besser vorbereitet gewesen und hätten rascher reagiert als in Louisiana. 

Als Fehler bezeichnete es Bush erstmals, dass er nach seiner Wiederwahl 2004 die Reform der staatlichen Rentenversicherung (Social Security) angegangen habe statt sich mit ganzer Energie der Reform der Einwanderungsgesetzgebung zu widmen. Beide Reformvorhaben scheiterten am Widerstand des Kongresses, wobei Bushs eigene Republikanische Partei wesentlich die Immigrationsreform torpedierte, während die Demokraten vor allem gegen die geplante Teilprivatisierung der Rentenversicherung Sturm liefen. Bush warnte die Republikanische Partei eindringlich davor, als „ausschließende“ statt als „einschließende“ politische Kraft wahrgenommen zu werden. Tatsächlich hat die verbreitete Wahrnehmung, die Republikaner seien gegen die Immigration und gegen Immigranten – nicht nur gegen illegale -, den Demokraten viele Stimmen der rasch wachsenden Minderheit der Latinos zugetragen.

Dass im Irak die vermuteten Massenvernichtungswaffen nicht gefunden wurden, habe ihn enttäuscht, jedoch nicht zornig gemacht, sagte Bush. Er hege auch keinen Groll gegen jene Mitarbeiter der Geheimdienste – zumal der CIA -, die ihn und auch die meisten Mitglieder des Kongresses von der Existenz jener Waffen überzeugt hätten. Wichtig sei stattdessen, dass solche und ähnliche Fehler nicht mehr begangen würden – weswegen Kongress und Regierung die Reform der Geheimdienstorganisation beschlossen hätten. Auch dass es in dem amerikanischen Militärgefängnis Abu Ghraib zur skandalösen Misshandlung und Folter von irakischen Gefangenen habe kommen können, habe ihn enttäuscht, sagte Bush. Doch die weit verbreitete These, der Ruf Amerikas sei wegen des Irak-Kriegs und wegen Guantánamo und Abu Ghraib nachhaltig geschädigt, weist Bush nach wie vor energisch zurück.

Sogar die vermutlichen finanziellen Verluste des Präsidenten und seiner Familie angesichts der eingebrochenen Aktienkurse kamen in dem Interview der Bushs mit Larry King auf CNN zur Sprache.

Denn nach den Washingtoner Regeln müssen Regierungsmitglieder beim Amtsantritt ihr Vermögen an einen Treuhandfonds übergeben, in dessen Anlageentscheidungen sie keinen Einblick haben und dessen Treuhänder sie nicht kennen dürfen. Laura Bush gab zu, sie sei schon besorgt, was aus dem Aktienvermögen geworden ist. Schließlich haben die Bushs für etwa 3,5 Millionen Dollar soeben ein Haus in Dallas gekauft – auf Drängen Lauras, die nicht die ganze Zeit ihres Renterinnendaseins auf der von George W. bevorzugten Ranch in Crawford verbringen will.

Wie er den ersten Tag nach dem Auszug aus dem Weißen Haus verbringen werde, wusste Bush noch nicht zu sagen. Er werde wohl für Laura am Morgen einen Kaffee machen und diesen ihr ans Bett bringen. Danach werde er weiter sehen. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ich mit großem Strohhut und Hawaii-Hemd an irgendeinem Strand sitze – vor allem weil ich ja mit dem Trinken aufgehört habe“, sagte Bush. Ein Buch werde er schreiben in den nächsten zwei, drei Jahren, ließ Bush wissen. Darin werde er vor allem schildern, wie und warum er welche harten Entscheidungen getroffen habe. Zudem werde er sich an den Aufbau seiner „Presidential Library“ an der „Southern Methodist University“ machen. Auch Laura Bush hat für ihr geplantes Buch schon einen Verlag gefunden. Die Bücher der Bushs werden nicht die ersten und auch nicht die letzten der gewiss umfangreichen Geschichtsschreibung über den 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten und dessen Vermächtnis sein.

(Fotohinweis: AP/J. Scott Applewhite (7), CNN (2))

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