Washington Watch

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Der Amtsantritt des 44. amerikanischen Präsidenten ist mehr als ein Regierungswechsel. Der Einzug des Schwarzen Barack Obama und seiner Familie ins

Im Barack Express nach Washington

Wie Abraham Lincoln 1861 kommt Barack Obama nach Washington: mit der Eisenbahn. Lincoln war seinerzeit zwölf Tage unterwegs. Obama legte die 220 Kilometer in gut sechs Stunden zurück - Zwischenstopps mitgerechnet.

Der Wandel ist nach Washington gekommen – und zwar mit der Eisenbahn. Zum Auftakt der fünftägigen Feiern zur Amtseinführung des 44. Präsidenten haben Barack Obama und Joseph Biden samt Frauen und Kindern am 17. Januar den Zug bestiegen. Obama, seine Frau Michelle und die Töchter Malia und Sasha stiegen in Philadelphia ein, dem Tagungsort des Kongresses während des Unabhängigkeitskrieges gegen die Briten; in Philadelphia wurde zudem 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet; dazu wurde 1789 nach dem endgültigen Sieg über die Kolonialmacht England in der „Stadt der brüderlichen Liebe“ die Verfassung beschlossen; in den Jahren darauf war Philadelphia schließlich vorübergehend die Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Biden und seine Frau Jill stiegen in Wilmington in Delaware zu – weil die Bidens dort seit Jahr und Tag wohnen und weil Senator Biden gut drei Jahrzehnte lang mit der Eisenbahn in die Hauptstadt zu pendeln pflegte. Von Philadephia nach Washington sind es insgesamt etwa 220 Kilometer.

Bild zu: Im Barack Express nach Washington

Doch es ist nicht irgendein Waggon der amerikanischen Eisenbahnen Amtrak, in dem die Obamas und die Bidens reisen. Vielmehr hat das Team zur Vorbereitung der Amtseinführungsfeierlichkeiten einen Waggon namens „Georgia 300″ gemietet, gebaut 1930 von „Pullman Standards Co.“ und vom gegenwärtigen Eigentümer John Heard in Fernandina Beach in Florida liebevoll und auch geschäftstüchtig restauriert und in Stand gehalten. Über die Ausleihkosten pflegt Heard Stillschweigen zu bewahren.

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Der Waggon, ein „observation car“ mit einer Plattform zum Winken am Heck, hat schon manchem Präsidenten gute Dienste geleistet, von Jimmy Carter über George H. W. Bush bis Bill Clinton. Und auch Barack Obama ist im „Georgia 300″ schon gereist, während des Vorwahlkampfes in Pennsylvania im April 2008.

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Der Sonderwaggon wurde auf der Fahrt von Philadelphia über Wilmington und Baltimore ganz hinten an den Zug angehängt, in den herkömmlichen Waggons weiter vorne saßen Mitstreiter und politische Weggefährten Obamas und Bidens sowie mehr als 70 Journalisten. Die bloggten von der Reise oder sandten über Breitband-Videos bewegte Bilder, auf denen meistens nichts als ein grauer Brei zu erkennen war, der an den Abteilfenstern vorbeischwamm.

Mit der Zugfahrt erwies Obama vor allem seinem politischen Vorbild und Helden Abraham Lincoln die Reverenz, der 1861 zu seiner ersten Amtseinführung ebenfalls in der Eisenbahn auf der gleichen Strecke von Philadelphia nach Washington gereist war. Lincoln nahm sich zwölf Tage Zeit für seine Zugreise, die er für gut hundert Reden unterwegs unterbrach. Obama und Biden waren immerhin gut sechs Stunden unterwegs, drei Reden Obamas gab es zu hören – zum Auftakt in Philadalphia, eine in Wilmington und die Hauptrede in Baltimore. Obama will als weiteres Zeichen seiner Hochachtung für Lincoln am 20. Januar beim Amtseid auf den Stufen des Kapitols seine linke Hand auf jene Bibel legen, auf welche schon Lincoln seinen Schwur geleistet hatte.

Doch Lincoln war bei seiner Reise am 23. Februar 1861 morgens um vier Uhr aus Sorge vor Mordanschlägen von Sympathisanten der Südstaaten-Föderierten in Baltimore incognito umgestiegen. Das brachte dem künftigen Präsidenten den Spott mancher Zeitungen ein, die über Lincolns Fahrt in der „Untergrund-Eisenbahn“ herzogen. Obama musste sich anders als Lincoln nicht verstecken. Er wusste aber auch ein Riesenaufgebot von Polizisten und Mitarbeitern des „Secret Service“ – zu Lande, zu Wasser und in der Luft – zu seinem und zu Bidens Schutz im Einsatz. Brücken und Unterführungen waren während der Über- und Durchfahrt des prä-präsidentialen Zuges gesperrt.

Am „War Memorial Plaza“ neben dem Rathaus von Baltimore wollte Obama am Samstagnachmittag eine Rede halten – vor der üblichen Riesenmenge von 24000 Menschen, die Obama schon während des Wahlkampfes anzuziehen vermochte. „Renewing America’s Promise“ – das Versprechen Amerikas erneuern, lautet der Slogan, den Obama mit nach Washington bringt.  „Lasst uns alle unseren Teil dazu beitragen, dieses Land zu erneuern“, sagte Obama vor Fahrtbeginn am Bahnhof an der 30. Straße in Philadelphia.

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 „Lasst uns sicherstellen, dass diese Wahl nicht das Ende des Wandels in Amerika bedeutet, sondern dessen Anfang ist.“ Obama rief die Amerikaner zu einer „neuen Unabhängigkeitserklärung“ auf, mit der sie sich von „Ideologie, Kleingeistigkeit, Vorurteilen und Engstirnigkeit“ lösen sollten.

Am 18. Januar gibt es ein kostenloses Großkonzert am Lincoln Memorial in Washington, mit Bruce Springsteen und Stevie Wonder, Beyoncé und Shakira und vielen anderen Stars. Am 20. Januar schließlich folgt  – so ließ das Team Obama wissen – die größte, schönste und für die „Durchschnittsamerikaner“ am leichtesten zugängliche Amtseinführungsfeier der amerikanischen Geschichte. Bis zu zwei Millionen Menschen werden auf der National Mall im Herzen der Hauptstadt erwartet. Nicht alle sind angesichts des historischen Einzugs eines neuen Präsidenten mit der Eisenbahn in Ehrfurcht erstarrt.

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(Fotohinweis: Baltimore Sun, AP/Alex Brandon (2), New York Times/Ozier Muhammad (2), FreakingNews.Com)