Nichts könnte so nichtig sein, als dass es nicht für eine uferlose Debatte – in unseren Tagen am liebsten im Internet – und für allerlei Verschwörungstheorien gut wäre. Die nichtige Frage lautet: Wer hat den Amtseid Barack Obamas verhunzt? Der neue Präsident selbst oder John Roberts, der Vorsitzende des Obersten Gerichts? Oder beide?
Die vernünftige oder auch nur gelassene Antwort kann eigentlich nur lauten: Es ist egal. Jemand hat bei einer zur republikanischen Krönungsmesse aufgeblähten Feier zur Amtseinsetzung eines gewählten Volksverteters einen Fehler gemacht, und das ist schön und auch gut so. Denn es ist eben kein König, der sich hier selbst seine Krone aufsetzt oder von einem Vertreter Gottes auf Erden aufgesetzt bekommt. Er ist ja gerade kein Herrscher, der göttliche Legitimation oder Schickung und mithin Unfehlbarkeit für sich beanspruchen könnte und sich deshalb nicht dem Urteil anderer Menschen, etwa an der Wahlurne, stellen müsste. Sondern er ist ein von Menschen gewählter Vertreter, der vorübergehend ein Amt bekleiden darf und deshalb fehlbar ist wie alle Menschenkinder.
Denn Menschen machen bekanntlich Fehler: Wähler machen Fehler, gewählte Politiker machen Fehler und auch entsandte oder ernannte Richter machen Fehler. Dass bei einem wichtigen Moment der Amtseinführung Barack Hussein Obamas ein Fehler passiert ist, hat der Veranstaltung eine besondere Note, man könnte fast sagen besondere Würde gegeben, nämlich menschliche Würde. Und auch ein bisschen erträgliche Leichtigkeit des Seins.
Wie verbissen dagegen die Debatte in der Blogosphäre und auch sonst! Wer hat zuerst gepatzt? Die einen sagen, Obama sei Roberts zu früh ins Wort gefallen, wiederholte den Namensteil der Eidesformel „Ich, Barack Hussein Obama…“ schon, als Roberts noch gar nicht fertig war mit dem Vorsagen des ersten Teils des ersten Halbsatzes „…gelobe feierlich…“. Die anderen halten dagegen: Roberts habe zu lange pausiert – eben einige Bruchteile einer Sekunde zu lange – zwischen dem Namensteil und dem ersten (Text-)Teil des ersten Halbsatzes und habe damit Obama aufs Glatteis geführt. Nein, erwidern wiederum die einen, das könne nicht sein, denn Roberts habe den ersten Teil des ersten Halbsatzes ordnungsgemäß vervollständigt, als Obama schon verfrüht seinen Namen gesagt habe und damit dem Präsidenten unwillentlich ins Wort gefallen sei. Wahrscheinlich lässt sich nur mit einer auf die Hundertstelsekunde präzisen Analyse des Videobandes entscheiden, ob Roberts zu lang pausiert oder Obama zu früh geredet hat. Das wäre immerhin ein Thema für eine politikwissenschaftliche Doktorarbeit.
Doch das Durcheinander steigerte sich erst, als Roberts die Wortfolge des Amtseides im zweiten Teil des ersten Halbsatzes vertauschte, indem er das Adverb „treu“ (faithfully) an die falsche Stelle platzierte: nach hinten nämlich statt nach vorne. Zudem sagte Roberts „to the United States“ statt „of the United States“. Das wiederum schien Obama aufzufallen, der beim Nachsprechen der Wörter in der falschen Reihenfolge stockte, offenbar um Roberts Gelegenheit zu geben, seinen Fehler zu korrigieren. Was Roberts dann auch tat – und die Eidesformel prompt verschlimmbesserte und abermals eine falsche Reihenfolge vorsagte. Im zweiten Anlauf wiederholte dann Obama die Formel des zweiten Teiles des ersten Halbsatzes richtig – nur eben in der falschen Wortfolge, so wie sie Roberts zunächst vorgetragen hatte. Mit einem Wort: Der zweite Teil des ersten Halbsatzes war unrettbar verloren. Warum? Wohl weil Obama und Roberts – in dieser Reihenfolge – beide gestolpert waren, und womöglich ganz ohne böse Absicht.
Die beiden Teile des zweiten Halbsatzes wurden dann ohne Panne vorgesagt und nachgesprochen. (Eine Transkription des verhaspelten Amtseides sowie der Text der Eidesformel aus der Verfassung findet sich am Ende dieses Blogs.) Auch mit der Formel „So wahr mir Gott helfe“, die nicht in der Verfassung steht, aber seit Jahr und Tag von den meisten Präsidenten zum Schluss der Eidesformel gesprochen wird, ging bei Obama alles glatt, nachdem „Chief Justice“ Roberts die Formel gemäß Absprache mit Obama vorher in einer Art Frage vorgesagt hatte. So wenig wie von der Anrufung Gottes ist in der Verfassung vom Brauch die Rede, beim Schwur die linke Hand auf eine Bibel zu legen – Obama hatte die Bibel Abraham Lincolns ausgewählt. Doch zum Brauch der Vereidigung gehört die Bibel ebenfalls seit langem.
Jedenfalls stehen sich die politischen Lager, deren Verfeindung Obama ja gerade überwinden will, schon wieder und noch immer wutschnaubend gegenüber. Obama ist schuld! Nein, Roberts ist schuld! Und weiter geht der Zank: Obama hat zunächst nichts falsch gemacht, nur vielleicht ein bisschen zu schnell. Roberts hätte nie „faithfully“ an der falschen Stelle vorgesagt, wenn Obama ihn durch seine Voreiligkeit nicht aus dem Tritt gebracht hätte. Und war es nicht so, dass Obama als einer von 22 demokratischen Senatoren gegen die Ernennung von Roberts zum Vorsitzenden des Obersten Gerichts durch den Republikaner George W. Buch gestimmt hatte? Gab es deshalb Spannungen zwischen den Männern? Hat der eine womöglich eine Art verbale Stolperfalle für den anderen aufgestellt?
Was für ein Unfug. Beim Mittagessen im Kapitol nach der Vereidigung soll sich Roberts bei Obama für seinen Fehler entschuldigt haben. Und der Präsident soll herzlich gelacht und dem „Chief Justice“ freundschaftlich auf die Schulter geklopft haben. Es bleibt dabei: Der verhaspelte Amtseid war der wohl sublimste Moment einer erhabenen Zeremonie. Historisch ist nicht der Versprecher, sondern der Umstand, dass ein Mann dunkler Hautfarbe mit dem Namen Barack Hussein Obama als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde. Und unvergesslich ist das Lachen des 44. Präsidenten, das vielleicht nie so strahlend und so gelöst ausgefallen wäre, wären Obama und Roberts nicht so menschlich und fehlerhaft gemeinsam durch den Amtseid gestolpert.
(Fotohinweis: AP/Jeff Christensen; Getty/Timothy A. Clary; Los Angeles Times/Carolyn Cole; Reuters)
Hier die Transkription des verstolperten Amtseides:
ROBERTS: I, Barack Hussein Obama…
OBAMA: I, Barack…
ROBERTS: … do solemnly swear…
OBAMA: I, Barack Hussein Obama, do solemnly swear…
ROBERTS: … that I will execute the office of president to the United States faithfully…
OBAMA: … that I will execute…
ROBERTS: … faithfully the office of president of the United States…
OBAMA: … the office of president of the United States faithfully…
ROBERTS: … and will to the best of my ability…
OBAMA: … and will to the best of my ability…
ROBERTS: … preserve, protect and defend the Constitution of the United States.
OBAMA: … preserve, protect and defend the Constitution of the United States.
ROBERTS: So help you God?
OBAMA: So help me God.
ROBERTS: Congratulations, Mr. President.
Und in der amerikanischen Verfassung lautet die Formel:
„I do solemnly swear (or affirm)
that I will faithfully execute the office of president of the United States,
and will to the best of my ability,
preserve, protect and defend the Constitution of the United States.“
Man stelle sich das höhnische...
Man stelle sich das höhnische Gelächter und bösbeissige Kommentare der linkisch-linken Massenmedien vor, wären diese Mißgeschicke seinerzeit dem G.W. Bush passiert.
Man könnte sagen, dass Barack...
Man könnte sagen, dass Barack Obama sprichwörtlich ins Amt gestolpert ist. Ich war schon ein wenig erschrocken, als ich das live gesehen habe. Immerhin ist so ein Eid nicht irgendeine Floskel. Sicherlich, der Patzer verleiht Menschlichkeit; andererseits auch mangelnde Professionalität. Man hätte sich ja mal überlegen können, das vorher einzuüben, auch ohne Richter Roberts. Wäre die bessere Variante gewesen, als das im Nachhinein zu wiederholen.
whitehouse.gov hat sich vom Style her deutlich verbessert (ist aber wohl eher eine Frage des Geschmacks). Was mir aber bisher total fehlt, und was ich in gewissen Sinne als Widerspruch sehe zu Obamas Prinzipien, sind die fehlenden Bilder bzw. Snapshots und Videos bzw. Reden von Präsident Obama auf der Webseite. Bei George W. Bush gab es reichlich professionelle Bilder in guter Auflösung, ab und zu auch Videos. Nichts dergleichen bei Obama.
Ich kann also im Moment erst über die Medien Zugang zu diesem Material erhalten. Regierungskonferenzen auf CSPAN? Erstmal die Videofunktion auf der eigenen Website installieren würde ich vorschlagen.
Noch etwas ist anzumerken: Auf CNN wurde eigens für die Einführungszeremonie ein aufwendiges Projekt initiiert, „The Moment“. Hierbei können Tausende von Bildern zusammengefügt werden zu einem einzigen 3D Bild, von exakt dem Moment, als Obama vereidigt wurde.
Ich sehe so etwas kritisch; es stellt doch eine Überhöhung dar. Natürlich war der Moment sehr bezeichnend, und es ist ein seltsames, jedoch angenehmes und auch irgendwie beruhigendes Gefühl jetzt eine neue Regierung zu haben. Alleine schon die Art der Regierungsführung in den letzten zwei Tagen, die Sprache, die Sachlichkeit. Bei George W. Bush war dauernd so eine Anspannung, so eine Polarisierung. Das ist jetzt weg und man fühlt sich irgendwie erleichtert.
Allerdings: Diese Überhöhung und Sakralisierung der Politik (schlimmer noch, des Menschen Obama (Heilsbringer) sehe ich als bedenklich an.
Ich hoffe es nicht, aber es reicht schon, sich nur auszudenken, was passieren würde, wenn Obama scheitern sollte.