Viele Verbesserungen sind Verschlimmbesserungen: Die Reparatur wird schon bald selbst reparaturbedürftig. Hoffentlich bleibt dieses Schicksal der zweiten Vereidigung von Präsident Barack Obama erspart. Doch ganz ohne Stolpern ging es auch beim zweiten Anlauf nicht. Gewiss, mit dem Vorsagen und Nachsprechen der 38 Wörter – einschließlich des Namens Barack Hussein Obama – der in Artikel 2 der Verfassung festgelegten Eidesformel klappte es reibungslos: kein zu rascher Einsatz Obamas und kein zu langes Pausieren von Roberts. Leider waren Michelle Obama und die Lincoln-Bibel nicht dabei, dafür wurde das Adverb „treu“ (faithfully) im zweiten Teil des ersten Halbsatzes dieses Mal von Roberts an der richtigen Stelle vorgesagt und von Obama nachgesprochen. Doch damit ist die leidige Geschichte nicht zu Ende.
Auf Anraten seines Beraters im Weißen Haus Greg Craig hatte Obama am Mittwochabend den Amtseid noch einmal geleistet. Dafür war eigens der Vorsitzende des Obersten Gerichts, John Roberts, ins Weiße Haus gefahren worden. „Wir glauben, dass der Amtseid ordnungsgemäß geleistet und der Präsident angemessen vereidigt wurde“, hatte Craig kurz vor der zweiten Vereidigung gesagt. „Doch aus einem Übermaß an Vorsicht und weil ein Wort nicht an der richtigen Stelle gesprochen wurde“ werde der Oberste Richter John Roberts den Amtseid ein zweites Mal abnehmen.
Und so geschah es auch. Nur wunderten sich die verärgerten Journalisten, warum im soeben verkündeten neuen Zeitalter der Transparenz im Weißen Haus und in allen Ministerien aus dem zweiten Amtseid ein Geheimnis gemacht worden war. Roberts war zu der schmucklosen Amtshandlung, die niemand vorher angekündigt hatte, inkognito ins Weiße Haus gebracht und ebenso kurz darauf wieder fortgeschafft worden. Zum Eid selbst war nicht einmal die sonst übliche kleine Zahl von Pool-Reportern zugelassen, jedenfalls kein einziges Fernsehteam.
Die kurze Zeremonie fand unter fast vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit im „Map Room“ neben dem ovalen „Diplomatic Reception Room“ statt.
Auf der neuen Website des Weißen Hauses (www.whitehouse.gov), deren Gestaltung der Website von Obamas Wahlkampfteam verblüffend ähnelt, war vorerst nichts über die zweite Vereidigung zu lesen, obwohl der Anlass außergewöhnlich und wichtig genug war. Nur ein dürres Foto eines Agenturfotografen und ein Tonbandmitschnitt der zweiten Vereidigung waren für die Medien zu haben.
Obama selbst hatte vor seiner zweiten Vereidigung versucht, die Angelegenheit mit Humor zu nehmen: „Wir meinten, es hat so viel Spaß gemacht“, sagte der Präsident, deshalb werde man die Sache mit dem Amtseid ein zweites Mal machen, und zwar „dieses Mal ganz langsam“. Doch wie ernst es Obama in Wahrheit mit der Angelenheit ist, hatte er kurz zuvor bei der Vereidigung von bereits vom Senat bestätigten Ministern seines Kabinetts sowie von Mitarbeitern des Weißen Hauses durch Vizepräsident Joseph Biden gezeigt. Der musste von Obama daran erinnert werden, auch noch den Mitarbeitern des Weißen Hauses den Amtseid abzunehmen, nachdem die Minister schon vereidigt waren. Darauf Biden, grinsend: „Mein Gedächtnis ist nicht so gut wie das von Chief Justice Roberts.“ Worauf ein sichtlich gar nicht zu Scherzen aufgelegter Obama seinen Vizepräsidenten ernst am Arm fasste und ihn energisch dazu drängte, seinen Job zu erledigen.
Nach Ansicht der meisten Verfassungsrechtler wäre es nicht nötig gewesen, den beim ersten Mal gemeinsam mit Roberts sozusagen vermenschelten Amtseid ein zweites Mal abzulegen. Obama ist gemäß 20. Verfassungszusatz (angenommen 1933) seit Dienstagmittag punkt zwölf Uhr Präsident. Wäre der unwahrscheinliche Fall eingetreten, dass jemand die Rechtmäßigkeit des Eids anficht, hätte das Oberste Gericht – unter keinem anderen als dessen Vorsitzendem John Roberts – die Sache nach allen Regeln der Vernunft und des Rechts klären können. Nun aber stellt sich die Frage, ob die Dekrete und Deklarationen, die Obama an seinem ersten Arbeitstag schon vor seinem zweiten Amtseid unterzeichnet hatte, noch einmal erlassen werden müssen. Manchmal kann zu viel Ordnungssinn zu lauter Unordnung führen.
(Fotohinweis: AFP; Weißes Haus (2))