Wer in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts groß wurde, war links. Einige sind es heute immer noch, andere nicht mehr. Warum verändert man seine Weltanschauung? Und was sagen die Frauen dazu?
Wertenscheidungen haben stets etwas von einem religiösen Akt an sich: Man springt in sie hinein und probiert aus, ob es passt. Wir müssen nicht erst ins Theorieseminar des Lebens gehen, um herauszubekommen, was für ein Mensch wir sein wollten und welche Werte dazu gehören. Und anschließend beantragen wir dann unser linkes Mitgliedsbuch. Es läuft anders herum: Wir haben uns einfach ins linke Milieu hineinbegeben und den dortigen Wertehimmel mit übernommen.
“What’s left”: Rainer Hank erklärt unser neues Blog
Unserem Linkssein war nie eine bewusste Entscheidung vorangegangen, so, als wäre man einem Test ausgesetzt (oder einer Art gesellschaftspolitischem Wahlomat), wo man fünfzig Fragen beantworten müsste, um am Ende festzustellen, ob man politisch rechts, links oder liberal sei („grün“ gab es damals noch nicht). Dieses Linkssein brachte unsere Generation der in den fünfziger Jahren geborenen Deutschen schon von der Schule als eine Selbstverständlichkeit mit. Natürlich hatten wir die Achtundsechziger, die wir nicht waren, bewundert.
Rudi Dutschkes Gespräch auf einem Autodach in Freiburg mit Ralf Dahrendorf – emotional auf Seiten Dutschkes stehend – im Fernsehen verfolgt, natürlich waren wir immer irgendwie traurig, dass die Achtundsechziger die Pioniere waren, die wir nie einholen konnten. Aber als „Zaungäste“, um die Metapher von Reinhard Mohr zu nehmen, haben meine Schulfreunde und ich uns nicht gefühlt. Das wäre ja ganz und gar passiv gewesen. Wir wollten schon mitmachen. Vielleicht als Epigonen oder als „Flakhelfer“ der Achtundsechziger-Bewegung, wie Ulrich Raulff meint, was schon angemessener klingt, weil damit auch ein gewisser Wiederholungszyklus der Kriegsgeneration unserer Väter angesprochen wird. Die Flakhelfer waren ja ebenfalls mit Begeisterung losgezogen. Wir hatten es gerade noch geschafft, dabei zu sein, und waren darauf nicht nur stolz, sondern auch, wenn man so gebaut ist wie ich, ehrgeizig genug, bei den Älteren Anerkennung zu suchen. Würde man uns heute als „Mitläufer” denunzieren, die damals schon von Mitläufern rekrutiert wurden, wäre das nicht ganz falsch. Aber es würde mich doch auch ein wenig kränken, weil im Nachhinein neue Mitläufer gerne über frühere Mitläufer herfallen.
Links zu sein, wäre so gesehen immer auch der Eintritt in eine Glaubensgemeinschaft. Das war mir durch meine Prägung in der katholischen Kirche nicht fremd. Christ wird man ja auch nicht durch einen Akt der Entscheidung, auch wenn die Taufe das so darstellt. Den Willensakt übernehmen die Paten und die Eltern, während der unmündige Täufling schläft, quiekt und alles über sich ergehen lässt. Und wenn er aufwacht, findet er sich als Mitglied der Gemeinde vor. Der amerikanische Religionsphilosoph William James spricht vom „Will to believe“, dem Sprung in den Glauben. Das Leben folgt dem lateinischen Spruch: primum vivere, deinde philosophari. Erst kommt das Leben, dann kann man sich dran machen, es zu verstehen. Man lebt nach vorne und versteht – hoffentlich – im Blick zurück einiges davon. Begännen wir mit der Reflexion, kämen wir nie zum Leben, ähnlich jenem Tausendfüßler, der anfing, seine Beine zu zählen und immer auf der Stelle trat.
Wer einmal in der Glaubensgemeinschaft drin ist, kommt schwer wieder raus
Das hat Konsequenzen. Man kommt zwar leicht in die Glaubensgemeinschaft hinein, aber nur schwer wieder aus ihr raus. Genau dieses aber wissen wir beim Eintritt noch nicht, der sich ja im Raum vorreflexiver Willenstendenzen ereignet. Da sind wir mit dem Gedanken an den Eintritt beschäftigt; es wäre widersinnig, an Austritt zu denken, wenn wir uns gerade erst mit der Haltung, den Pflichten und Belohnungen des Eintritts innerlich herumschlagen. Die Zugehörigkeit schafft Bindung und verlangt Loyalität. Zum Dank gibt es jene Wärme, die sich die Gemeinschaft ins alternative Programm geschrieben hat. Man spricht eine gemeinsame Sprache, teilt gemeinsame Überzeugungen, hat gemeinsame Gegner, bewundert die tonangebenden Peers. Kurzum: Der Zustand der Zugehörigkeit erscheint gewiss nicht wie das Paradies, kommt aber doch in einer gewissen Endgültigkeit daher. Fortan heißt die Devise, frei nach Rudolf Augstein: „Im Zweifel links“.
Diese Bindung und Zugehörigkeit macht den Austritt schwer. Wer sich irgendwann dazu entscheidet, die Glaubensgemeinschaft zu verlassen, muss sich angesichts seiner „Entbindung“ den Vorwurf der Illoyalität gefallen lassen, um das Mindeste zu sagen. Und zwar nicht nur vor und von den anderen, sondern, meist noch viel schmerzhafter, von und vor sich selbst. Diese strenge Gewissensprüfung akzeptiert die Rechtfertigung nicht, man sei beim Eintritt in das Wertemilieu ja noch jung gewesen, habe die moralische oder philosophische Implikation seiner vorreflexiven Willensentscheidung noch gar nicht übersehen, habe im tätigen Ausprobieren des linken Lebensentwurfes gemerkt, dass er doch nicht zu einem passe, dass man sich in der Zwischenzeit weiterentwickelt habe, man gereift sei und so weiter. All diese Begründungen, die um Zustimmung zum Austritt betteln, werden einem als billige Rationalisierungen um die Ohren gehauen: Glaube ja nicht, dass sie dein schlechtes Gewissen erleichtern könnten, auch wenn du dir das davon erhoffst! Martin Walser nannte im Rückblick seine radikal-linke Zeit „die zweite religiöse Erfahrung seines Lebens nach dem Katholizismus“.
Warum verlässt einer seine Werteüberzeugungen, wenn sie ihm doch bisher Orientierung und Halt im Leben gegeben haben? Und da es beileibe nicht nur um kognitive Haltungen geht, sondern um ganzheitliche Lebensformen, die eine irgendwie geartete Zugehörigkeit zu einer Gemeinde voraussetzen, macht das den Austritt noch schwieriger. Aber, so viel ist schon klar, allemal wird der Übergang, die Passage, mit einer Krise verbunden sein.

Ich kann die Frage freilich auch ganz anders stellen: Woher kommt eigentlich dieses so erstaunlich festsitzende schlechte Gewissen, das den Abschied vom alten Glauben begleitet? Woher die Haftkräfte an eine Prägung, die doch verdammt lang her ist und je länger je deutlicher ihre Täuschungen, intellektuellen Schwachstellen und Verzerrungen nicht verbergen konnte? Woher die ganze Seelenpein, die mit dem Beginn des autonomen Denkens verbunden war? Es ist ja offenbar nicht so einfach, die biographische Entwicklung als normalen Reifungsprozess zu erzählen, der mich aus der Welt der romantischen Mythologie der wärmenden linken Herzen in die reale Welt geführt hat, die kalt nur denen erscheint, die bis heute ihre romantische Behaglichkeit nicht aufgeben wollen.
So geht doch Erwachsenwerden, oder? Wer mit zwanzig nicht links ist, hat kein Herz. Wer es mit vierzig immer noch ist, hat keinen Verstand. Aber muss der Vierzigjährige deshalb auch – wie im Märchen von Wilhelm Hauff – auch ein steinernes Herz in sich tragen? Ist die gewissensgebissene Reaktion nicht mindestens so erstaunlich, die von mir verlangt, ständig dem alten Umfeld beweisen zu wollen, kein anderer geworden zu sein, immer noch an den Idealen der Gerechtigkeit festzuhalten – nur jetzt im neuen theoretischen Gewand der liberalen Tradition? Merkwürdig.
Was sagt Anna dazu?
Vielleicht helfen die Frauen weiter. Ich fahre zu Anna nach Stuttgart. Mit Anna und ihrem heutigen Freund Thomas (sie kannten sich schon in der Tübinger WG vor vierzig Jahren, sind seit zwanzig Jahren ein Paar, leben an unterschiedlichen Orten in Deutschland, nennen sich liebevoll „I Sposi“, die Verlobten) verbindet mich eine langjährige Bekanntschaft. Thomas ist ein alter treuer Freund, der Kontakt ist in all den Jahren nie abgebrochen. Thomas hat sich nie zu meiner Werte-Wende geäußert. Ich weiß im Grunde nicht, was er dazu denkt. Einerseits ist ihm das Politische wohl heute nicht mehr so wichtig wie damals. Gleichwohl bin ich mir sicher, würde er meine heutige Weltanschauung auf keinen Fall teilen, hat aber keine große Lust auf den Konflikt (hatte er noch nie). Er nimmt zur Kenntnis, was ich denke und schreibe. Aber er schweigt.
Bei Anna ist das anders. Für Anna bin ich seit Jahren, politisch intellektuell gesehen, ein permanentes Ärgernis. Kaum sind wir zusammen, eröffnet sie eine mich konfrontierende Debatte, die rasch in eine Art höflicher Streiterei ausartet. Dass ich den Markt völlig überschätze, ja überhöhe, findet sie. Dass der Staat durchaus seine Berechtigung habe als Ausdruck des Bürgerwillens und der politischen Gestaltung und dass ich dafür keinen Blick habe. Sie findet, der Konsum und das Materialistische stünden heute überall im Vordergrund, und dass man es damit übertreibe, wenn der Konsum zum Lebenszweck werde. Das sei in den siebziger Jahren anders gewesen.
Für sie sei auffallend, sagt Anna, dass in den Siebzigern und unter den damals Linken die intellektuelle Auseinandersetzung, die Meinungen, Ideen, Ideologien, Ansichten wichtiger waren als die materiellen Dinge, während es heute umgekehrt sei. Es gibt nur wenig Interesse an Diskussionen und kritischen Betrachtungen, dafür spielen die materiellen Güter eine große Rolle. „Dass ich auch gerne konsumiere, etwas kaufe, kann ich nicht abstreiten.“ Wenn Menschen ganz auf „Konsumenten“, Verbraucher oder Nutzer reduziert würden, bekomme es etwas Passives, Abbauendes, Zerstörendes, Kopfloses.
Anna ist ein, zwei Jahre älter als ich, Biochemikerin. Interessant, dass sie, die sie ein „materialistisches“ Studienfach gewählt hat, sich doch mit großem bohrendem Ernst zum „Geistigen“ hingezogen fühlte. Sie habe Biochemie studiert, weil sie in der damaligen Zeit, in der alles kritisch werden musste, alles bei theoretischer Betrachtung ins Wanken geraten sei, keine Orientierung, keinen Halt oder Wertmaßstab finden konnte. „Wonach sollte ich urteilen, werten?“, fragt sie. Damals schien ihr der Rückgriff auf etwas „Materielles“, auf Substanz, die vielleicht leichter zu verstehen ist, ein Ausweg. Zu wissen, wie der Geist funktioniert, wie das menschliche Gehirn tickt, hätte vielleicht helfen können, war die Hoffnung. Das habe sich natürlich schnell als Trugschluss gezeigt.
“Es ging uns gegen das Geldorientierte”
In Tübingen damals in den Wohngemeinschaften habe ich Anna nicht wahrgenommen. Aber über ein paar Ecken ist der Kontakt in all den Jahren immer geblieben. Anna war links, was bei Naturwissenschaftlern weniger selbstverständlich war.
„Es ging uns damals gegen das Geldorientierte, Gewinnorientierte, den Konsum. Es ging uns um den Geist. Jeder von uns wollte Forscher und Wissenschaftler werden. Das Schlimmste, was uns beruflich hätte passieren können, wäre Pharmavertreter gewesen.“ Pharmavertreterin ist sie deshalb natürlich nicht geworden. Forscherin wollte sie auch nicht werden. Es kam die Zeit ihrer Ehe, es kam eine Tochter. Seit vielen Jahren arbeitet sie nun schon als Lektorin bei einem Stuttgarter Verlag. Ein paar Jahre war sie im Betriebsrat, hat familienfreundliche Arbeitszeitmodelle verhandelt. Ab und zu lässt sie sich auch in einer politischen Gruppe blicken, die konkrete kommunale Arbeit macht, wo man aber auch über die Gefahren diskutiert, die vom Freihandelsabkommen TTIP ausgehen.
An einem ruhigen Spätsommertag besuche ich Anna in ihrer schönen Dreizimmerwohnung in einem Hinterhaus im Stuttgarter Osten. Früher war das ein Arbeiterbezirk. In den achtziger Jahren sind dann Jüngere dorthin gezogen, haben das Viertel aufgefrischt. Gentrifiziert wurde diese Gegend nie, anders als der Stuttgarter Süden und Westen. Anna hat die Wohnung irgendwann gekauft. Sie wird hier nicht weggehen wollen, auch wenn sie bald pensioniert wird und dann mit ihrem Partner zusammenziehen könnte. Es gibt Käse aus dem Ökoladen. „Das Kritische war damals links“, sagt sie, „ich habe das übernommen. Es war gewissermaßen das Milieu, in das ich hineingewachsen war und das mir auch sympathisch, nah war.“ Richtig aktiv sei sie nicht gewesen, „dazu war ich zu zweifelnd, unsicher.“ Die Anführer, Männer, habe sie bewundert, ein wenig, aber vor allem sich gewundert, wie man sich so sicher sein könne. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich in der Nazizeit aufgewachsen wäre, hätte es Kraft gekostet, nicht mitzumachen.“ Ein bisschen erschrecken wir beide bei diesen Sätzen, nehmen sie dann aber nicht zurück.
Nein, natürlich war es nicht „alternativlos“, in den siebziger Jahren ein Linker zu werden. Aber man muss sich doch zuerst irgendwo geistig einrichten, bevor man es infrage stellt. Und die Alternativen, wo man sich auch hätte einrichten können, waren blass oder verbrannt. Es hätte jedenfalls gehörig Kraft gekostet, damals nicht links zu werden. Wir verübeln uns das auch gar nicht. Aber Anna verübelt mir die Wende zum Liberalen, meine heutige Weltsicht. Anna sagt, irgendwie sei sie heute immer noch links und dass ihr das auch wichtig sei.
Was bedeutet Linkssein heute?
Tags darauf schickt Anna mir eine Mail. Nach unserem Gespräch sei sie sich plötzlich auch nicht mehr so sicher gewesen, worin eigentlich ihr heutiges Linkssein bestünde. „Heute wird links ja stark sozial, im Sinne von helfend interpretiert“, schreibt sie, „Begriffe wie Selbstbestimmung, Emanzipation und so weiter spielen kaum noch eine Rolle. Na ja, es wäre noch einiges zu diskutieren.“
„Verräter.“ Stets höre ich in all den Debatten diesen Vorwurf. Bei Anna am stärksten. Bei Karin auch, einer Freundin aus der Berliner Szene. Der Vorwurf des Verrats kommt von den Frauen (andere Wendemänner berichten mir das auch). Darin schwingt mit: Opportunist, Karrierist. Was ist ein Verräter? Ein schwerer Vertrauensbruch. Brechts Galileo Galilei, ein Held, ist ein typischer intellektueller Verräter. Er verrät Wahrheit und Wissenschaft, wenn er sich aus Angst der päpstlichen Autorität beugt. Er ist darin, bei Brecht, Vorläufer jenes kommunistischen Helden, der zum Verräter wird, wenn er aus „materialistischen“ Motiven das utopische Ideal leugnet. Es sich bequem macht. Seine Überzeugungen hinter sich lässt.
„Mach halblang“, sagt Anna. Es geht auch drei Nummern kleiner. Verrat wäre ihr viel zu heroisch. „Verrat ist für mich schon gar keine Kategorie“, sagt sie. „Was du als Vorwurf von mir empfindest, geht im Grund von dir aus“, wirft sie mir entgegen. Es sei mein schlechtes Gewissen, mich vom Linkssein abgewandt zu haben, mit dem ich mich in die Rechtfertigungshaltung bringe.
Wer menschenfreundlich ist, darf kein Liberaler sein
Immer wieder kommt sie darauf, dass sich die Welt vom Idealistischen zum Materialistischen und Egoistischen hin entwickelt habe. Marken, Statussymbole, der schöne tätowierte Körper, all diese Äußerlichkeiten spielen aus ihrer Sicht heute eine viel zu bedeutende Rolle. „Wenn du nicht durchtrainiert bist, hast du keine Chance.“ Und dass ich den Egoismus auch noch gut finde, das kann sie nicht verstehen. „Für mich gab es immer schon einen Widerspruch zwischen deiner Art – menschenfreundlich, zuvorkommend, zugewandt, von der ich glaube, dass sie deine grundsätzliche Haltung ausdrückt – und deiner politischen Meinung, die mir, grob gesagt, eher berechnend, egoistisch, eben nicht menschenfreundlich erscheint.“
Da haben wir es! Annas Schmeicheleien („menschenfreundlich“) machen die Sache nur noch unerträglicher. Wer menschenfreundlich ist, der darf kein Liberaler sein. Es ist mir in all unseren vielen Gesprächen der vergangenen Jahre offenbar nicht gelungen, ihr gegenüber den menschenfreundlichen Kern des Liberalismus verständlich zu machen. Bei ihr ist die Sache umso schlimmer, weil sie mir im Prinzip gewogen ist. Das Urteil – egoistisch, berechnend – hält sich hartnäckig. Es ist mir auch nicht gelungen, das Menschlich-Allzumenschliche der Kosten-Nutzen-Wägung rüberzubringen: Nicht nur, dass wir, wenn wir ehrlich sind, alle ständig Kosten-Nutzenerwägungen („Denker der Alternativen“) anstellen – wie viel will ich „investieren“, mich einem neuen Partner zu nähern? Was bringt der Wechsel zu einer neuen Arbeitsstelle? Was gebe ich auf? Was soll überhaupt verwerflich daran sein, einander (auf dem Markt, in der Liebe) offen und ehrlich zu sagen, was man von einander erwartet, und nicht zu verschweigen, dass es einen Preis hat, wenn man sich aufeinander einlässt (auf dem Markt, in der Liebe)? Man lügt sich andernfalls doch in die Tasche. Gerade in der Liebe, erwidert Anna noch einmal, dürfe es kein Aufrechnen geben, das sei etwas Unbedingtes.
Linke Sentimentalitäten
Irgendwie durch ihre Sozialisation wurden sie lebenslange Linke. Ohne dieses politische Projekt,würde ihr Leben seinen Sinn uns seine Bestimmung verlieren. Das Projekt ist gescheitert, man bleibt sich und den abgenutzten Idealen trotzdem treu. Es sind die Träume von gestern, die diese Linken noch am politischen Leben halten. Kein Wunder, führt man sich vor Augen was aus ihren Vorbildern geworden. China ein Hort des diktatorischen Kapitalismus. Die Sowjetunion zerfallen in Inseln der Kleptokratie. Mit Russland als Speerspritze des Neosowjetimperialismus. Gut erkannt, Selbstbestimmung und Emanzipation spielen keine Rolle mehr. Aber das war spätestens schon nach dem spanischen Bürgerkrieg klar. Es bedurfte der Stalinisten, um zu erkennen das mit Partizipation und links sein die Macht nicht zu halten ist. Und was haben all die gealterten Linken gegen den Konsum? Das materiell-ökonomische Absolute des Produktionsprozesses, der Arbeit und des Konsums ist die alles begründende Wirklichkeit. Das hätte doch auch Marx sagen können? Was bleibt? Ein recht großer Haufen alternder Besserwisser. Sie wussten schon immer wie die Menschheit funktioniert. Den Menschen haben sie selten gesehen und in seiner Individualität geschätzt.
Marx würde sich im Grabe freuen
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wenn er den heutige deutschen (Sozial)Staat sähe. Ein Land in dem ein Single ab 970 Euro netto plus kostenfreier medizinischer Versorgung als arm definiert wird. Er war ein Kind seiner Zeit und hatte z.B. nichts gegen Dienstpersonal (mithin Ungleichheit), solange alle einen gewissen Mindeststandard haben. Ob die Produktionsmittel dabei in privater oder kollektiver Hand sind, wäre ihm beim heutigen Ergebnis vermutlich egal. Seiner berechtigten Warnung vor Monopolbildung sind wir durch Kartellgesetze nachgekommen.
Wir sollten nie vergessen, dass die Schale der Zivilisation sehr dünn und fragil ist – was leider weltweit beobachtbar ist. Darunter hervor kommt nicht der edle Wilde, sondern der böse Wolf.
Schon dafür brauchen wir eine starke und stabile Wirtschaft mit Wohlstand für alle – man denke nur an 1933.
Soziale Marktwirtschaften unserer Prägung können Massenwohlstand und (politische) Stabilität am besten gewähren.
Bei aller – oft berechtigter – Kritik sollten wir das nicht grundsätzlich in Frage stellen. Keinen “Systemwechsel”. Keine gesellschaftlichen Experimente mit Generationen. Dafür haben wir alle zuviel zu verlieren.
Titel eingeben
Herr hank,
viellleicht ist es mit dem ‘Links’-sein für sehr viele ‘Linke’ nicht viel anders als wie mit dem Traum eines unbeschwerden Schäfer-Lebens, wie es am Versailler Hof im Absolutismus beschrieben wurde durch Norbert Elias in seinem ‘Prozess der Zivilisation’ beschrieben wurde.
Im ‘Links-sein’ wurde in der Jugend alles verpackt, was man als Ideal einer besseren welt so meinte hinzupacken zu müssen, und nun erinnert man sich qua seines immer noch Links-Seins an diese unbeschwerte Jugendwelt von damals und hat zugleich einen immaginären Fluchtpunkt, einen Traum, der einem als ein anderes zum konkret gelebten Alltag diesem einen erleichtert durchzustehen.
” Es hätte jedenfalls gehörig Kraft gekostet, damals nicht links zu werden.”
–> Dieser Satz könnte man auch übersetzen als: “Es hätte jedenfalls gehörig Kraft gekostet, damals nicht in der allgemeinen Diskurs-Richtung mitzuschwimmen.”
Die ganzen Diskussionen damals haben das konkrete Leben der Diskutanten in den seltensten Fällen auch nur gestriffen – sondern bewegten sich in Sphären, die mit dem Alltagsleben herzlich wenig zu tun hatten – ähnlich wie religiöse Gespräche über Gott und die Welt herzlich wenig mit dem Alltag zu tun haben – und doch wurden sie wie Muster dazu benutzt, den Alltag zu strukturieren und mit Bedeutung zu erfüllen.
Und da sie für die Meisten in ihrem konkreten Leben sich peu a peu als eben ‘unpraktisch’ oder anders: weniger geeignet herausstellten, wurden sie einfach immer weniger benutzt und andere, vielleicht völlig alltägliche Muster wurden abgewendet – und haben dieses ‘Links-‘Sein für manche einfach aufgelöst. Die meisten haben es wohl als Traum beibehalten, ohne deshalb die Masse ihre Alltagsentscheidungen davon beeinflussen zu lassen. Und ganz wenige, oft gescheiderte Leute, haben wirklich danach zu leben versucht und versuchen es immer noch.
Insoweit dürfte ‘Links’-Sein herzlich wenig eben mit irgendwelchen ökonomischen oder sozialen Werten zu tun haben als vielmehr mit Mustern und Phrasen, mit denen man sich einer Gruppe und einem Lebensgefühl zugehörig erweist – mit ihren Helden, die idealtypisch die Werte, nach denen man selbst gar nicht im Alltag handelt, kolportieren.
Halt wie die Leute der Armutsbewegung im Mittelalter, die von allen anderen bewundert wurden, aber deren leben die Miesten dann eben nicht leben wollten, oder das idealisierte arkadische Schäferleben, dass der fr. Adel nachspielte, oder das Leben der mittelalterlichen Ritter, die im 19. Jahrhundert verehrt wurden, ohne das wirklich jemand wie im Mittelalter mit seinen Hunger, Seuchen, Elend, Krankheiten, zugigen Burgen etc. leben wollte. Vielleicht ist ‘Links’-Sein nicht viel mehr: von den meisten nur als Traum gewollte – und wehe es gelingt den ‘Ernst-Nehmern’ in eine Position zu kommen, in dem sie dieses Ideal zu verwirklichen versuchen können.
Links und Rechts
Im Unterschied zu einer weit verbreitenden Ansicht das der Unterschied zwischen links u. rechts Makulatur sei bin ich der Meinung das dieser Unterschied sehr wohl existiert.
Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Carl Schmitt schrieb einmal welcher Weltanschauung man anhänge sei von dem jeweiligen Menschenbild abhängig.
Für die Linke ist der Mensch in seiner Grundsubstanz gut, nur die jeweiligen sozialen u. politischen Umstände entfremden ihn von seiner im Grunde doch gütigen Wesensart.
Diese Vorstellung übersieht jedoch die Tatsache das die jeweiligen sozialen und politischen Umstände ebenfalls von Menschen gemacht werden und damit beißt sich die Katze in den Schwanz bzw. die Linke scheitert in Ihren gesellschaftlichen Experimenten am Menschen, der nach Kant bekanntlich aus krummen Holz ist. Zur Zeit wieder einmal in Venezuela zu besichtigen.
Die Rechte hat dem gegenüber immer eine skeptische Haltung bezüglich der menschlichen Natur in ihrer Ambivalenz eingenommen.
Daraus erwächst eine realistische Einschätzung der Wirklichkeit und damit im Hinblick auf politische Entscheidungen für das Gemeinwohl sinnvolles Handeln.
Was hierzulande leider im Strudel von politischen Ilussionen untergeht.
Links ist eben nicht menschenfreundlich sondern immer totalitär im Hinblick auf die zu erlangende Utopie – im Notfall muss dann eben umerzogen werden.
Charakterisierung von Links und Rechts
Die Rechten sind zufrieden, wenn Du tust, was sie wollen. Den Linken reicht das nicht. Bei denen musst Du es auch noch mögen.
Ich las den Text bereits in der FAS und eines blieb mir im Kopf
“Es hätte in den siebziger Jahren sehr viel Kraft gekostet nicht links zu sein”
Wie darf man das verstehen? Waren also alle, die in den siebziger Jahren nicht links waren, im Widerstand? Diesen Satz aus dem Text könnte man auch leicht anders formulieren: “Es hätte in den dreißiger Jahren sehr viel Kraft gekostet nicht rechts zu sein”.
Ich möchte es nicht gleichsetzen, dass wäre natürlich auch Unfug, das ist mir klar. Aber es gibt einem doch zu denken.
Links 1980 bis 2000 - Neoliberal 2000 bis 2014 - Links ab 2015
… die Neoliberalen hatten ihre Chance, ihre Ergebnisse sind eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50% in großen Teilen der EU, eine Umverteilung unserer Steuermittel hin zu internationalen Spekulanten, eine Explosion der Staatsverschuldung, Stagnation der Wirtschaft über Jahre mit Absturz des BIP in Teilen der EU. Während die Demokraten in der USA die positive Trendwende geschafft haben ist die EU in den letzten Jahren abgestürzt mit Rezepten alla 1929(!!!). Und deshalb werden diese neoliberalen Komiker alla Berlusconi abgewählt, siehe u.a. Griechenland, Italien, Österreich, Frankreich, bald auch Spanien mit Podemos.
Demokraten in den USA
Ihnen ist schon klar, das frei nach Volker Pispers, die Demokraten in den USA in etwa die Positionen der CSU vertreten (während die Republikaner bei uns auch so heißen).
Beziehung darf berechnend sein - Liebe nicht
Möglicherweise bin ich mit meiner Meinung in der Minderheit. Liebe ist was Bedingungs- und Selbstloses. Das, was meist mit Liebe betitelt wird, ist verknallt sein, oder sich mögen. Liebe ist das nicht. Liebe äußert sich vor allem, wenn der andere Mist baut, im Streit und in den schlechten Zeiten. Denn dort hört das Mögen und die emotionale Anziehung auf. Folgenden Satz wird bei Vielen ein Unverständnis hervorrufen: Jemanden zu lieben, auch wenn man ihn (gerade) nicht mag.
Wieso links?
EU-Gegner werden in Deutschland automatisch als Rechtsextreme eingestuft. Seit wann ist die EU denn eine linke Idee?
Ma konnte auch einfach erwachsen werden
Zugegeben, es gab überzeugte Linke darunter, die mit Ho Ho Chi Minh rufend durch die Straßen zogen und auch glaubte sie wüssten warum, aber sonst war das doch oft nur Gruppe und Aktion mit ein bisschen Spaß. Dann, nach einer Weile, gab es Willy Brandt, das war doch auch schon was, soziale Wohltaten, Versöhnung. Danach kam Helmut Schmidt, intelligent, herrlich arrogant, ein echter Typ, der einzige der es mit FSJ aufnehmen konnte, mit dem war Linkssein eigentlich schon durch. Nach dem dieser von der eigenen Partei politisch gemeuchelt wurde, war der Weg Stück für Stück zu den Liberalen nicht mehr weit. Man könnte auch vermuten, dass dieses mit der zunehmenden Lebenserfahrung und mit erwachsenen Einsichten zu tun hatte. Bei mir war es so. Der letzte politische Hero war für mich war der Graf.
Danach eine große und lange Leere. Links und rechts wurden fremde Begriffe, die von Leuten eingesetzt wurden, um einen Gegner zu diffamieren, angereichert mir diversen Wortschöpfungen, welche mit Neo anfangen.
Am Ende blieb tatsächlich nur noch eine Alternative, die für Deutschland eben.
Manchmal
versaut eine Phrase dem Autor den ganzen Text. Hier sind es mehr oder weniger zwei Sachen, die das Unwissen des Autors so darstellen.
Zum einen: Christ wird man NUR durch die Entscheidung für Jesus. Egal ob als Kind getauft, egal ob später getauft. Das bringt dich nur in die Kirche, aber macht die noch lange nicht zum Christen.
Zum anderen: Materialismus und Geistiges. Ja das passt wirklich nicht, da der Materialismus oder auch Naturalismus um Papst Richard Dawkins das Geistige ja strikt leugnet. Aber Naturwissenschaften passen umso mehr zum Geistigen, je mehr man sie versteht und sich darauf einlässt. Nicht umsonst sagte Isaac Newton: “Habe nur den Mut dich tief in die Naturwissenschaft hineinzubegeben. Du wirst am Ende bei Gott rauskommen.” (in etwa so hat er es gesagt) Das man Philosophie und Naturwissenschaft nicht trennen kann, wenn man große zusammenhängende Probleme betrachten will, wird häufig ignoriert oder sogar geleugnet.
Ansonsten ist der Text aber gar nicht so übel. Ich bin (offensichtlich) nicht links, aber auch nicht diese Generation.