Muss links sein, wer für eine gerechte und soziale Welt eintritt? Heute eröffnen wir ein neues Blog: Eine Debatte über neue Haltungen und alte Weltanschauungen.
What’s left? Ein neues Blog
9. März 2015 | 1 Lesermeinung
9. März 2015 | 1 Lesermeinung
Muss links sein, wer für eine gerechte und soziale Welt eintritt? Heute eröffnen wir ein neues Blog: Eine Debatte über neue Haltungen und alte Weltanschauungen.
Ob die alle zwangsläufig links sind?
Es ist nicht einfach, einen Zugang zum Thema zu finden. Ist es die Frage aus der Überschrift: “Muss links sein, wer für eine gerechte und soziale Welt eintritt?” So kommen wir nicht weiter, denn keiner der genannten Begriffe links, gerecht und sozial erfährt eine präzisere Benennung, wofür er denn stehen soll.
Ist es die Frage nach dem Grund für das schlechte Gewissen, eine gefühlt klare Zugehörigkeit zu einer Wertegemeinschaft aufgelöst zu haben? Warum kann eine klare politische oder geistige Positionsänderung nach Rechtfertigung verlangen?
Rainer Hank beschreibt die 1970er Jahre, in denen es eine scheinbar klare Trennung in links und nicht-links gegeben hat. Als ein ein Jahrzehnt später Geborener konnte ich den zu dieser Zeit geführten Diskussionen natürlich nicht in vollem Umfang folgen. Auch waren mir theoretische Diskurse fremd und als Fünfzehnjährigem schlicht zu anstrengend. Und doch habe auch ich schnell meine Zugehörigkeit zu linken Kreisen gefunden, trotz einer Republikflucht mit den alles “sozialistische” zutiefst verabscheuenden Eltern, trotz der Erfahrung des real existierenden Sozialismus. Der Kern meiner moralischen Prägung war bestimmt vom Gedanken an den Einzelnen als verantwortungsbewusstem und rücksichtsvollen Teil einer Gesellschaft. Gefördert wurde dieses Zugehörigkeitsgefühl später auch durch das Aufkommen der “Popper” in den frühen 1980er Jahren, eine Strömung mit ausgeprägtem Elitebewusstsein, materieller Fokussierung und geradezu hochnäsiger Selbstgewissheit. Aber wie beschrieben, mein Einstieg in’s Links-sein war zuerst.
Damit bin ich ja nicht allein, selbst ein zu meiner Überraschung dem Liberalismus das Wort redender Rainer Hank hat so begonnen. Ist das so verwunderlich? Schließlich geht unser aller Entwicklung durch Kindheit und Jugend mit den damit verbundenen Sicherheiten wie Geborgenheit und Versorgtsein. Man mag einwenden, dass es genug Biografien gibt, die von außen betrachtet alles andere als sicher und geborgen sind. Aber Kinder bringen den unbewussten und unbedingten Willen mit ein Nest zu haben, selbst wenn es dieses Nest nicht gibt. Und diese Prägung hält an, verbunden mit dem Glauben an eine gute und gerechte Welt und verbunden mit dem Gefühl, dazu etwas beitragen zu wollen. Das macht die Nähe der Heranwachsenden zur linken Wertegemeinschaft aus.
Mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung muss diese linke Grundeinstellung viele Anfechtungen aushalten und sie wird ihre Reinheit verlieren. Bleibt mir aber nur, ein “liberal” denkender Mensch zu werden? Warum muss liberal und verantwortungsvoll ein Widerspruch sein? Warum gehen diese beiden Lager so unerbittlich aufeinander los?
Mir als inzwischen mittelständischem Unternehmer ist eines nie abhanden gekommen: die Reduzierung auf den “homo oeconomicus” ist mir fremd. Natürlich muss ich mich als Unternehmer der Kosten-Nutzen-Abwägung stellen. Aber es ist mehr als fahrlässig, diesem Ansatz alle Entscheidungen unterzuordnen. Nicht jeder Auftrag ist ein Gewinn, nicht jeder Mitarbeiter jederzeit ein Gewinnbringer. Darüberhinaus gibt es emotionale Gründe, sei es im Beziehungs- oder Familienleben, die einem anderen Antrieb folgen als dem der Wirtschaftlichkeit. Und jedem Menschen muss zuallererst mit der Achtung vor dem eigenständigem Wesen begegnet werden, und nicht mit der Betrachtungsweise als Wirtschaftsfaktor. Wenn die Fokussierung zu stark auf “den Markt” als Regulativ aller gesellschaftlichen Prozesse gelegt wird (und für die Auseinandersetzung mit diesen Gedanken lese ich Rainer Hank’s Beiträge gern und widerwillig zugleich), fehlt ein gesellschaftlicher Ausgleich, der der Bewertung und Verwertung jedes Einzelnen einen gesetzlichen Rahmen gibt. Dafür braucht es Staaten und regierende Organe, die nicht allein wirtschaftlichen Interessen gehorchen. An diesem Punkt gibt der Liberalismus keine überzeugenden Antworten. Für Antworten braucht es gesellschaftliche Auseinandersetzung jenseits der Wirtschaftlichkeit, über Inhalte und Werte. Und dieses Hinterfragen kommt am ehesten von Menschen, die nach Gerechtigkeit suchen. Ob die alle zwangsläufig links sind?