Offenbar können sich die allermeisten Menschen gar nicht vorstellen, dass man auf Dauer jeden Tag insgesamt 400 Kilometer Wegstrecke überwinden kann und will. Als ich mein Pendlerdasein plante, erntete ich jedenfalls gefühlte hundert Mal diesen ganz klassischen Blick – eine Mischung aus Überraschung, Ungläubigkeit, Mitleid und dem Versuch sich sämtliche dieser Gefühlsregungen nicht anmerken zu lassen.
Da war zum Beispiel mein Vermieter: „Frankfurt – Köln, jeden Tag?“, fragte er, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte. „Wie lange dauert das denn?“ – „So etwa eine Stunde“, sagte ich. „Ach naja, das geht ja noch“, sagte er und lächelte gequält. So wie der Zahnarzt lächelt, wenn er sagt, dass das Bohren bestimmt nicht ganz so doll wehtun wird.
Eine gute Freundin wurde da schon deutlicher. „Ich bin zwei Jahre lang jeden Tag 45 Minuten zur Arbeit gefahren und war schon total genervt“, sagte sie. „Warte erstmal ab, das wird eine ganz harte Zeit.“ Ich versuchte es mit guten Argumenten. „Das ist ja kein Regionalzug. Die Atmosphäre im ICE ist total produktiv. Da kann man die Zeit nutzen: lesen, am Laptop arbeiten, zur Not auch mal das eine oder andere Telefonat führen.“ – „Naja gut“, sagte sie in einem Tonfall als sei sie drauf und dran zu ergänzen: „Aber demnächst gehst du mal zum Psychologen.“ Doch sie schwieg.
Beruhigend ist bloß, dass es anderen Menschen auch so ergeht. Neulich beim Aussteigen aus dem ICE zum Beispiel hörte ich, wie sich zwei Mitreisende unterhielten. „Mensch, dass ich dich mal wieder treffe“, sagte der eine. „Ja Mann, wie geht’s dir?“, fragte der andere. „Gut, danke, ich hab gerade mein Lebensmodell ein bisschen verändert. Hatte keinen Bock mehr auf die Bude in Frankfurt. Das ging mir so auf die Nerven, da jeden Abend allein rumzusitzen. Jetzt hab ich einfach die Wohnung gekündigt und reise jeden Tag aus Köln an.“ Verstohlen sah ich mich um. Und tatsächlich: Da gingen zwei mittelalte Herren in grauen Anzügen und mit Aktentasche nebeneinander her. Der eine schaute vergnügt. Der andere trug ein aufgesetztes Lächeln und stammelte gerade: „Wenn du meinst…“
Wenn man die Fahrtzeit und...
Wenn man die Fahrtzeit und eben nicht die Entfernung berücksichtigt, ist dies ja doch nicht so sehr ungewöhnlich. Kinder des Ruhrgebiets – so auch ich – können davon recht viel erzählen, ein kurzer Blick auf die A40 am Morgen oder abend reicht aus zahlreiche Leute zu sehen die ebenso täglich eine Stunde unterwegs sind, und dies nicht zum Spaß und nicht ansatzweise so entspannt. Auf Ihre Heimat Köln bezogen mag ich bezweifeln daß es zur Rush-Hour gar unmöglich ist innerhalb einer Stunde vom Nördlichen an’s südliche Ende der Stadt zu kommen. Allein die Kosten der Bahnfahrt werden etwas höher sein.
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In Frankreich habe ich mehrere Leute kennengelernt die sich aus angenehmeren Gefilden ebenso wie sie morgendlich zur Arbeit in Richtung Isle de France aufmachten, diese waren ausnahmslos sogar aus ‚Kosten- und Lebensartgründen‘ eben von Paris weggezogen, das Leben in der Provinz empfand man als angenehmer, zudem war ihnen Paris zu teuer, die Summe Lebenshaltung in der Provinz zzgl. Ticket erschien günstiger.
<p>Kenne auch jemanden, der...
Kenne auch jemanden, der jeden Tag von Bonn nach Frankfurt fährt. Allerdings wohnen die meisten ja nicht direkt am Bahnhof, also muss man noch den Weg von der Wohnstätte zum Bahnhof dazurechnen. Bei 70 Minuten ICE Fahrt plus Anfahrt ist man dann schnell bei 90 Minuten. Das dann mal zwei – da ist man bei 3 Stunden Lebenszeit, die man jeden Tag im Zug verbringt. Da arbeite ich doch lieber im Garten oder geh ins Fitness-Studio.
Im übrigen: man muss nicht in Frankfurt alleine jeden Abend in seiner Bude sitzen. Es gibt genügend Veranstaltungen, Konzerte, etc. Klar, man muss sich aufraffen und ich denke, das fällt den meisten eher schwer. Man sitzt dann lieber vor dem Fernseher und wundert sich, dass man niemanden in der fremden Stadt kennt.
Ich kenne auch jemanden, den...
Ich kenne auch jemanden, den ich in den letzten Jahren häufig dabei beobachtet habe, wie er mit liebevoller Gründlichkeit Tag für Tag, oder doch zumindest Woche für Woche seine Gartenhecke getrimmt hat. „Wenn du meinst….“ Ja, meint der.
Und dann gibts die, die sich darüber freuen, dass zwischen der Stadt in der sie gerne leben und der Stadt in der sie gerne arbeiten genügend häufig schnelle ICEs hin und her fahren. „Wenn du meinst…“ Ja, meine ich.
Wie schön, dass die Menschen so vielerlei unterschiedliche Präferenzen haben. Das macht das Leben bunt und spannend und man hat immer Gesprächsstoff.
Also für mich wäre das...
Also für mich wäre das nichts, ich bin jedesmal, wenn ich meine Arbeit gewechselt habe auch näher ans Büro gezogen. So bin ich wohl gar nicht mehr kreditwürdig nach Skoring, da in den letzten 10 Jahren da über 5 Umzüge zu Buche schlagen. Für mich wäre das nichts, aber das sollte jeder für sich selbst entscheiden. Allerdings bin ich auf die Geschichten gespannt, die sich im ICE so ereignen.
Sind die 60 Minuten wirklich real? Anfahrt HBF Köln und Strecke HBF F ins Pressezentrum der FAZ schon mit eingerechnet?
PS Meine Kollegen, die in...
PS Meine Kollegen, die in London Downtown arbeiten fahren zum Teil jeden Tag 2.5 Stunden von der Kanalküste mit dem Zug ins Büro und Abends wieder zurück. Auf meine Frage, ob sie das nicht nerven würde, bekommt man zwar ein Ja zu hören, aber leben in Büronähe ist nicht finanzierbar und Arbeit an der Kanalküste eher rah. Von daher ein Lob auf die Eisenbahn, dass sie den Leuten ermöglicht zur Arbeit zu kommen.
Auch Fahrzeit ist Lebenszeit,...
Auch Fahrzeit ist Lebenszeit, nicht wahr? Ich frage mich bloss, wenn die Seele sich (angeblich) in Schritttempo fortbewegt und ich im ICE reise, lebe ich dann ‚entseelt‘?
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Wenn ich in die Gesichter macher Pendler schaue….
Dank des ICE ist Koeln - Ffm...
Dank des ICE ist Koeln – Ffm doch wirklich eine tolle Verbindung, und wie schon von Ralf 1969 angesprochen, kann die taegliche Anreise zum Buero in einer Grossstadt fast aehnlich so lange dauern – siehe Berlin! Und wer das Glueck einer guten Eisenbahnverbindung hat kann die Fahrtzeit in der Tat individuell geniessen statt sich beim Autofahren konzentrieren zu muessen. Da waeren taeglich 2×1 Stunde viel mehr Stress! Und man kann sich im Zug im Allgemeinen auch gut auf die Arbeit vorbereiten, und nach Dienstschluss entspannen – es gibt ja auch das Bord Bistro 🙂
Ich verzichte auf ein höheres...
Ich verzichte auf ein höheres einkommen um genau das zu vermeiden. Die Pendelei oder Abends im Hotel, ne das liegt mir nicht, besser bei Frau und Freunden. ich halte es auch ökologisch nicht für sinnvoll jeden Tag so eine Strecke zurückzulegen. Dann sollte man so ehrlich sein und hinziehen wo gearbeitet wird.
Ein Mitglied der Kölner...
Ein Mitglied der Kölner „Regenbogenfraktion“ erzählte mir vergleichbares. Und der ICE fährt ja sogar fast im 20-Minutentakt. Besser fährt auch keine S-Bahn mehr.
Mal ein Einwurf: ich bin...
Mal ein Einwurf: ich bin selbst (Wochen-)Pendler zwischen Stuttgart und Hamburg und lese Weblogs unterwegs meist auf dem Handy, über einen Feedreader. Die meisten Blogs haben ihre kompletten Artikel in den RSS-Feeds, und ich kann so problemlos alle meine Blogs zentral über ein Programm lesen. Leider zeigt aber Ihr RSS-Feed gefühlt nur die ersten zwei Sätze an, und endet dann mit einem Link auf den vollständigen Artikel, den ich (auf einem Handy ist das umständlich!) mit einem separaten Webbrowser öffnen müßte. Daher eine Bitte aus der (vermuteten) Zielgruppe der Pendler: Frau Bös, können Sie Ihren Webmaster bitten, Ihren RSS-Feed zu verbessern? 🙂