Ab sofort darf ich mich als eine echte Bahn-VIP fühlen: Das zerknitterte Stück Papier namens „Vorläufige Bahncard 100″ ist Geschichte, die Bahn hat mir die lang ersehnte, wertvolle Plastikkarte in schwarz-rot zugeschickt, die mich von nun an ein Jahr lang dazu berechtigt, kreuz und quer durch Deutschland zu fahren ohne einen Fahrschein zu lösen.
Beinahe ehrfürchtig habe ich das kleine Päckchen ausgepackt, das mir per Einwurf-Einschreiben in den Briefkasten zugestellt wurde (obendrauf klebten die Briefmarke „Edelweiß“ zu 2,20 Euro sowie die Briefmarke „Bauhaus“ zu 1,60 Euro).
In dem Päckchen fand ich ein schwarzes Hartplastikkästchen, etwa 10 x 15 Zentimeter groß, das offenbar meine neue Bahncard in würdigem Rahmen präsentieren sollte. Von innen war es mit einer Kunststoffart in Samtoptik ausgekleidet. Entfernt erinnerte es mich an eine kleine Schmuckschatulle; allerdings konnte ich mir nicht verkneifen zu überlegen, ob wohl auch ein Schmuckgeschäft für eine 3650 Euro teure diamantbesetzte Halskette dieselbe Art Kunststoff bemüht hätte oder nicht doch etwa…
Da sah ich den netten Brief, den die Deutsche Bahn zu meiner neu erworbenen Bahncard hinzugelegt hatte. „Den wahren Wert erkennen Sie, wenn Sie mit ihr reisen“, prangte da in dicken Lettern über dem Schreiben. Und dann: „Ohne Grenzen und Einschränkungen reisen zu können, ist eigentlich unbezahlbar.“
Schlagartig bekam ich ein schlechtes Gewissen. Wie konnte ich nur so undankbar sein? Eine Verpackung infrage zu stellen, die etwas eigentlich Unbezahlbares enthielt, das war ja quasi ebenso böse, wie einen Menschen nach seinem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen, statt, wie es sich gehört, nach seinen inneren Werten.
Erst später am Tag verstand ich die wahre Bedeutung des Schreibens. Es war kurz vor 19 Uhr – das Ende eines anstrengenden ersten Arbeitstags nach zwei Wochen Urlaub. Ich stand am S-Bahnhof Galluswarte in Frankfurt und fischte meine Brille aus der Tasche, um lesen zu können, was die Anzeigentafel mir mitzuteilen versuchte: Die S-Bahn, die mich zu meinem 19.10-Uhr-ICE bringen sollte fiel aus. Ich rannte zur Straßenbahn, tuckerte zum Hauptbahnhof, rannte abermals und bekam dadurch immerhin noch den Zug um 19.28 Uhr. Es gibt schlimmere Verspätungen, gewiss. Aber in diesem Moment wusste ich: Die Bahn hatte völlig Recht gehabt. „Ohne Grenzen und Einschränkungen reisen zu können, ist eigentlich unbezahlbar.“
Bei mir hat es fast zwei...
Bei mir hat es fast zwei Monate gedauert, bis das Plastikkärtchen ankam – bei einer täglichen Fahrt Hamburg-Berlin mit mindestens viermaligem Ausderinnentaschekramen kann man sich ja denken, wie es „vorläufigen BC 100“ zu diesem Zeitpunkt ging. Das einzige, was an der Sendung fehlt, ist eine kleine Hymne beim Öffnen, wie man Sie bei manchen Geburtstagskarten oder so kennt. Ein bisschen „Freude schöner Götterfunken“ als Einstimmung auf ein Jahr voller… nun ja… Bahnfahren halt.
Ach ja grenzenloses reisen ist...
Ach ja grenzenloses reisen ist in der Tat unbezahlbar und hat vor 20 Jahren ein ganzes Volk dazu gebracht Mauern einzureißen. Hier können Sie gerne Ihre Gedanken dazu mitteilen: https://mauerfall.blog.de/
Ansonsten fahren Sie mal in England Bahn, wenn Sie nicht gerade den Paradezug London / Paris durch den Tunnel nehmen, erkennen Sie was eine Privatisierung eines Staatsbetriebes für den Kunden mit sich bringt. Nicht immer gutes würde ich sagen.
Ach, Sie waren im Urlaub,...
Ach, Sie waren im Urlaub, daher die lange Pause Ihres Blogs! Das ist schon eine Frage, wie man den Wert einer solchen Karte, die Ihnen fuer ein Jahr grenzenlose Fahrten in D verspricht, physisch ausdruecken sollte. Eigentlich muss die Karte nur die Funktion erfuellen, den Reisenden fuer ein Jahr oder so leserlich zu identifizieren – doch wir sind halt gewohnt, dass die Dinge, die Werte repraesentieren, auch repraesentabel aussehen sollen. Das gleiche gilt ja fuer die Kredit- und Hotel/Fluglinien-Statuskarten. Einen echten kleinen Diamanten mit in die Karte einzuschweissen ginge – aber dann kaeme die Frage auf, will man dafuer bezahlen und haelt man es nicht lieber mit Mies van der Rohe, „Ornament is Crime,“ und wuenscht sich, dass Form und wahre Funktion (Ausweis) miteinander im angemessenen auch aesthetisch gefallenden Einklang stehen. So wie eine klassische japanische Teeschale eben, wo Form und Funktion perfekt harmonisieren. In diesem Sinne Gute Fahrt!
Warum fährt von den...
Warum fährt von den Bahnstrategen nicht mal einer in die Schweiz? Im Gegensatz zu der viel belächelten Langsamkeit sind die Schweizer wesentlich cleverer. Man Bucht eine Rundreise mit Bahn, Schiff, Bergbahn (privat betrieben) und Seilbahn. Und hat einen perfekt abgestimmten Fahrplan. Das Wochenendticket, seinerzeit vollmundig beworben, hatten die Schweizer schon ein Jahr vorher eingeführt. Es gab gleichzeitig Handzettel auf denen Ausflugstipps gegeben wurden, natürlich mit Fahrplan. Und auch ein Gewinnspiel. Wer fährt mit dem Ticket an einem Tag am weitesten. Die Ticketautomaten sind wesentlich einfacher zu bedienen als in Deutschland. Kurioserweise werden die sogar von der gleichen Firma hergestellt. Aber die DB träumt ja von der Börse. In der Schweiz ist man „Halbtaxler“. Wir hatten eine Familienkarte und unsere Kinder fuhren gratis mit, bis 16 Jahre!
@ Harald Jastram
Nun, die...
@ Harald Jastram
Nun, die hygienischen Servicebereiche innerhalb der Züge sind bei der Deutschen Bahn schon eher bescheiden – sie sind praktisch ständig ausser Betrieb.
Die in den Zügen der schweizer Bahn sind zwar funktionstüchtig, das wars dann aber auch…
Somit freue ich mich, wenn ich nicht mit der Bahn in/durch die Schweiz fahren muss.
Die Bahncard 100 ist am...
Die Bahncard 100 ist am stärksten von Preiserhöhungen der Bahn betroffen. Was wundert es, profitiert man doch auch am meisten von dem durch Zugverspätungen gedehnten Genuß.
Ja, unsere letzten BC100 kamen...
Ja, unsere letzten BC100 kamen auch in dem edlen Kästchen; „fein,“ haben wir uns gedacht, „wenn man mal wieder was verschenken muß, kann man das wiederverwenden.“ Aber nix, die Bahn mußte sich natürlich mit einer Prägung verewigen 🙁 Nun ja, wenn wir Schwiegermama mal ein Wochenendticket schenken, dann wäre das eine würdige Verpackung, und der Schriftzug dem Anlaß angemessen…oder doch vielleicht besser eine ICE-Fahrt?! 🙂
Übrigens war die Lieferdauer bei uns bedeutend kürzer, so was um zwei Wochen, im Mai 2008 genauso wie im Mai 2009.
Viele Grüße – der bclogger!