Zweiter Klasse

Zweiter Klasse

„Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen, da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter

Siegburg/Bonn im Schnelldurchlauf

| 8 Lesermeinungen

Gestern Abend saß ich einmal wieder im „ICE International". Dreisprachig wurden die "vorangegangene Streckensperrung" und die darauf folgenden Extra-Stopps in Limburg, Montabaur und Siegburg angekündigt. Der Ansager machte einen guten Job - bis ihn die Ereignisse in Siegburg/Bonn völlig aus dem Konzept brachten.

Gestern Abend saß ich einmal wieder im „ICE International“. Leider nicht in der Brüsseler Variante mit den viersprachigen Ansagen, aber immerhin in dem Zug nach „Amsterdam Central“. Die Durchsagen dort sind dreisprachig – auf Deutsch, Englisch und Holländisch.

„Guten Abend meine Damen und Herren“, begann der Lautsprecher-Herr mit dem leicht niederländisch gefärbten Deutsch und nudelte sein Sprüchlein herunter. Mit kleiner Zugabe: „Wegen einer vorangegangenen Streckensperrung hält unser Zug heute außerplanmäßig in Limburg Süd, Montabaur und Siegburg/Bonn.“

„Oh nein“, seufzte der Herr, der mir schräg gegenüber saß. „Das gibt doch wieder eine dicke Verspätung.“ – „Zehn oder 15 Minuten“, schätzte wenig später die Zugbegleiterin bei der Fahrkartenkontrolle. Der Herr guckte resigniert.

Der Ansager hatte einen harten Job. Den Spruch mit der Streckensperrung wiederholte er brav nach dem Halt am Frankfurter Flughafen (in drei Sprachen versteht sich) und abermals nach den Stopps in Limburg und Montabaur. Machte zusammengerechnet vier Ansagen in jeweils drei Sprachen, also zwölf Sprüchlein – der Mann hatte wahrlich gut zu tun.

So war es kein Wunder, dass die Ereignisse in Siegburg/Bonn ihn völlig aus dem Konzept brachten. „Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten, erreichen wir Siegburg/Bonn“, sagte er noch, während die Schilder „Siegburg/Bonn“, Bahnsteige und Bahnhofshalle am Fenster vorbeirauschten. „Sie haben Anschluss – …ähämm… – Moment mal – …ääääh… Meine Damen und Herren, bedauerlicherweise sind wir bereits durch Siegburg/Bonn hindurch gefahren.“

Im Waggon brach Heiterkeit aus. „Typisch Deutsche Bahn“, murmelte der Herr schräg gegenüber. „Hoffentlich halten wir wenigstens in Köln.“ Der Lautsprecher-Mann begann wieder zu stammeln: „Die Transportleitung hatte den Halt in Siegburg/Bonn – ääähämm – offenbar – ähhh – doch nicht vorgesehen. Bei den Fahrgästen, die eigentlich in Siegburg/Bonn aussteigen wollten möchten wir uns für die Unannehmlichkeiten entschuldigen.“

Durch die kurzerhand eingesparte Station erreichten wir Köln Hauptbahnhof fast pünktlich um 20.45 Uhr. Am nächsten Tag sprach ich zufällig mit einem Kollegen, der im Zug vor mir gesessen hatte. Er hatte weniger Glück gehabt und die „vorangegangene Streckensperrung“ noch live miterleben dürfen: Obgleich er einige Zeit vor mir das Büro verlassen hatte, hatte sein Zug so viel Verspätung, dass er Köln erst nach 21 Uhr erreichte. Tröstlich: Sein Zug hatte immerhin auch in Siegburg/Bonn angehalten.


8 Lesermeinungen

  1. Siegburg/Bonn... Hmm... Nicht...
    Siegburg/Bonn… Hmm… Nicht schlimm, dort nicht zu halten. Außer einem hässlichen ICE Bahnhof ist da auch nichts.

  2. BlackJack66 sagt:

    Hi hi, das ist mal ne lustige...
    Hi hi, das ist mal ne lustige Geschichte zu lesen. Sie zu erleben, dürfte nicht ganz so lustig gewesen sein. Ist aber irgendwie typisch Bahn.
    Lassen Sie uns bitte weiter teilhaben an Ihren Erlebnissen

  3. Klaus sagt:

    Die erste...
    Die erste Lange-Durchsagen-Geschichte war ja schon recht banal, hier wird das noch etwas gesteigert, also banaler. Mehr Spaß macht der um Klassen besser geschriebene Latte & Togo-Blogeintrag im gleichen Medium, also: hier. Tja, nicht jeder kann’s.

  4. ama. sagt:

    @Königswinter:...
    @Königswinter: Frechheit!
    „Außer einem hässlichen Bahnhof ist da nichts“?!?
    Tss, dazu singe ich nur: „Es war in Königswinter…“
    Siegburg ist immer eine Reise wert. Wer gerade da ist, sollte dringend eine Spende für den Karnevalswagen der Funken Blau-Weiß abgeben, der ist nämlich abgebrannt… https://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10001&detailid=672854

  5. ute sagt:

    Häufig machen sie auch noch...
    Häufig machen sie auch noch Reklame für den gastronomischen Service der Bahn, einschließlich Verlesung von Auszügen aus der Speisekarte. Bei der Nennung der Speisen bekommt man Appetit, bei der Nennung der Preise vergeht er einem wieder. Und obs besser schmeckt als in der Betriebskantine kann ich nicht beurteilen.

  6. @ Klaus: Deine Meinung in...
    @ Klaus: Deine Meinung in Ehren, aber ich denke Du bist hier etwas über’s Ziel hinausgeschossen.

  7. A. K. sagt:

    Ja, die Strecke...
    Ja, die Strecke Köln-Frankfurt. Bin ich vor ein paar Jahren häufiger gefahren und habe dabei die drei- und viersprachigen Durchsagen miterlebt. Wobei die Besatzung dort – zumindest soweit ich das beurteilen kann – ihre Fremdsprachen beherrscht, jedenfalls im Vergleich zu dem, was der englischen Sprache auf anderen Linien angetan wird.

  8. Philipp Pott sagt:

    <p>Ich bin 2006 die Strecke...
    Ich bin 2006 die Strecke Siegburg/Bonn-Stuttgart 2-täglich gependelt (also morgens hin, nächsten Abend zurück) und hatte natürlich wahnsinnige Angst daß ich mal den Ausstieg verpasse weil ich eingeschlafen bin oder auf Toilette war.
    An Siegburg (über den Bahnhof kann man tatsächlich geteilter Meinung sein) vorbeigefahren sind wir zum Glück nie – obgleich ich schon gerne ausgerechnet hätte, an welcher Stelle man die Notbremse ziehen müßte damit der Zug genau im Bahnhof Siegburg hält…

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