In einer Hinsicht darf ich mich als Bahncard-100-Inhaberin privilegiert fühlen: Mit dem Erwerb der teuren Fahrkarte erhielt ich automatisch den so genannten „Bahn-Comfort-Status“. Das bedeutet auf Nichtbahnerdeutsch, dass ich Vielfahrerin bin – und bringt mir einige handfeste Vorteile.
Beispielsweise darf ich mich nach Belieben in den so genannten „DB Lounges“ aufhalten. Das sind Warteräume mit rotgepolsterten Sofas, mit Umsonst-Latte-Macchiato und kleinem Keks dazu und mit ein paar Zeitungen zur Unterhaltung. Vor dem Eingang zur Lounge wacht an einem Tresen das DB-Personal streng darüber, dass nur „Berechtigte“ die Lounge betreten. Ohne Bahncard 100, 1.Klasse-Ticket, sonstigen Vielfahrer-Nachweis oder zumindest eintrittsberechtigte Begleitperson heißt es dann: Keine Chance!
Ganz anders verhält sich das mit dem zweiten kleinen Privileg, das mir als Bahncard-100-Inhaberin zusteht: In den ICE-Zügen darf ich im so genannten „Bahn-Comfort-Reservierungsbereich“ Platz nehmen. Diese Sitzplätze – meist ein guter halber Waggon angrenzend an die erste Klasse – sind speziell für uns Vielfahrer reserviert. Doch „reserviert“ ist eigentlich das falsche Wort, denn die Reservierung beschränkt sich auf ein dezentes graues Schild an der Wand mit der Aufschrift: „Bahn Comfort Reservierungsbereich. Plätze bitte für Bahn-Comfort-Kunden freigeben.“
Wie genau die Bahn sich den Vorgang des „Freigebens“ allerdings vorstellt bleibt offen. Soll ich, wenn ansonsten alle Plätze belegt sind, in den Bahn-Comfort-Bereich gehen und alle dort Sitzenden danach befragen, ob sie denn auch wirklich Vielfahrer sind? Soll ich, wenn alle dies bejahen, gar einen Nachweis in Form einer Bahncard 100 oder Bahncard Comfort einfordern? Soll ich mich aufführen als sei ich die Schaffnerin? Meine Mitreisenden kontrollieren?
Ich habe mich dagegen entschieden und warte seither darauf, dass die Bahn ein schlaueres System entwickelt. Sollen sie doch den „Comfort“-Gästen beim Einstieg einen roten Punkt auf die Stirn malen. Oder die Vielfahrer dazu verpflichten eine kleine Anstecknadel zu tragen. Oder noch besser: Einfach zu den Stoßzeiten doppelt gereihte ICEs, sprich mehr Waggons einsetzen – dann gäbe es Plätze für alle. Ich jedenfalls habe weder Lust für die Bahn den Schaffner zu spielen, noch möchte ich mich bei den Mitreisenden unbeliebt machen und ihnen in arroganter Manier meine ganz spezielle Ich-bin-toll-und-habe-teuer-bezahlt-Karte unter die Nase halten. Wo das enden kann, zeigt eine kleine Anekdote, die ich letztens im ICE von Frankfurt nach Köln beobachten durfte.
Der Zug war voll bis unters Dach, auch im Bahn-Comfort-Bereich, wo ich glücklicherweise noch einen freien Platz gefunden hatte, drängelten sich Menschen und Koffer dicht an dicht. Neben mir saß ein asiatisch aussehender Mann und las auf seinem iPhone E-Mail-Nachrichten in Schriftzeichen, die von oben nach unten verliefen. „Haben Sie eine Bahncard Comfort?“, fragte bald einer der stehenden Mitreisenden ziemlich barsch in Richtung meines Nebensitzers.
Der Mann schaute verständnislos. „I don’t speak German“, sagte er dann. Der stehende Mitreisende erklärte ihm daraufhin von vorn und auf Englisch, wie es sich verhält, mit dem Bahn-Comfort-Status. Nach seiner mehrere Minuten dauernden Rede („you know, this is only when you travel for more than 2000 Euros per year…“) friemelte er seine eigene Bahncard-Comfort aus dem Portemonnaie und bat meinen Sitznachbarn, den Platz freizuräumen. Dieser allerdings lächelte nur schüchtern und zog sein Portemonnaie hervor. „But I also have this“, sagte er entschuldigend und zeigte auf die Bahncard 100, die im Kreditkartenfach des Portemonnaies verstaut war. Der Mitreisende lief rötlich an und verließ den Bahn-Comfort-Bereich, so schnell er über die Koffer in den Gängen steigen konnte. Weitere scheinbar touristisch aussehende Menschen wurden nicht mehr belästigt.
Da bekommt das Wort...
Da bekommt das Wort „ausfechten“ im Sinne der Plätze (jeder holt nach drei Schritten seine messerscharfe Bahncard aus der Tasche).
Wer die Lounges noch nicht gesehen hat – ich kam bereits einige male aufgrund meines „Mitgebrachten, 2. Person“-Status in den Genuss – kann sich garnicht vorstellen wie es bei der Bahn auch aussehen, und zugehen kann…
Liebe Nadine Bös,
sicher ist...
Liebe Nadine Bös,
sicher ist das System nicht optimal. Aber besser ein schlechtes als gar keins. Man hört da so ein wenig den deutschen Perfektionismus. Meine Erfahrung zeigt mir, dass ich meistens im Comfort-Bereich einen Platz finde. Wenn nötig bitte ich den Schaffner mir einen Platz zu besorgen. Ich fände es sicher besser wenn dies Generve nicht wäre und die „Mitreisenden“ freiwillig den Platz räumen würden. Ich habe zumindest kein schlechtes Gewissen, wenn man als Kompensation für den doch momentan häufigen Ärger bei der Bahn auch einen Benefit bekommt.
ich fahre beruflich nur noch...
ich fahre beruflich nur noch erste Klasse – die DB-Lounge ist dabei schon eine schöne Zugabe.
Noch besser wäre es, wenn ich bei deer Buchung im Internet auch immer einen Platz im Ruhebereich bekommen könnte (was ich immer will, mir aber nicht immer vom System gegeben wird). Denn das telefonische und sonstige Geschwätz der „wichtigen“ (im Sinne von sich wichtig nehmenden) Geschäftsreisenden ist mehr als nervend und ein Grund für mich, das Bahnfahren zu verabscheuen.
Soweit ich weiß werden die...
Soweit ich weiß werden die „bahn-comfort“ Sitzplätze nicht mit dem normalen Reservierungsverfahren vergeben. „comfort“-Kunden können allerdings bis 5 Minuten vor Abfahrt eine kostenpflichtige Reservierung erhalten, die sie sich am Automaten ausdrucken können. Damit kann man dann zum Sitz gehen (der aber nicht als reserviert angezeigt wird). Zumindest hat man dann eine vorzeigbare Reservierung, und es ist nicht ganz so schlimm peinlich jemanden zu „vertreiben“, auch wenn er comfort-status hat.
Ich durfte für 23 Monate von...
Ich durfte für 23 Monate von und zur Kaserne jede Woche 2 x 800km fahren – natürlich ohne Bahn.Comfort Status (oder Hotelunterbringung / Taxifahrt, wenn die Bahn den letzten Anschlusszug verpasst). Ich habe es genau einmal erlebt, dass mich jemand im Bahn.Comfort Sitzbereich auf meine „wahrscheinlich fehlende“ Bahn.Comfort Karte angesprochen hat.
Während im Feldanzug gefahren bin. Mit dem halben Spind im oliven Seesack.
Ich hab den Vogel gefragt, ob er sich als Bahnmitarbeiter oder Vorgesetzter gemäß VVO ausweisen kann.
Konnte er leider nicht – und durfte stehen.
Sehr häufig sehe ich den...
Sehr häufig sehe ich den einen oder anderen Zug die Landschaft durchschneiden. Ob es eine Bahn-Comfort Karte dafür gibt, ist mir unklar, aber die Möglichkeit zur Kostümierung, um seinen Sitzplatz Nachdruck zu verleihen, sollte die Thrillerpfeife eben doch nicht fehlen. Oder man darf die Sitzeinstellungen verschieben, so dass nur der Platzreservierende dies erlaubt wird. Und wenn der Gast dann steht, kann er auch gehend gemacht werden. Zur Hilfe kommt doch gerne der Mann mit dem Satz Kellen, der rege(l)t jeden Passagier auf und mag keine Süßigkeiten.
ich muß privat leider zweite...
ich muß privat leider zweite klasse fahren, so daß ich die bahncard 100 nutze.
wenn man mal nachfragt ob diejenigen, die im bahncomfort-bereich sitzen auch wirklich bahncomfort inhaber sind, wird dies immer gleich bejaht – nur wenn man sich die karte zeigen läßt lügt je nach strecke bzw. fahrtzeit mindestens die hälfte. wenn die bahn einem schon ein privileg einräumt, dann sollte man auch nicht zu bescheiden sein darauf zu bestehen.
diejenigen, die sich dann immer groß aufregen waren einfach zu geizig einen sitzplatz zu reservieren!
Ich fahre die gleiche Relation...
Ich fahre die gleiche Relation wie Frau Bös und habe die beschriebene Situation – und auch ähnliche – erlebt. Der bahn.comfort-Status ist eigentlich ein „Goodie“ der Bahn für die Stammkunden, dass leider in der alltäglichen Realität ohne Sinn ist. Dort, wo es interessiert – und das ist für mich im Zug und nicht in der Lounge oder sonstwo – gibt es den ausgelobten Service nicht. Ich zahle viel Geld für den Transport durch die Bahn und nach meinem Verständnis meint dies einen sitzenden Transport und nicht stehend wie Vieh. Tatsächlich bin ich zu geizig ständig Sitzplätze zu reservieren, allzu oft durfte ich kurzfristig über die teure Hotline umbuchen, weil Verspätungen, Ausfälle, Streckensperrungen die ursprünglichen Pläne durchkreuzt haben.
Im Zug kann ich im bahn.comfort-Bereich Glück haben. Selten. Oder zwei Plätze weiter im bahn.comfort-Reservierungsbereich befürchten, dass gleich ein kurz-vor-knapp-Reservierer mich vertreibt. Öfter. Oder selbst jemanden dort vertreiben. Auch selten. Oder hoffen, woanders einen Platz zu finden. Beste Möglichkeit.
Der bahn.comfort-Bereich gaukelt dem bahn.comfort-Kunden einen Service vor den es nicht gibt. Selbst erkämpfen müssen gegen solch dreiste Zeitgenossen wie FJg, dabei aber in den seltensten Fällen Unterstützung vom Bahn-Personal – und überhaupt ist die Zahl der Plätze auf solch Relationen wie der von Frau Bös und mir mit einem überdurchschnittlichen bahn.comfort-Anteil viel zu gering.
Lösungsvorschläge würden hier den Platz sprengen. Aber vielleicht lässt sich die Kreativabteilung der Bahn, die ständig neue Tarife produziert, die keiner versteht, hier vielleicht mal was für die bereits zahlende Kundschaft einfallen…
@jj:
zu geizig - du weißt...
@jj:
zu geizig – du weißt vermutlich nicht genau, was einen selbstzahler ohne bahncard so eine fahrt kostet. man hat ein auto, man könnte im prinzip auch damit fahren, aber hey, gib der bahn eine chance, und der co2bilanz gleich mit. und dann kommt so ein schnösel (und meist spesenritter natürlich!) und besitzt die stillosigkeit, sich jemanden zum wegschicken auszusuchen.
liebe bahn, sowas passiert mir in zukunft nicht mehr! in mein auto kommen solche nicht.
schrecklich die DB ist einfach...
schrecklich die DB ist einfach schrecklich und noch schrecklicher sind Menschen die andere Mitmenschen aus ihren reservierten Plätzen vertreiben – auch wenn noch alles frei ist, auch wenn der Zug voll ist und die Mutter mit Kleinkind sonst keinen Platz findet oder der sitzende optisch die 100 schon überschritten hat.
Zur Info: Ich reserviere immer. Und lasse ggf. schwächere sitzen.