Zweiter Klasse

Zweiter Klasse

„Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen, da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter

Schockgefrostet

| 8 Lesermeinungen

Während sich Deutschland über den Frühling freut, kann die Köln-Frankfurter ICE-Fahrgemeinschaft auch mit Blick auf den täglichen Arbeitsweg aufatmen: Schon seit Wochen fahren die Züge wieder ziemlich verlässlich und pünktlich. Allerdings: Wenn schon draußen kein Winter ist, dann wird er eben drinnen per Klimaanlage nachgestellt.

Weichenstörung, Türstörung, Kupplungsstörung – das ganze Pendlerelend des nicht enden wollenden Winters scheint nun tatsächlich doch vorüber zu sein. Während sich andere schlicht über den Frühling freuen, kann die Köln-Frankfurter ICE-Fahrgemeinschaft auch mit Blick auf den täglichen Arbeitsweg aufatmen: Schon seit Wochen fahren die Züge wieder ziemlich verlässlich und pünktlich. Meistens haben sie sogar zwei Zugteile, was dafür sorgt, dass die Fahrgäste in der Regel einen Sitzplatz finden, die Gänge frei sind und sich so auch endlich die Panik vor eventuell auf freier Fahrt herausfallenden Türen einigermaßen gelegt hat. Sogar die Nachricht über die angeblichen radikalen Sparpläne beim Schalterpersonal hat die Bahn vehement dementiert.

Doch die Bahn wäre nicht die Bahn, würde ihr nicht irgendein Detail einfallen, das das Fahrvergnügen im Frühjahr doch noch trüben könnte: Immer neidischer fällt derzeit mein Blick auf diejenigen Bürodamen, die in Sommerröcken und Kleidern durch Frankfurt spazieren, in Sandalen zum Teil und gewiss ohne Schal und Mantel. Denn in meinem Fall geht ein solcher Kleidungsstil leider gar nicht. Das ICE-Personal hat pünktlich zur Schönwetterphase die Klimaanlage wieder entdeckt – und dreht voll auf. Egal ob es draußen 15, 20 oder 25 Grad hat, ob die Sonne scheint oder ein Schauer niedergeht, ich kann sicher sein, täglich einmal vor und einmal nach der Arbeit tüchtig schockgefrostet zu werden.

Die Stimmung unter den Fahrgästen jedenfalls wird durch die Eisschrank-Atmosphäre zuweilen recht frostig. So verhielt es sich zum Beispiel mit dem Herrn im kurzärmeligen Karohemd, dem gestern Abend sichtbare Gänsehautpickelchen auf den Armen wuchsen. Seinem Frust machte er Luft indem er lautstark eine mitreisende Dame zu beschimpfen begann, die ausgiebig am Handy über ihren sonnigen Inselurlaub bei 35 Grad erzählte.

Weil mir warme Gedanken und Urlaubserinnerungen nicht ausreichen gehört zu meiner persönlichen Grundausstattung vor Abreise mittlerweile standardmäßig ein langer, breiter Winterschal, der sich nach Fahrtende in der Tasche verstecken lässt, während der Fahrt aber ähnlich einer Decke wichtige Teile zur täglichen Erkältungsbekämpfung beitragen kann. Gegen die kalten Füße hilft das gleichwohl wenig, wobei man bei geschickter Platzierung der Aktentasche im Fußraum den Hauptlüftungskanal weitgehend blockieren kann (wahrscheinlich kommt die Kälte dann in der Sitzreihe davor mit doppelter Intensität heraus – sorry, liebe Mitreisende!).

Manchen Fahrgästen sind solcherlei Tricks aber wohl schlicht zu umständlich: So schien die Sache jedenfalls heute Morgen bei meinem Sitznachbarn gelagert zu sein. Dieser trug tatsächlich dicke, schwere, knöchelhohe Boots, einen Fleecepulli und auf dem Kopf eine Wollmütze. Er wirkte recht zufrieden. Denn immerhin war der Zug – anders als im wirklichen Winter – mal wieder pünktlich auf die Minute in Frankfurt Hauptbahnhof.


8 Lesermeinungen

  1. Ich habe Angst, dass ein...
    Ich habe Angst, dass ein Bahnmitarbeiter den Artikel „Schockgefrostet“ liest und in wilden Aktionismus verfällt, darum mein Kommentar: Ich bin regelmäßiger Pendler zwischen Hannover und Lüneburg. Der IC ist meist pünktlich, kann aber auch kleinere Verspätungen aufholen. Das Personal ist freundlich. Die Großraumwagen sind allerdings alt und ständig, also praktisch das ganze Jahr über, völlig überheizt! Insbesondere morgens! Wenn man dann nett fragt, dreht das wie gesagt freundliche Personal die Heizung runter. Aber erstens muss jemand vorbeikommen, zweitens dauert das. Das Übereinanderschichten wärmender Kleidung ist nur begrenzt möglich, das Ausziehen der Kleidung ist allerdings noch begrenzter.

  2. Möglicherweise wollte die...
    Möglicherweise wollte die Bahn (wenigstens) hier einmal weltgewandt handeln, ganz nach Großkonzernmanier und dem Motto: Act global, freeze local.
    So findet man garantiert den Anschluss an die Klimaanlagenarien der Amerikaner.

  3. Keine Frage, es ist kalt!...
    Keine Frage, es ist kalt! Vielleicht heißt das neue Motto der Bahn: wenn die Technik funktioniert soll der Beförderungsfall dies auch bemerken. Warum sonst zeigen die ICE derzeit alle die Kupplung statt die Klappen davor zu verschließen? Aber wenn es dann mal der Sommer kommt… Am Wochenende auf einer anderen Verbindung hatte ich in einem älteren ICE-Typ doch große Sehnsucht nach „meinem“ kalten ICE3. Und wir Pendler wissen doch alle wissen doch: sobald wir uns an hitzigen Sommertagen auf die klimatisierten Züge freuen sind die Klimaanlagen leider ausgefallen!

  4. ariadne sagt:

    Ich glaube ja, das...
    Ich glaube ja, das Schockfrosten dient nur dem Zweck, den ungenießbaren und überteuerten Kaffee an den Mann zu bringen. Wer richtig durchgefroren ist, freut sich vermutlich wenn er irgend etwas Warmes bekommt.
    Das Frieren ist auch keineswegs ICE-Reisenden vorbehalten. Diese Segnung verteilt die Bahn schon gerecht. Auch in meinem Regionalexpress herrschen pünktlich zum Frühjahrsbeginn gefühlte 13 Grad.

  5. David sagt:

    Solange niemand bei...
    Solange niemand bei Eiseskälte das Fenster auf macht bin ich glücklich!
    Das Bahnpersonal finde ich nicht so schlimm wie viele immer meinen.

  6. Sandra Uffel sagt:

    <p>@David</p>
    <p>In den...

    @David
    In den meisten Zügen lassen sich die Fenster leider nicht mehr öffnen, so wie sich auch keine Wagons mehr an- und abkoppeln lassen. Das ist für die Reisenden ziemliche dumm. Erstens können sie es sich nicht selber so warm machen, wie sie wollen und zweitens können die Reisenden dann mal schön auf dem Boden sitzen, wenn leider, leider die Bahn einfach ein idiotisch unflexibles System (ICE) angeschafft hat und dabei ist die paar Einheiten die es gibt auf ungeigneten Strecken (Buckelpisten, hier ist jeder IC annähernd gleich schnell) zu Grunde zu richten. Wenn es ginge, führe ich schon längst alle Wege mit dem Fahrrad.

  7. Robert B. sagt:

    Ist ja witzig, dass es...
    Ist ja witzig, dass es ICE-Fahrgäste genauso wie S-Bahn-Fahrer trifft (bezogen auf die Provinz-S-Bahn in Nordhessen): Die wintertaugliche Klimaanlage. Berichten von Menschen außerhalb Deutschlands zu Folge soll das übrigens internationaler Standard sein, dass man sich in Hotels, Banken, Zügen, … erst einmal eine Erkältung holt bei 35°C Außentemperatur. Was es soll, die Klimaanlage auf Frosttemperatur laufen zu lassen, erschließt sich mir allerdings nicht: In meinem Labor haben wir das ganze Jahr kontinuierlich zwischen 20 und 25°C, was durchaus angenehm ist.

  8. Dagmar H. sagt:

    <p>Vor einigen Monaten...
    Vor einigen Monaten glänzte die Bahn ja in Spiegel-online mit der Ankündigung, dass sie ökologischer werden wolle, z.B. die Lokführer in energiesparender Fahrweise geschult werden sollen. Und dass 6 ICE-Züge ein Jahr lang nur mit Strom aus Windenergie angetrieben werden sollen. Aber diesen Ökostrom dann zur Kühlung der ICE-Züge auf 18°C bei 30°C Aussentemperatur einzusetzen erscheint mir absolut unsinnig.

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