Manchmal möchte man wirklich zu gerne Staatsanwalt sein, besondern in Zeiten der Finanzkrise. Auch der New Yorker Generalanwalt Andrew Cuomo scheint sich im Moment kaum einen besseren Job vorstellen zu können. Derzeit verbringt er seine Zeit damit, die ganz großen Fische der Finanzbranche in Sachen Bonuszahlungen vorstellig werden zu lassen.
Wie die amerikanischen Medien berichten, hat der ehrgeizige Jurist kürzlich den Vorstandsvorsitzenden der Bank of America, Ken Lewis, als Zeugen zum Gespräch über den übereiligen Geldsegen bei Merrill Lynch gebeten. Zuvor hatte er den überaus selbstbewussten ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Investmentbank, John Thain, einbestellt.
Selten zuvor gerieten amerikanische Manager wegen ihrer inzwischen allzu großzügig gewordenen Vergütungspraxis so sehr in die Schusslinie. Knapp vier Milliarden Dollar für 700 “Leistungsträger” von Merrill Lynch nur wenige Tage vor Abschluss der rettenden Übernahme durch die Bank of America mögen zwar an der New Yorker Wall Street nicht der Rede wert sein. Wegen des desaströsen vierten Quartals, in dem die einst so stolze Investmentbank einen stattlichen Verlust von 15 Milliarden Dollar anhäufte und damit ihre neue Muttergesellschaft an den Staatstropf brachte, wirft das allerdings einige Fragen auf – und zwar nicht nur in der angewiderten Bevölkerung.
Nachdem sich die Bankenchefs schon vom amerikanischen Kongress vor den Augen der Öffentlichkeit die Leviten lesen lassen mussten, wurde es nun für sie im Büro des Generalanwaltes ungemütlich – denn Cuomo redet gerne Tacheles. Jüngst nannte er die Bonusausschüttungen schon einen “überraschenden Anfall von unternehmerischer Unverantwortlichkeit”. Der Generalanwalt untersucht derzeit, ob die Verantwortlichen beider Banken ihre finanziellen Verpflichtungen missachtet und das Geld der Steuerzahler unangemessen verwendet haben. “Untreue” nennt sich das nach den Buchstaben des deutschen Strafgesetzbuches.
Moment, das klingt vertraut: Übereilte Bonuszahlungen während einer milliardenschweren Übernahme? Ein Sturm der öffentlichen Empörung? Top-Manager im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft? Da werden Erinnerungen an den Fall Mannesmann in mir wach: Gerade einmal fünf Jahre ist es her, dass in dem “größten Strafverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte” so illustre Wirtschaftslenker wie der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann auf der Anklagebank Platz nehmen mussten.
Vor dem Auftakt des Prozesses im Januar 2004 diktierte der angespannte Angeklagte Ackermann uns Wirtschaftsjournalisten noch in die Notizbücher: “Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen.” Ein Satz, der ihm noch oft unter die Nase gerieben werden sollte. (Ja, ich gebe zu, auch ich kann es nicht lassen.)
Exorbitante Bonuszahlungen waren auch schon früher in den Vereinigten Staaten nicht so unumstritten, wie Josef Ackermann uns damals glauben machen wollte. Doch das aggressive Vorgehen von Generalanwalt Cuomo lässt keinen Zweifel daran, dass auch die amerikanischen Strafverfolger ihre Manager nicht mit Samthandschuhen anfassen.
Ob am Ende tatsächlich etwas bei den Ermittlungen herauskommt, steht freilich noch in den Sternen. Auch in Deutschland ging der Mannesmann-Prozess nach der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage ja mehr als glimpflich für die Angeklagten aus. Doch die Staatsanwaltschaft schaut jetzt wenigstens genauer hin und stellt in einem ernsten Gespräch hinter verschlossenen Türen hoffentlich die richtigen Fragen: “Üppige Boni für herausragende Leistungen? Welche Leistungen?”
<p>Andrew Cuomo als Sohn des...
Andrew Cuomo als Sohn des ehemaligen NY State-Gouverneurs Mario Cuomo ist ein politcal animal par excellence und kennt das Geschäft um die Stimmen und Stimmungen wie kaum ein anderer. Er hat seinem Vater Mario Cuomo beim Wahlkampf geholfen und war unter Clinton Wohnbauminister. Spitzer’s Sündenfall war für Klein-Cuomo ein Geschenk und er macht genau das, was viele Staatsanwälte, insbesondere wenn sie in New York wirken, machen: Er zeigt politische Ambitionen. (Zur Erinnerung: Auch Ex-Bürgermeister Giuliani war Bundesstaatsanwalt). Bei uns in Deutschland ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Staatsanwälte ihren Ambitionen freien Lauf lassen und ganz offen erklären, was sie wirklich wollen. Die ersten Staatsanwälte machen ja schon Schritte in die Wirtschaft, wie der ehemalige Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner. Die politische Bühne ist da auch nicht mehr weit entfernt und für die Angeklagten gefährliche Profilneurosen stellen sich bei Staatsanwälten ebenfalls ein, wie beispielsweise beim “Mannesmann-Prozess”. Ob die Staatsanwaltschaft nun wirklich “genauer hinschaut”, ob es “Leistungen” gegeben hat, oder ob sie zukünftig dabei nicht auch noch genauer hinschauen wird, ob ihr Vorgehen ihnen auch Zustimmung aus Volk und Politik einträgt, das stelle ich hiermit gerne zur Diskussion.
<p>Im Fall Mannesmann ging es...
Im Fall Mannesmann ging es doch um “Anerkennungsprämien”, die in den Verträgen der in ihren Genuss kommenden Protagonisten nicht vorgesehen waren. Solche “Prämien” im Nachhinein zu beschließen kann m.E. nicht mit dem hier in Rede stehenden Fall der Bezahlung von – im Vertrag vorgesehenen, also vorher ausgehandelten – Boni gleichgesetzt werden.
Wenn die Manager auch wenig “Gespür” für Moral und Anstand haben, so können sie hier doch in aller Regel einfach auf Vertragserfüllung pochen.
Man sollte die Finanzkrise weniger zum Anlass nehmen, um Vergangenes strafrechtlich zu durchleuchten, sondern vielmehr in Zukunft achtgeben, dass die künftigen Verträge sich wieder mehr in “normalen Sphären” bewegen und Boni nur für mittel- bis langfristigen, also nachhaltigen Erfolg gewährt werden.
Ich möchte jedenfalls weder Staatsanwalt noch Manager sein. ;-)
<p>Bei all dem darf nicht...
Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass die Staatsanwälte dort Wahlbeamte sind, die sich an populären und populistischen Themen gerne reiben, um die Basis für weitergehende politische Ambitionen zu schaffen (wofür dann doch noch das Volk gebraucht wird).
Dafür gibt es ja gerade in NY “eindrucksvolle” Beispiele, wie etwa Eliot Spitzer. Der pflügte zuerst die Wall Street um und sich dann selbst in einer pikanten “Callgirl-Affäre” unter. Geblieben ist – neben unendlicher Häme der unter seiner Amtszeit besonders leidenden Manager – sein Zitatklassiker, der für die Wall Street-Größen mehr denn je Geltung hat: “Never write when you can talk. Never talk when you can nod. And never put anything in an email”.