Wird der Bock zum Gärtner gemacht? Schreiben sich die Delinquenten auch noch ihre Gesetze selbst? Die Regeln der großen Koalition zur Rettung des Finanzmarkts werden ausgerechnet von Anwälten gezimmert.
Man sollte meinen, in den Bundesministerien gäbe es zu wenig Juristen. Warum sonst hätte sich das Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sein „Finanzmarktstabilisierungsgesetz” im vergangenen Oktober von der internationalen Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer schreiben lassen? Auch bei dem geplanten Enteignungsgesetz („Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz” oder auch „Rettungsübernahmegesetz” genannt) führen die Advokaten aus dieser Sozietät wieder die Feder.
Und es wird noch merkwürdiger: Das Gutachten, mit dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Verfassungsmäßigkeit dieser Verstaatlichungspläne überprüfen ließ, stammt aus der Schriftsatzschmiede Hengeler Mueller. Der neu bestallte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wiederum ließ sich sein Gegenkonzept einer „eingeschränkten Insolvenz” (also einer vorübergehenden Enteignung der Aktionäre, die nur nicht so heißt, weshalb die Anteilseigner dann auch nicht mal entschädigt würden) von der Law-Firm Linklaters texten.
Dumm nur, dass all diese Kanzleien normalerweise genau jene Unternehmen beraten haben, die nun um Staatsgeld betteln – oder dieses geradezu erpressen. Eigentlich kein Qualitätsbeweis für Weitblick und Sachkunde dieser Robenträger. Wobei immerhin anzuerkennen ist, dass etwa bei Freshfields nun im Regierungsauftrag gerade keiner jener unvermeidlichen Bankrechtler das Zepter schwingt. Vielmehr kommt ein „schlichter” Verwaltungsrechtler zum Einsatz – mit besonderer Expertise übrigens auf dem vertrackten Feld der Staatshaftung.
Schon lange beklagen Anlegerschutzverbände, dass Wirtschaftskanzleien beim Aktienrecht „Formulierungshilfe” leisten. Es geht nicht nur um Anwälte und Wirtschaftsprüfer, nicht mal nur um Juristen. So hat die Finanzbranche durch langjährige Abordnung eigner (und weiterhin selbst-bezahlter!) Mitarbeiter an den Regelwerken für die Aufsicht über die Finanzmärkte mitgestrickt. Experten anderer Fachrichtungen basteln auch mit an Gesetzen zum Umwelt- oder Gesundheitsschutz.
Da liegt die Gefahr nahe, dass Unternehmen und ganze Branchen, die von unseren Behörden kontrolliert werden sollen, sich die Spielregeln dafür selbst schreiben. Stimmt schon: Das letzte Wort sprechen die Abgeordneten im Bundestag. Kein Paragraphenwerk kommt so aus dem Parlament heraus, wie es herein geschickt worden ist (wusste bereits Herbert Wehner). Die Volksvertreter sind manchmal ziemlich eigensinnig. Unzählige Anhörungen sorgen schließlich dafür, dass auf demokratische und transparente Weise der Sachverstand von Professoren und Verbänden eingebunden wird. Die Stimme der Praxis wird also (zumindest) angehört.
Müssen dann aber Bundesministerien, in denen es doch von Volljuristen nur so wimmelt, wirklich ihre ureigenste Aufgabe „outsourcen” – und das für teures Geld? Jeder einzelne Anwaltspartner, der eine solche Staatsbehörde zum Mandanten hat, stellt dem Steuerzahler mindestens 300 Euro in Rechnung – pro Stunde (und nicht nur pro Tag)! Was treiben denn eigentlich all die Referenten, Referats- und Abteilungsleiter den lieben langen Tag, wenn sie sich sogar die Last der Gesetzgebung vom Hals schaffen? Ein Thema, das den Bundesrechnungshof schon längst beschäftigt hat. Und nun, dankenswerterweise, von der FDP-Bundestagsfraktion aufgegriffen wurde.
<p>Ein sehr schöner, sehr...
Ein sehr schöner, sehr erhellender und in seinen Schlussfolgerungen sehr wahrer Beitrag. Danke, Herr Jahn.