Rechtsanwälte können sich künftig mit drei Fachanwaltstiteln schmücken. Bisher war bei zweien Schluss. Advokaten sollten sich aber nicht zu früh freuen: Das vermeintliche Spezialisten-Prädikat wird damit noch weiter entwertet.
Der Titel des Fachanwalts gilt bisher als Einkommensturbo. Wer sich auf diese Weise als Experte für ein bestimmtes Rechtsgebiet ausweisen kann, verdient mehr als der titellose Durchschnittsadvokat. Anwaltsforscher haben das statistisch nachgewiesen. Kein Wunder: Wenn einen Bürger Rechtssorgen plagen, geht es ihm wie einem Patienten bei der Arztsuche. Man will „den besten Fachmann” haben – und weiß nicht, wie man ihn finden soll. Das Prädikat des „Fachanwalts” suggeriert dabei Kompetenz und schafft Vertrauen. Schließlich hat dessen Träger eine spezielle Prüfung ablegen müssen. Und durch eine so genannte Fallliste einschlägige Praxiserfahrung nachgewiesen.
Dazu passte schon bisher nur schlecht, dass Rechtsberater gleich zwei dieser Auszeichnungen auf ihren Briefkopf setzen durften. Wer wirklich ein ausgewiesener Experte für Steuerrecht ist, wird sich kaum gleichermaßen etwa mit Arbeits- oder Strafrecht befassen können. Jedenfalls nicht in deren ganzer Breite, deren Beherrschung der Fachanwaltstitel suggeriert.
Nun hat der Bundestag mit dem „Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht” beschlossen: „In Satz 3 wird das Wort ,zwei’ durch das Wort ,drei’ ersetzt.” Gemeint ist § 43 c der Bundesrechtsanwaltsordnung. Viele Anwälte werden sich freuen, können sie nun vermeintlich noch mehr Mandanten akquirieren. 20 verschiedene Spezialgebiete stehen bereits zur Auswahl; als bisher letzte Innovation schuf die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer den Experten für Agrarrecht.
Doch die jetzige Gesetzesänderung dürfte in Wirklichkeit den Niedergang des „Fachanwalts” beschleunigen. Sicher: Die Möglichkeit zur Spezialisierung ist eine ausgesprochen gute Sache. Denn kein Jurist kann sich auch nur ansatzweise mit allen Paragraphen und Urteilen auskennen, die die Welt regeln. Und sie schafft die nötige Transparenz am Beratungsmarkt. Wer hartnäckige Bauchschmerzen hat, weiß schließlich auch, dass er sich nicht an einen Hals-, Nasen- und Ohrenarzt wenden sollte, sondern an einen Gastroenterologen.
Doch die vermeintliche Expertise auf drei Rechtsgebieten zugleich kann man keinem Anwalt abnehmen. Schlimmer noch: Nun dürfte manchem erst richtig klar werden, dass die begehrte Auszeichnung mit dem Expertentitel schon jetzt oft bloß ein Etikettenschwindel ist. „Wo Fachanwalt drauf steht, ist nicht immer einer drin”, räumen Standesvertreter diskret ein. Die Vorgaben der Bundesrechtsanwaltsordnung für Praxiserfahrung und Theorieprüfung werden nicht sonderlich streng gehandhabt. Dazu kommt eine schleichende Entwertung des Titels, seit das Bundesverfassungsgericht die Regeln des Berufsrechts durchlöchert und frei erfundene Begriffe wie „Spezialist” in der Selbstdarstellung erlaubt hat.
Schade. Der Anwaltszunft wäre dringend zu raten, dass sie nun wenigstens strengere Hürden für die Vergabe des Titels aufstellt. Damit er auch wirklich für Fachkunde bürgt. Dann dürfte es „Multitalenten” schwer fallen, sich drei davon aufs Türschild zu schreiben. Und Menschen mit Rechtssorgen könnten endlich wirklich sicher sein, an einen fähigen Dienstleister zu geraten.